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# taz.de -- Massaker an Tutsi-Flüchtlingen
> Ein Angriff auf kongolesische Banyamulenge-Flüchtlinge in Burundi fordert
> 159 Tote. Die Täter kamen aus dem Kongo und waren möglicherweise Soldaten
> der kongolesischen Regierungsarmee. Das könnte den Friedensprozess in
> Gefahr bringen
VON DOMINIC JOHNSON
Bei einem Überfall auf einen Flüchtlingslager kongolesischer Tutsi in
Burundi sind mindestens 159 Menschen getötet wurden. Das schlimmste
grenzüberschreitende Massaker in der Region seit mehreren Jahren ereignete
sich in der Nacht zu Samstag im Lager Gatumba, rund 20 Kilometer westlich
der burundischen Hauptstadt Bujumbura kurz vor der Grenze zur
Demokratischen Republik Kongo.
„Es war ungefähr 22 Uhr, wir schliefen alle“, berichtete ein Überlebender
gegenüber Journalisten am Wochenende. „Wir hörten Trommeln. Dann fingen sie
an zu schießen, und manche hatten Messer.“ Nach dem Angriff, der
Augenzeugen zufolge rund anderthalb Stunden dauerte, waren 8 der 15
Gemeinschaftszelte des Lagers samt ihrer Insassen verbrannt, zahlreiche
weitere Flüchtlinge lagen tot im Gras, erschossen oder mit Macheten
umgebracht. Burundis Präsident Domitien Ndayizeye, der den Tatort am
Samstag besuchte, machte „bewaffnete Elemente aus der Demokratischen
Republik Kongo“ verantwortlich.
„Unser Land ist angegriffen und unsere Grenze verletzt worden“, sagte er.
Einer der Lagerleiter beschuldigte die Regierungsarmee des Kongo, das
Massaker zusammen mit burundischen und ruandischen Hutu-Rebellen begangen
zu haben. Der kongolesische Vizepräsident Azarias Ruberwa, selbst
Angehöriger der ruandischstämmigen Minderheit des Ostkongo, sprach nach
einem Besuch in Gatumba ebenfalls von „kongolesischen, ruandischen und
burundischen Angreifern, die aus dem Kongo kamen“ und präzisierte: „Die
Schande ist, dass die Kongolesen einer Miliz angehörten, die jetzt in der
Regierungsarmee ist.“
Seine politische Bewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), die
einst im Ostkongo herrschende Rebellenbewegung, beschuldigte zwei
Truppenverbände der Regierung, „mit leichten Waffen, Raketenwerfern,
Macheten und Benzinkanistern“ die Grenze nach Burundi überschritten zu
haben, um das Massaker zu begehen.
Gatumba ist ein altes Flüchtlingslager unweit der Straße, die am Nordufer
des Tanganyika-Sees entlang von Burundis Hauptstadt Bujumbura Richtung
Kongo führt. Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen haben während der
verschiedenen Kriege der letzten Jahre dort Schutz gefunden. Zuletzt lebten
dort nach UN-Angaben 1.667 Banyamulenge-Tutsi aus dem Kongo, die im Juni
geflohen waren. Rund 30.000 ruandischstämmige Kongolesen, viele davon
Banyamulenge, flohen damals nach Ruanda und Burundi, weil sie derselben
Ethnie angehören wie eine Gruppe rebellierender Soldaten, die eine Woche
lang die ostkongolesische Provinzhauptstadt Bukavu besetzt hatten. Die
regierungstreuen Armeekommandanten, die Bukavu heute wieder kontrollieren,
sehen die Banyamulenge als Feinde an und haben Milizionäre aufgenommen, die
seit Jahren die Vertreibung der Tutsi predigen.
Dass die Flüchtlinge gezielt als Tutsi angegriffen wurden, steht für sie
außer Frage, denn ein benachbartes Lager mit Menschen anderer Ethnien blieb
unbehelligt. Lokale Quellen bestätigten der taz, dass die Angreifer aus dem
Kongo nach Burundi eindrangen. Ebenfalls zu dem Angriff bekannt hat sich
zwar die radikale burundische Hutu-Rebellengruppe FNL (Nationale
Befreiungsfront), die als einzige Gruppe noch nicht der
Allparteienregierung beigetreten ist. Ihr Sprecher Pasteur Hitimana sagte,
seine Kämpfer hätten „das Militärcamp und die Gendarmerie von Gatumba“
angegriffen, und „die getöteten Banyamulenge waren in Uniform und hatten
auf uns geschossen“. Die verkohlten Leichen von Frauen und Kindern, die
UN-Mitarbeiter am Samstag aufsammelten, straften diese Schilderung Lügen.
Die Frage ist nun, ob die Angreifer tatsächlich auf Befehl eines
kongolesischen Regierungskommandanten handelten. In diesem Fall wäre der
Friedensprozess im Kongo in großer Gefahr. Die ruandischstämmige Minderheit
im Ostkongo sieht sich als physisch bedroht und würde einen quasi
offiziellen Angriff auf Banyamulenge-Flüchtlinge als Kriegserklärung
werten. Dass die mehreren tausend UN-Blauhelme in Burundi und Ostkongo
einen grenzüberschreitenden Angriff dieser Art offenbar nicht verhindern
konnten, ist ein weiteres Alarmzeichen für die Region.
meinung und diskussion SEITE 11
16 Aug 2004
## AUTOREN
DOMINIC JOHNSON
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