| # taz.de -- Komödie des Missgeschicks | |
| > Die hedonistischen Diebe sind zurück und betreiben Stilkonkurrenz: Steven | |
| > Soderbergh dreht mit „Ocean’s Twelve“ die Fortsetzung von „Ocean’s | |
| > Eleven“ (2001). Diesmal rauben Danny Ocean und seine Crew Kunstschätze in | |
| > Amsterdam und Rom | |
| VON CRISTINA NORD | |
| Steven Soderbergh ist ein Meister der Verführung. Allem Anschein nach | |
| fühlen sich die Schauspieler in seinen Filmen so wohl, dass der Zuschauer | |
| in ihre Haut und ihre Kostüme schlüpfen will. Die Innen- und Außenräume | |
| sind so geschmackssicher ausgewählt, dass sie für eine Homestory in der | |
| Vogue herhalten könnten. Kameraführung, Lichtsetzung und Schnitt gehen eine | |
| abwechslungsreiche Verbindung ein, bei keiner Sequenz gewinnt man den | |
| Eindruck, sie sei vorhersehbar oder folge einer mechanischen Logik. Und | |
| Brad Pitt kann Süßigkeiten und Fast Food essen, ohne dass seine Finger je | |
| fettig würden – die Oberfläche bleibt makellos wie in einem gut gemachten | |
| Werbespot. | |
| Das Filmschaffen des 1963 geborenen Regisseurs – neben Spike Jonze und | |
| David Fincher lässt sich Soderbergh als einer der Repräsentanten von New | |
| New Hollywood begreifen – hat zwei Triebkräfte: zum einen versteht er es, | |
| dauerhaft die richtigen Leute um sich zu scharen, zum anderen weiß er, wie | |
| er die Oberflächen mit Stil und Sex-Appeal auflädt. In einem Film wie | |
| „Solaris“ (2002) mag diese Aufladung in einem wenig produktiven Verhältnis | |
| zur Schwere des Stoffes stehen. Soderbergh verfehlte die Vorlage | |
| Tarkowskis, da er sich in elegischen Behauptungen erging, anstatt sich auf | |
| die Reflexionen der ersten Verfilmung einzulassen. Sobald er sich aber im | |
| Rahmen des Genrefilms bewegt, ist er in seinem Element. Bei „Ocean's | |
| Twelve“, der Fortsetzung von „Ocean's Eleven“, treffen es die englischen | |
| Begriff style, look und smoothness noch viel besser als ihre deutschen | |
| Entsprechungen. Denn im Film wird ein Stilwettbewerb ausgetragen: steifer | |
| Stil tritt gegen lockeren Stil an, Etikette gegen Nonchalance, | |
| französischer Snobismus gegen US-amerikanischen Hedonismus. | |
| Greifbar wird dies in der Figur des französischen Meisterdiebs Toulour | |
| (Vincent Cassel). Dem passt es gar nicht, dass Danny Oceans Crew im Ruf | |
| steht, das beste Diebesteam der Welt zu sein. Diesen Titel beansprucht er; | |
| es geht also um eine Konkurrenzsituation: Wer klaut besser, eleganter, | |
| effizienter? In welchem Verhältnis stehen dabei Aufwand und Ergebnis, Spaß | |
| an der Arbeit und Professionalität, looks und Ertrag? Einmal legt Vincent | |
| Cassel eine hinreißende Performance hin, eine Mischung aus Breakdance und | |
| Capoeira, um den Laserstrahlen in einem römischen Museum auszuweichen. Die | |
| sollen einen Fremdkörper augenblicklich erfassen und Alarm auslösen. Er | |
| gleitet an den blauen, sich ihrerseits bewegenden Strahlen vorbei; ihm | |
| glückt damit etwas, was als unmöglich erachtet wird, und er raubt, was den | |
| Oceans zu rauben nicht gelungen ist. In einer Parallelmontage ein paar | |
| Sequenzen zuvor sah man, wie er im klaren Morgenlicht die nötigen moves | |
| übte, während im anderen Teil der Parallelmontage seine Konkurrenten, die | |
| amerikanischen Meisterdiebe, verhaftet wurden. Ein Gewinn für Toulour, will | |
| man meinen, doch wessen Einsatz Früchte trägt, ist noch nicht gesagt. | |
| In „Ocean's Eleven“ ließen Danny Ocean (George Clooney) und seine Männer | |
