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# taz.de -- Flucht aus dem Glashaus
> Nach zahlreichen Baustopps und einer Menge Gezanke ums Geld steht das von
> dem Architekten Günter Behnisch entworfene neue Haus der Akademie der
> Künste am Pariser Platz in Berlin vor seiner Vollendung. Es präsentiert
> sich nun als eine Mischung aus Kälte, wunderbarer Offenheit und
> Geschichte
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Es gab Zeiten, da waren Günter Behnisch und Berlin wie Feuer und Wasser.
„Düster“ und „preußisch“, „steinern“ und „konservativ bis ins M…
lästerte der Architekt des Münchner Olympia-stadions und des Bonner
Plenarsaals über die neue Architektur der Hauptstadt nach dem Mauerfall.
Ins Visier des Repräsentanten einer neuen Baukultur der Nachkriegsmoderne
gerieten fast alle, die Mitte der Neunzigerjahre in Berlin bauten oder
politisch dafür verantwortlich zeichneten.
Pure Rhetorik war das nicht, sondern auch Selbstzweck. Der Stuttgarter
Behnisch plante seit 1994 selbst an der Spree. Seinen Entwurf für den
Neubau der Akademie der Künste am Pariser Platz aber sperrte das Land
zunächst in den Giftschrank. In der „guten Stube Berlins“ setzte man auf
Konzepte wie das historisierende Hotel Adlon oder die steinernen Häuser
„Liebermann“ und „Sommer“ – allesamt bauliche Chiffren und Ausdruck d…
neokonservativen Baupolitik Berlins jener Zeit.
Behnischs Entwurf mit seiner modernen gläsernen Architektursprache hat
allen Attacken der Verwerfung standgehalten und befindet sich nun – nach
den zahlreichen Baustopps und viel Gezänk ums Geld für den 56 Millionen
Euro teuren Bau – vor der Vollendung. Gestern hielt Berlins Bausenatorin
darin Hof. Werner Durth, Behnischs Partner, eröffnete eine Ausstellung zu
der Geschichte des Altbaus an gleicher Stelle. Im Februar wird der Neubau
offiziell übergeben. Und bis zur feierlichen Eröffnung des „kulturellen
Aushängeschilds Deutschlands“ (Gerhard Schröder) im Mai werden schon einmal
Marathonlesungen zum „Schillerjahr“ darin veranstaltet.
Man könnte meinen, Berlin kann jetzt den ungeliebten Behnisch gar nicht
schnell genug kriegen. Vielleicht liegt das daran, dass (neben dem
Imagegewinn für die Hauptstadt) der Glaskörper auf den ersten Blick gar
nicht so schrecklich modernistisch, antipreußisch, ja überhaupt nicht so
„anti“ erscheint wie befürchtet. Es ist eine alte Bauweisheit, dass Glas
manchmal undurchdringlicher und härter als Stein sein kann – genau das
vermittelt Behnischs Akademie der Künste hin zur Platzseite. Zwischen das
Adlon und das benachbarte Bankhaus von Frank Gehry hat der Architekt eine
gläserne Fassade aus einem Guss gespannt, die glatt, ja eisig und gefroren
daherkommt. In ihrer Strenge und Monumentalität, die fast ein Gegenbild zu
Behnischs leichter, offener, transparenter und verwirrender Handschrift
darstellt, spiegelt sie das typisch preußische Architekturpathos auf ihre
Weise wider und holt damit ungewollt Behnisch einstige Berlin-Kritik selbst
ins Haus.
Nur abends oder nachts bei Beleuchtung löst sich die Wand auf und der Bau
wird zu dem, was Behnisch versprochen hat: Die Architektur bilde ein
leichtes, gläsernes, bewegtes Schatzkästchen, das die erhaltenen Reste, die
Bausubstanz des alten Akademiegebäudes quasi „umspielt“. Lässt man die
fünfstöckige Glaswand hinter sich, steht man dagegen in einem wunderbaren
Haus sowie vor einem aufgegangenen Konzept. Alles wird Spiel, Licht und
Geschichte. Von dem großen Foyer aus führt eine offene Passage direkt vom
Pariser Platz hinüber zum Holocaust-Mahnmal. Ebenfalls vom Entree hinauf
leiten Treppen wie Himmelsleitern zu Brücken und Stegen, von denen der
Besucher zur Bibliothek, zum 300 Plätze fassenden Plenarsaal der
Akademiemitglieder darüber, und in die Archive und die Zimmer des
Präsidiums gelangt. Den Abschluss des gewächshausartigen Glaskörpers bildet
ein samtig-herbstlich bemaltes Flachdach, eine Reminiszenz an den
Jugendstil.
Der Schatz mitten im Schatzkästlein aber sind die fünf alten Akademieräume
in der hinteren Flucht des Grundstücks, die erhalten und saniert wurden und
nun als Ausstellungshallen genutzt werden können. Behnisch hat aus den
historischen Räumen die noch vorhandenen geschichtlichen Spuren freigelegt
– Spuren deutscher und Akademiegeschichte. Hier hielt die 300 Jahre alte
Künstlersozietät ihre Treffen ab, der „Kaisersaal“ von 1905 war Treffpunkt
von Macht und Geist. Max Liebermann, Käthe Kollwitz und Heinrich Mann
residierten hier bis zur Vertreibung 1933. Hitlers Generalbaumeister Albert
Speer übernahm 1937 das Gebäude als Atelier für seine wahnsinnigen
„Germania-Modelle“. Schließlich nutze der DDR-Bildhauer Fritz Cremer den
zerbombten Torso inmitten des Grenzstreifens bis zum Mauerfall.
Behnisch legte all diese epochalen Zeichen der Nutzung, der Umbauten und
Zerstörungen frei. Für die seit 1990 wieder vereinigte Akademie Ost mit
West bedeutet der bauliche Dialog zwischen Alt und Neu in dem Bau eine
Mahnung: Sich nicht nur im Glashaus Kunst aufzuhalten, sondern sich der
Geschichte und Gegenwart zu stellen. Ein Anspruch, dem sich die Akademie
zuletzt häufig entzogen hat.
22 Jan 2005
## AUTOREN
ROLF LAUTENSCHLÄGER
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