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> KRISENTHEATER Nicolas Stemann hat Elfriede Jelineks Komödie „Die | |
> Kontrakte des Kaufmanns“ in Köln uraufgeführt | |
VON KATRIN BETTINA MÜLLER | |
Es ist vollbracht. Das Geld verbrannt. Die 99 Seiten, die das Manuskript | |
der Kölner Fassung von Elfriede Jelineks Stück „Die Kontrakte des | |
Kaufmanns“ umfasst, sind in vielfacher Ausgabe nach und nach auf dem | |
Bühnenboden des Schauspielhauses gelandet, der zum Schluss in Köln von | |
Papieren übersät ist wie die Wallstreet nach dem Börsencrash von 1929 von | |
wertlosen Aktien. | |
Geld ist sexy. So sexy mindestens wie Maria Schrader und Patricia | |
Ziolkowska, die ihm ihre roten Lippen und süßen Stimmen leihen und uns | |
schön wie der Teufel verführen wollen, unser Kapital, wenn wir denn eins | |
hätten, bei ihnen anzulegen. Aber das Geld ist nicht nur der Teufel, das | |
Geld ist auch Gott in dieser reich orchestrierten Messe, als die Nicolas | |
Stemann Jelineks Text zelebriert. „Das Geld ist tot und wir haben es | |
getötet“, variiert ein Schauspieler Nietzsche. Sie nageln das Geld ans | |
Kreuz und reden mit Predigerstimmen und Engelszungen, um weiter anzulegen. | |
Dass sich in der rituellen Forderung nach einem Opfer die Rhetoriken von | |
Banken und Politikern wie ein Ei dem andern gleichen, legt die Kölner | |
Inszenierung sehr schön offen. Dabei gehören die gesprochenen Sätze nicht | |
nur der Vergangenheit an. Klagende Stimmen von betrogenen Kleinanlegern | |
eröffnen das Stück. Die Hoffnung einer individuellen Absicherung mischte | |
sich mit dem spekulativen Interesse der Banken. Die Inszenierung kommt | |
einem vor wie ein Protokoll der täglichen Wirtschaftsnachrichten. | |
Elfriede Jelinek schrieb den Text im August 2008. Man hätte es für poetisch | |
übersteigerte Kassandrarufe gehalten, wenn sich nicht kurz darauf die | |
Wirtschaftskrise offenbarte. Sogleich verabredeten das Thalia Theater | |
Hamburg und das Schauspiel Köln mit der Autorin, diesen Text anstelle der | |
geplanten Produktion von „Rechnitz“ zu inszenieren. | |
„Textumsetzungsmaschine“ nennt Stemann diese Inszenierung, die stark von | |
Musik, melancholischem Pop, Neoklassik und sakralen Gesängen gestützt wird. | |
Polemisch lässt Stemann in einer Trommelshow, deren wütender Gestus zumeist | |
für die Authentizität der Straße stehen soll, die Schauspieler mit den | |
Pappmasken der Mächtigen, unter anderem von von Guttenberg, Steinbrück, | |
Bush und Obama, agieren. Und lässt sie alles in Klump hauen. | |
Gegen die Tendenz, zu zerfasern, sich aufzulösen, setzt Stemann ein Timing, | |
das an dem drei- bis vierstündigen Abend die Energie immer wieder bündelt. | |
Das Blickfeld allerdings wird dabei stets enger, die Perspektive läuft wie | |
die rückwärts die abgelesenen Seiten zählende Digitalanzeige gegen null. In | |
der vorletzten Szene fährt eine Spielzeugeisenbahn mit aufmontierter Kamera | |
im Kreis, und groß auf die Rückwand projiziert sehen wir die Gesichter | |
aller Mitspielenden, die sich zum Selbstmord auf die Schienen legen. Etwas | |
später gehen sie ein in eine Art himmlischen Safe. Eine letzte Stimme redet | |
vom „Menschenerschlagen aus Ersparnisgründen.“ So weit ist man dann doch | |
noch nicht. | |
18 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
KATRIN BETTINA MÜLLER | |
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