| ein Casino in Las Vegas hochgehen. Niemand hätte erwartet, dass ihnen der | |
| Coup gelingen könnte. Drei Jahre später ist ihnen der Boss des Casinos, | |
| Terry Benedict (Andy Garcia), auf die Schliche gekommen und will sein Geld | |
| zurück: 160 Millionen Dollar plus Zinsen. Um die Summe zusammenzutreiben, | |
| beschließen die Diebe, in Europa ein paar Dinger zu drehen. Doch anders als | |
| in „Ocean's Eleven“, wo ein Handgriff zum nächsten und schließlich zum Zi… | |
| führte, geht in „Ocean's Twelve“ zunächst einmal alles schief. Oder besse… | |
| Da der Film nicht chronologisch montiert ist, macht er glauben, es gehe | |
| alles schief. | |
| So ist „Ocean's Twelve“ zunächst einmal eine Komödie des Missgeschicks, u… | |
| der coole Glanz der Figuren bricht sich an ihrem Scheitern. Das ist ein | |
| Fortschritt gegenüber dem Vorgänger. Denn dass in „Ocean's Eleven“ alles … | |
| reibungslos ablief, rief die Frage auf, ob Soderbergh seine Helden wirklich | |
| so ungebrochen als Siegertypen anlegen musste. Jetzt widerfahren den | |
| Siegern von damals einige Malheurs: Einer von ihnen, Yen (Shaobo Qin), | |
| wegen seiner akrobatischen Fähigkeiten berühmt, reist versteckt in einer | |
| Reisetasche – und diese Reisetasche verirrt sich auf den Gepäckbändern des | |
| falschen Flughafens. Rusty Ryan (Brad Pitt) lässt sich sein Mobiltelefon | |
| klauen, obwohl dem Gerät eine Schlüsselfunktion in der Planung der Coups | |
| zukommt; ein Tresor wird mit viel Mühe geknackt und entpuppt sich, kaum | |
| steht die Tür offen, als bereits ausgeraubt. Und bei den Lagebesprechungen | |
| regiert kein Effizienzdenken, sondern die Diskussion darüber, ob das Wort | |
| empathy oder sympathy zu verwenden und ob der Begriff freak diskriminierend | |
| sei. | |
| Platte Witze gibt es auch, doch sind sie zum Glück im Nu vergessen. Zumal | |
| Soderbergh sie mit seinem Talent zur Selbstreflexivität aufhebt. Das bewies | |
| er schon in seinem kleinen Film „Full Frontal“ (2002). Bei einem Regisseur, | |
| der immer wieder mit denselben Schauspielern und Technikern | |
| zusammenarbeitet, stellen sich selbstreflexive Effekte ohnehin fast von | |
| selber ein. Die Zusammenarbeit der Diebe lässt sich als Spiegelung des | |
| Filmdrehs lesen. So wie Ocean als Chef seinen Dieben alle Freiräume lässt, | |
| so stellt man sich auch Soderbergh vor: als einen, der die celebrities aus | |
| den Zwängen gewöhnlicher Filmproduktion herauslöst. Julia Roberts, George | |
| Clooney, Brad Pitt, Catherine Zeta-Jones und Alan Garcia geben Figuren, die | |
| zunächst einmal damit kokettieren, wer sie in anderen Filmen Soderberghs | |
| waren; darüber hinaus kokettieren sie damit, von wem sie gespielt werden, | |
| und schließlich kokettieren die Schauspieler mit den eigenen | |
| Celebrity-Images. | |
| In einer Sequenz versucht Tess, Dannys Gattin (Julia Roberts), sich und die | |
| Crew aus dem Schlamassel zu ziehen, indem sie vorgibt, Julia Roberts zu | |
| sein. Man sieht also, wie Julia Roberts als Tess den Akzent und die | |
| Bewegungen einer als echt imaginierten Julia Roberts einübt, und weil das | |
| allein nicht halsbrecherisch genug ist, sieht und hört man überdies, wie | |
| Tess mit Roberts telefoniert. Das hat etwas von der aberwitzig | |
| beschleunigten Selbstreflexivität, mit der zuletzt Spike Jonzes | |
| „Adaptation“ berückte – wobei die Melancholie, die Jonzes Witz grundiert… | |
| bei Soderbergh verfliegt. | |
| 16 Dec 2004 | |
| ## AUTOREN | |
| CRISTINA NORD | |
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