# taz.de -- „Die Kämpfer aller Fraktionen fühlen sich betrogen“ | |
> Eve Bazaiba, Oppositionspolitikerin in der Demokratischen Republik Kongo, | |
> über die Instabilität im Land, den Friedensprozess und die Rolle der UNO | |
taz: Die Demokratische Republik Kongo befindet sich in einem | |
Friedensprozess, der zu freien Wahlen 2005 führen soll. Aber in den letzten | |
Monaten gab es Kämpfe, und die politische Unsicherheit nimmt zu. Glauben | |
Sie noch an Wahlen 2005? | |
Eve Bazaiba: Wir sind zuversichtlich, dass die Wahlen stattfinden werden, | |
denn das ist eine Verpflichtung des Kongo gegenüber der Weltgemeinschaft. | |
Ein Übergangsprozess muss ja irgendwo hinführen. Wahlen sind der einzige | |
Ausweg aus der jetzigen Situation. Ohne Wahlen gibt es nach Sommer 2005 ein | |
Machtvakuum. Das ist sehr gefährlich. | |
Und wenn es nicht klappt? | |
Es klappt. Es gab großen Druck aus der Bevölkerung, eine unabhängige | |
Wahlkommission einzusetzen. Zusammen mit dem Druck von der internationalen | |
Gemeinschaft wurde das dann gemacht. | |
Also hängen Fortschritte vom Druck von außen ab? | |
Von der Kombination von nationalem und internationalem Druck. Das war immer | |
der Motor für Fortschritte im Kongo. Während der Mobutu-Diktatur erzwangen | |
wir auf diese Weise das Mehrparteiensystem, während des Krieges den | |
innerkongolesischen Dialog. | |
Die internationale Gemeinschaft sagt aber nicht immer klar, was sie im | |
Kongo will. | |
Das liegt daran, dass dafür vor allem Diplomaten zuständig sind. Im Ciat | |
(Internationales Komitee zur Begleitung des Übergangsprozesses – ein | |
Gremium der wichtigsten ausländischen Partnerländer des Kongo, das | |
regelmäßig seine Meinung zur Lage im Land sagt, d. Red) sitzen die bei der | |
Regierung akkreditierten Botschafter, und die haben oft nicht freie Hand. | |
Es wäre besser, wenn darin Experten säßen. Oder die Monuc (UN-Mission im | |
Kongo, d. Red): Sie hat eine militärische Komponente, mit der Möglichkeit | |
zur Gewaltanwendung, und eine diplomatische. Also kann sie nicht kämpfen | |
und gleichzeitig verhandeln. So zog sie Anfang Juni ihre Blauhelme aus | |
Bukavu zurück, als die Stadt von den Kämpfern des rebellierenden | |
Kommandanten Nkunda angegriffen wurde. Aber sie sagte nicht die Wahrheit | |
über die Situation – sie behauptete, den Flughafen von Bukavu zu | |
kontrollieren, als er schon gefallen war. Die Kongolesen verstanden nicht, | |
wie ein Warlord eine Stadt erobern kann, in der UN-Blauhelme stationiert | |
sind, und ging landesweit auf die Straße. | |
Gab es Konsequenzen? | |
Ja. Die Monuc erkannte die Unzulänglichkeit ihres Handelns an. Das größte | |
Problem ist, dass das Programm zur Demobilisierung der Bürgerkriegsarmeen | |
und zur Bildung einer geeinten nationalen Armee nicht vorankommt. Wir haben | |
im Kongo 20 reguläre und irreguläre Armeen. Ihre Führungen sitzen jetzt in | |
einem gemeinsamen Generalstab, aber die Soldaten sind noch getrennt. Sie | |
sind alle irgendwo kaserniert, ohne Geld, viele sind krank. Die | |
Hilfsorganisationen kümmern sich um Zivilisten und Flüchtlinge, aber nicht | |
um Soldaten. Die leben also von Übergriffen auf die Bevölkerung. Sie | |
errichten Straßensperren, vergewaltigen Frauen. | |
Was bedeutet das für den Friedensprozess? | |
Ich habe im Ostkongo Kämpfer aller Fraktionen getroffen, die sich während | |
des Krieges bekämpften. Heute sagen sie einmütig: Wir haben unseren Führern | |
zu einer großen Karriere verholfen, die sitzen nun in der Regierung, wohnen | |
in schönen Häusern und fahren schicke Autos, aber wir haben nichts. Sie | |
fühlen sich betrogen und beginnen, sich zusammenzuschließen. Das ist der | |
Hauptgrund für die neue Instabilität im Osten des Landes. Vernachlässigte | |
Soldaten können ein politisches Problem werden. | |
Die UNO sagt, dass die Regierung für die Demobilisierung der | |
Bürgerkriegsarmeen und Gründung einer neuen Armee zuständig ist. | |
Aber für die Repatriierung der ausländischen Kämpfer, zum Beispiel der | |
ruandischen Hutu-Milizionäre, ist die UNO zuständig. Erst danach stellt | |
sich die Frage der Gründung einer neuen Armee. Solange ausländische | |
Bewaffnete auf kongolesischem Gebiet unkontrolliert marodieren können, | |
sehen Kongolesen nicht ein, warum sie das nicht auch tun sollten. | |
In diesem Monat steht die Verlängerung des Monuc-Mandats im Sicherheitsrat | |
an. Braucht die UNO im Kongo ein stärkeres Mandat? | |
Das ist doch nur eine Formsache. Man muss die Fähigkeiten der Blauhelme | |
stärken. Viele UN-Militärs kennen sich bei uns nicht aus, zum Beispiel die | |
aus Bangladesch. Wir brauchen Soldaten, die die Region kennen, wie die aus | |
Südafrika oder Senegal. Der Rest kann sich mit humanitärer Hilfe | |
beschäftigen. | |
INTERVIEW: DOMINIC JOHNSON | |
17 Jul 2004 | |
## AUTOREN | |
DOMINIC JOHNSON | |
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