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# taz.de -- Stuhl gegen das Knie
> Zwei Jungen aus dem Heim in der Feuerbergstraße berichten von Schlägen
> und „Isolationshaft“. Der taz liegen Interviews mit den Geflüchteten vor
von Kaija Kutter
Die Vorwürfe, die zwei Jugendliche gegen die geschlossene Unterbringung in
der Feuerbergstraße erhoben haben, seien „haltlos“, hatte der Chef des
Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung (LEB), Klaus-Dieter Müller, am
Freitag erklärt. Der taz liegen jetzt die Skripte von Filminterviews vor,
die die Nachrichtenagentur HAMBURG on air mit den beiden führte, nachdem
sie am Montag der vergangenen Woche aus dem Heim geflohen waren. Der eine,
Tom, wurde inzwischen eingefangen. Der andere, im Film „Hassan“ genannt,
ist derzeit noch flüchtig.
„Ich denke oft an Selbstmord und bevor ich das mache, haue ich lieber ab“,
sagt Tom. „Die Betreuer sind brutal.“ Einmal habe er nicht auf dem Bett
liegen dürfen, die Betreuer hätten ihn „brutal runtergezerrt“. Tom: „Da…
hab ich die Fäuste erhoben. Dann kam der stellvertretende Leiter und hat
mir einen Stuhl gegens Knie gekickt. Tat ziemlich weh.“
Er halte es in der Einrichtung nicht aus, berichtet der 14-Jährige. „Ich
werd‘ total aggressiv, aber ich zeig‘s nicht. Dann ritz ich mich. In den
Arm, in den Bauch.“ Im Film zeigt die Kamera seine Armwunden. Tom: „Ich
denk‘, dass ich hoffentlich verblute, wenn ich mich ritze.“
Auch Hassan berichtet von Suizidgedanken: „Mich treibt die Feuerbergstraße
zum Wahnsinn“, sagt er. „Ich sterb‘ lieber, als so zu leben.“ Sie würd…
dem gschlossenen Heim mit Medikamenten „ruhig gestellt“ und befänden sich
in „Isolationshaft“. „Nur mit einer Matratze auf dem Boden. Total kalt ist
das. Was soll das?“, fragt der 15-Jährige. Wenn er mit einem Pädagogen
sprechen wolle, bekomme er zur Antwort, „wir möchten nicht mit dir
sprechen“. Einmal habe er „ein bis zwei Wochen“ auf einen Termin warten
müssen.
Beide berichten auch von körperlicher Repression. „Die quälen uns, brüllen
uns an, wir sollen schneller machen beim Holzhacken“, sagt Tom. „Wenn wir
Stress machen, kommen die mit vier Leuten, fixieren einen, man kriegt
Handschellen um. Die Füße werden mit Klettband verschnürt.“ Hassan ergänz…
„Die haben sogar mal meinen Kopf auf den Boden geschlagen. Ich schrie nach
meiner Mutter. Auf Türkisch. Da hat er mich total angemacht.“
Wie berichtet, hatten LEB-Chef Müller wie auch Feuerbergstraßen-Heimleiter
Wolfgang Weylandt am vergangenen Freitag versucht, die Vorwürfe zu
entkräften. Körperliche Gewalt als Erziehungsmaßnahme gebe es nicht,
lediglich „professionelle Handgriffe“ zur Verteidigung. Dass Jugendliche
sich verletzten oder Suizid androhten, sei „generell“ bei neu ins Heim
kommenden Jugendlichen Äußerung einer „selbstzerstörerischen Disposition�…
In solchen Fällen würden Psychologen hinzugezogen, die Medikamente würden
durch Ärzte verschrieben. Die Fixierung mit Klettband an den Händen sei bei
Transporten normal – an den Füßen habe es derlei nur einmal gegeben.
Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Hesse erklärte denn auch, er habe „keine
Zweifel“ daran, dass die Mitarbeiter „kompetent und angemessen“ reagiert
hätten. Er möchte nun im Jugendausschuss Informationen über die
Vergangenheit der Jungen erhalten, um deren Vorwürfe „besser einschätzen zu
können“.
Seltsam ist, dass es noch immer keine unabhängige Aufsichtskommission für
das Heim gibt, an die sich Jugendliche wie Tom und Hassan wenden können.
Obwohl der Heimbetrieb bereits seit zwei Jahren läuft, soll eine
entsprechende Gesetzesergänzung erst dieser Tage von der Bürgerschaft
verabschiedet werden. Wer in dieser Kommission sitzen wird, soll dann eine
„Findungskommission“ der Behördendeputation entscheiden.
14 Dec 2004
## AUTOREN
Kaija Kutter
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