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# taz.de -- Der Feuersturm
> Vor 60 Jahren zerstörten alliierte Bomber in nächtelangen Angriffen
> Hamburg: „Operation Gomorrha“ forderte mehr als 35.000 zivile Opfer
aus HamburgBERNHARD RÖHL
Am 27. Mai des Kriegswendejahres 1943 diktierte der Air Chief Marshal der
britischen Armee, Arthur Harris, einen streng geheimen Befehl – die
Anweisung mit dem unmissverständlichen Ziel, die zweitgrößte Stadt
Deutschlands, Hamburg, zu zerstören. „Die totale Zerstörung dieser Stadt
würde unermessliche Resultate durch Verringerung der industriellen
Kapazitäten der Kriegsmaschinerie des Feindes erbringen. Das würde zusammen
mit der Auswirkung auf die deutsche Moral, die im ganzen Land spürbar sein
wird, eine sehr wichtige Rolle bei der Verkürzung des Krieges spielen.“ Die
„Operation Gomorrha“ lief an – am 24. Juli vor 60 Jahren begannen die
Luftangriffe. Der Feuersturm brach los.
Harris hatte bereits ein Jahr zuvor den Plan entwickelt – symbolisch
hundert Jahre nach dem Brand, der große Teile Hamburgs vernichtet hatte.
Schon im Mai 1942 sollten tausend Bomber gegen Hamburg fliegen – ein
schweres Gewitter verhinderte den Angriff.
Schon vor Gomorrha war es seit dem Mai 1940 zu mehr als 130 Luftangriffen
auf die Hansestadt gekommen, 1.194 Menschen waren dabei gestorben. Die
Hamburger hatten sich schon fast an den Luftalarm gewöhnt, Jugendliche
suchten nach Angriffen Bombensplitter als Souvenirs, Schaulustige sahen
sich am nächsten Tag die Schäden an. Der Hamburger Polizeipräsident Kehrl
hatte jedoch schon Anfang Juli in den gleichgeschalteten Hamburger Blättern
die Bevölkerung gewarnt, sich in Sicherheit zu wiegen. Die Bewohner sollten
nach wie vor Wassereimer und Sandtüten zur Brandbekämpfung bereit halten
und an verpflichtenden Feuerlöschübungen teilnehmen.
Am Donnerstag, den 22. Juli traf London die Entscheidung für einen Angriff
auf Hamburg, der bis zum 3. August andauern sollte. Der Beginn wurde auf
die Nacht vor dem 25. Juli festgelegt. Zwischen 22 und 23 Uhr flogen die
Bomber von der britischen Insel los. Um 0.33 Uhr heulten die ersten
Sirenen. In der ersten Nacht fielen die Bomben auf die Innenstadt, Altona,
Hoheluft, Wandsbek und Eimsbüttel. Das Rathaus wurde getroffen, das
Geburtshaus des Komponisten Johannes Brahms in der Speckstraße brannte
nieder. Das war erst der Anfang.
Der furchtbarste Angriff in der Nacht zum 28. Juli richtete sich gegen die
Stadtteile im Osten Hamburgs, Hamm, Rothenburgsort und vor allem
Hammerbrook. Hammerbrook, im Volksmund auch Jammerbrook genannt, war damals
ein Arbeiterviertel, vor 1933 eine Hochburg von SPD und KPD. Bauspekulanten
ließen in diesem Viertel Mietskasernen mit Hinterhäusern hochziehen, „ein
hässliches Wirrwarr von Wohnhäusern, Lagerplätzen, Fabriken,
Eisenbahnanlagen, untermischt mit grauen Mietskasernen“, wie das
sozialdemokratische Hamburger Echo in den 20er Jahren beschrieb. In diese
Enge fielen in der Nacht die Bomben und verursachten einen katastrophalen
Feuersturm.
Überlebende versuchten sich durch den Sprung in die Hafenfleete zu retten,
andere blieben auf ihrer Flucht im aufgeweichten Asphalt stecken, viele
erstickten oder verbrannten in Luftschutzkellern. Menschen verglühten
sekundenschnell vor den Augen ihrer Angehörigen. Über 35.000 Menschen,
darunter 5.000 Kinder, starben bei den Juli-Angriffen.
Zu den Toten gehörten auch zahlreiche Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene –
Ende Juni 1943 waren in Hamburg gut 66.000 ausländische Zwangsarbeiter
registriert. Im Chaos der Luftangriffe flohen in der Nacht zum 30. Juli 72
von 100 sowjetischen Zwangsarbeitern aus dem Krankenhaus St. Georg. Die
Klinikleitung informierte sofort die Gestapo, die sofort acht der nicht
geflohenen Sowjets vor den Augen der Mitpatienten per Genickschuss
ermordete. Seit September 1989 erinnert ein Gedenkstein auf dem
Krankenhausgelände daran.
Der in Hamburg residierende SS-und Polizeiführer Graf Georg Henning von
Bassewitz-Behr, ein Vertrauter Himmlers, verschärfte direkt nach den
Bombenangriffen den Kurs gegenüber den osteuropäischen Zwangsarbeitern: Wer
sich weigerte, ohne Schutzanzüge und Maske schon verweste Leichen zu
bergen, wurde erschossen. Himmler schickte darauf ein Telegramm nach
Hamburg, in dem er das „scharfe Durchgreifen“ lobte.
23 Jul 2003
## AUTOREN
BERNHARD RÖHL
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