| # taz.de -- Verschwörungsprofis unter sich | |
| > Eine Veranstaltung der prominenten Zweifler an der offiziellen Version | |
| > der Geschehnisse des 11. September 2001 gerät in Berlin zur substanzlosen | |
| > Selbstbestätigung. Horst Mahler darf teilnehmen, „Nazis raus“-Rufer | |
| > müssen den Saal verlassen | |
| aus Berlin BERND PICKERT | |
| „Fragt immer nach! An unserer Fähigkeit zu fragen entscheidet sich, ob wir | |
| Untertanen sind oder Demokraten!“ Ein schöner Satz von Eckart Spoo, dem | |
| altlinken langjährigen Autor der Frankfurter Rundschau und heutigen | |
| Redakteur der Zeitschrift Ossietzky. Ein paar Nachfragen allerdings sollte | |
| sich Spoo wohl selbst stellen, denn die Veranstaltung im überfüllten | |
| Audimax der Berliner Humboldt-Uni am Montagabend, deren Abschluss Spoos | |
| Aufruf bildete, war gründlich danebengegangen. | |
| Unter dem Titel „Der inszenierte Terrorismus – Die Anschläge am 11. | |
| September 2001“ hatten sechs Männer gut zwei Stunden lang erklärt, warum | |
| die Anschläge von New York und Washington vermutlich nicht durch al-Qaida | |
| ausgeführt wurden, die Flugzeuge keine entführten Passagiermaschinen, | |
| sondern ferngesteuerte Drohnen gewesen sein dürften, der Schaden im | |
| Pentagon unmöglich durch einen Düsenjet entstanden sein kann, die | |
| Zwillingstürme nicht wegen der Flugzeugeinschläge eingestürzt sein können. | |
| Ekkehard Sieker, Autor von „Monitor“-Beiträgen beim WDR, erzählt noch rec… | |
| eindrucksvoll die Geschichte, wie seine Redaktion das Video selbst | |
| übersetzen ließ, auf dem Ussama Bin Laden sich im Kreise von Vertrauten | |
| angeblich mit Vorauswissen brüstete. Tatsächlich, so Sieker, gab Bin Laden | |
| laut der Übertragung mehrerer unabhängiger Übersetzer lediglich allgemein | |
| bekannte Fakten wieder und bestätigte mitnichten, im Vorhinein von den | |
| Anschlägen gewusst oder sie mit geplant zu haben. Das sei eine reine | |
| Fälschung der weltweit vom Pentagon verbreiteten Übersetzung. | |
| Über Ex-tazler Mathias Bröckers, mit seinem „11. 9.“-Buch zum Erfolgsautor | |
| des Zweitausendeins-Verlags geworden, der sich gerade müht, die diesen | |
| Monat erscheinende Fortsetzung wiederum erfolgreich zu vermarkten, geht der | |
| Parforce-Ritt durch die Theorie des US-amerikanischen Staatsterrorismus | |
| gegen die eigene Bevölkerung weiter, um irgendwann bei dem unvermeidlichen | |
| Andreas von Bülow anzulangen. Der Autor der | |
| Geheimdienste-kontrollieren-alles-Schmonzette „Im Namen des Staates“ | |
| (Piper-Verlag 1998) kann seinen Fans erzählen, was er will – er war mal | |
| Bundesminister und Staatssekretär, er muss es also wissen. Der immerhin | |
| nachdenkliche Ton von Bröckers und Sieker weicht wilder Polemik, gemischt | |
| mit unsinnigen Behauptungen – etwa, dass die New Yorker Feuerwehr den | |
| Brandherd in den Türmen bereits unter Kontrolle gehabt hätte, als diese | |
| dann einstürzten, das also alles so überhaupt nicht gewesen sein könne. Das | |
| Publikum klatscht begeistert, viele schreiben mit, haben dieses | |
| Wir-haben-es-ja-immer-gewusst-Glänzen in den Augen, gucken sich vielsagend | |
| an. Die vielen dutzend Menschen, die sich aus den Fenstern der | |
| Zwillingstürme stürzten, weil sie die Hitze nicht mehr ertrugen, bleiben | |
| unerwähnt. Während die Spiegel-Autoren Reinhard Mohr und Henryk M. Broder | |
| schon nach 20 Minuten das Weite suchen, hält nach der Pause ein anderer | |
| Zuhörer Einzug ins Audimax – und plötzlich wird auch verständlich, warum | |
| eine solche Veranstaltung eigentlich ein vielköpfiges Security-Team in | |
| schwarzen Anzügen braucht und wer die jungen glatzköpfigen Herren in kurzen | |
| Hosen sind, die im Eingangsbereich und an verschiedenen Stellen im Saal | |
| Aufstellung genommen haben: Horst Mahler betritt den Saal und setzt sich, | |
| begleitet von wenigen, aber lautstarken „Nazis raus“-Rufen, in die fünfte | |
| Reihe, wo ihm Vertraute einen Sitzplatz reserviert haben. | |
| Wer nun erwartet hätte, die kritischen Linken auf der Bühne würden | |
| unterbrechen, bis der prominenteste Rechtsextreme der Bundesrepublik | |
| mitsamt seinen Glatzköpfen den Saal wieder verlassen hätte, hat sich | |
| getäuscht: Stattdessen werden die „Nazis raus“-Rufer vom | |
| Sicherheitspersonal aus dem Saal geleitet und vor den Türen pfeifende | |
| Antifas am Eintritt gehindert. | |
| „Mahler hat sich sogar vor Gericht mit Zitaten aus meinem Buch verteidigt, | |
| da kann ich doch nichts dagegen machen“, rechtfertigt sich Mathias Bröckers | |
| gegenüber der taz im Anschluss. Kann es wirklich sein, dass sechs | |
| Rechercheure, die das vermeintlich größte Geheimnis der jüngeren Geschichte | |
| aufdecken wollen, noch nie etwas vom Hausrecht eines Veranstalters gehört | |
| haben? | |
| Das Problem liegt tiefer. Bröckers und Co bedienen mit ihren Theorien auch | |
| jene Klientel, für die US-Außenpolitik einschließlich des 11. September ein | |
| großer Plan des jüdischen Finanzkapitals ist – da klatscht Horst Mahler, da | |
| nickt manch PDS-Opa eifrig mit dem Kopf. Es wäre den Veranstaltern ein | |
| Leichtes gewesen, sich solcher Freunde zu erwehren. Sie haben es nicht | |
| getan. | |
| 2 Jul 2003 | |
| ## AUTOREN | |
| BERND PICKERT | |
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