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# taz.de -- „Negerhure! Negerhure!“
> Die berüchtigte österreichische „Kronen Zeitung“ des Verlegers Hans
> Dichand hat einen Leserbrief mit privater Adresse und Handynummer
> veröffentlicht – und die Leserin damit dem Pöbel ausgeliefert
von FLORIAN KLENK
Wenn die Wienerin Judith E. dieser Tage ihre Mailbox abhört, dann kann es
schon passieren, dass eine Stimme wieder einmal „Negerhure! Negerhure!“
brüllt. Ihre Mailbox ist ständig voll, der Briefkasten quillt über.
Verantwortlich dafür ist Österreichs mächtigster Zeitungsherausgeber, der
greise Hans Dichand. Er, der stets eine Zeitung „für meine Leser“ machen
wollte, hat eine kritische Leserin der Hetze des Pöbels ausgeliefert.
Judith E. hat nämlich einen Leserbrief geschrieben. An Dichands Kronen
Zeitung.
Letzte Woche kam im Wiener Stadtpark ein Afrikaner während eines
Polizeieinsatzes ums Leben. Der Fall löste einen Politstreit aus und sollte
zunächst vertuscht werden. Ein Video eines Anrainers, das die Stadtzeitung
Falter veröffentlichte, zeigt Sanitäter und Polizisten, die minutenlang auf
dem Mann stehen. Der Arzt hat die Hände in den Hosentaschen (die taz
berichtete). Ein Vorfall, der eigentlich nicht zum Ideologiestreit taugt.
Und jetzt geht es auch um journalistische Standards. Darum, dass man nicht
gegen den Willen der LeserbriefschreiberInnen ihre Adressen veröffentlicht.
Und auch nicht die Handynummer. Zumal sich der Leserbrief in seiner Haltung
deutlich von vielen anderen unterscheidet, die sonst in der Krone
erscheinen. In ihrem Brief an Dichand vergangene Woche wies Judith E.
darauf hin, dass der Afrikaner im Stadtpark auch von Polizisten geschlagen
worden war. Sie wies darauf hin, dass „Afrikaner in Wien stets auf Almosen
angewiesen“ seien. Ihrem Brief legte Frau E. ein Begleitschreiben bei, in
dem sie für Rückfragen der Redaktion ihre Handynummer und ihre Adresse
angab. Auch erwähnte sie nebenbei, mit einem Nigerianer verheiratet zu
sein.
Dazu sollte man wissen, dass die Kronen Zeitung gemessen an der
Bevölkerungszahl die größte Zeitung der Welt ist. Knapp 45 Prozent der
Österreicher greifen täglich zum Kleinformat. Das Blatt gehört jeweils zur
Hälfte Dichand und der deutschen WAZ-Gruppe. Dichand ist ein mächtiger
Mann, der gerne dafür kämpft, dass alte Nazis in Wiens Ehrengräbern
bestattet werden.
Die Politik fürchtet sich vor der Krone. In schlechter Erinnerung sind noch
die antisemitischen Kolumnen des mittlerweile pensionierten Richard
Nimmerrichter, der unter dem Decknamen „Staberl“ gern auch mal den
Holocaust kleinredete.
Dichand bestreitet, Macht auszuüben. Schon lieber streichle er seinen Hund,
sagt er. Er gestalte nur eine Zeitung für seine Leser. Meist stimmt das
auch. Und in Zeiten, in denen Afrikaner unter den Füßen von Polizisten zu
Tode kommen, lässt er dann das gesunde Volksempfinden in der Rubrik „Das
freie Wort“ wüten. Angeblich wählt Dichand diese Briefe selbst aus. Manche
munkeln, dass er sie gelegentlich auch selbst schreibt.
Da beklagt sich dieser Tage etwa ein „Franz Weinpolter, Wien“, den man
nicht im Telefonbuch findet, anlässlich des Todes im Wiener Stadtpark, dass
man „früher noch Neger sagen durfte“ und der Tod des Afrikaners wieder
einmal ein Grund „für die links-grünen Gutmenschen (ist), den bösen
Rassismus anzuprangern“. Eine Anita Reinthaler aus Wels (auch nicht im
Telefonbuch) findet es wiederum gar nicht korrekt, „dass es jetzt für einen
herzkranken und drogensüchtigen Afrikaner […] an allen Ecken Untersuchungen
gibt, die von unseren Steuergeldern bezahlt werden“.
Auf den Brief von Judith E. antwortete Dichand also, indem er Adresse und
Telefonnummer veröffentlichte. Gegen ihren Willen und ohne Rücksprache: In
den ersten drei Stunden nach Erscheinen des Briefes in der Krone erhielt
Judith E. rund 200 Anrufe von aufgebrachten Lesern. In Mails wird ihr mit
dem Tod gedroht. In ihrer Tasche trägt sie einen Packen Schmähbriefe, in
denen ihr ein „Schuss in die Fut“ von einem „österreichischen Patrioten�…
angedroht wird. Ein anderer erkundigt sich: „Sind Sie so hässlich, dass Sie
kein Europäer anschaut?“
„Ich habe jetzt wirklich Angst“, sagt Judith E., die überlegt, ob sie Klage
gegen die Krone einreichen soll. Einen Leserbrief jedenfalls wird sie wohl
nicht mehr so schnell schreiben.
26 Jul 2003
## AUTOREN
FLORIAN KLENK
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