# taz.de -- Ein würdiges Ende | |
> Heute kreisen die Hubschrauber des Privatfernsehens über Rudolph | |
> Moshammers Sarg. Die Boulevard-Berichterstattung hat eine Woche lang ihr | |
> Bestes gegeben: nämlich Aufklärung | |
VON JAN FEDDERSEN | |
Aus der Perspektive des „Unterschichtsfernsehens“ (Harald Schmidt), also | |
seiner Zentralkanäle RTL und Sat.1, war der Mörder Rudolph Moshammers viel | |
zu schnell gefunden. „Wir hätten noch gut einen Tag im Ungewissen | |
gebraucht“, sagt eine RTL-Redakteurin, „da hätten wir noch gut spekulieren | |
können, so mit Ussama Bin Laden, Neonazis oder Knastologen auf Freigang“. | |
Lady Dis Tod war ergiebiger – jahrelange Spekulationen hielten das | |
Publikumsinteresse wach – und die Quoten im stets oberen Bereich. Eine | |
ihrer KollegInnen von Sat.1 hingegen ist mit den letzten acht Sendetagen | |
hoch zufrieden, Moshammer sei Dank. Wenig zimperlich ihr Statement: „Wir | |
hatten eine Mörderquote – so konnten wir die abebbende Killerwelle gut | |
kompensieren.“ | |
Während ARD und ZDF, bekannt für ihre takt- und stilvollen Übertragungen | |
von Hochzeiten und Beerdigungen aus europäischer Adelshäusern, die | |
Grablegung der Popfigur Rudolph Moshammer etepetete weitgehend ignorieren, | |
bleiben RTL und Sat.1 quotenkonsequent auf Sendung: Beide Sender übertragen | |
den Event heute live in den Mittagsstunden – N24 (Nachrichtenpool von | |
Sat.1) hat für gute Luftbilder von der Trauerfeier einen Helikopter | |
angeheuert, RTL gleich deren zwei. | |
## Welch opulentes Finale | |
Aber nicht nur für die elektronischen Medien war die abgelaufene Woche eine | |
gute, eine ertrag- und bildungsreiche. Wenn’s nicht so herzlos klänge, | |
müsste man vielleicht sagen: Rudolph Moshammer („Mosi“) hätte sich kein | |
opulenteres Ende wünschen können. Ein spektakulärerer Abgang wäre nicht | |
denkbar, für seinen Narzissmus, sein Talent der Selbstinszenierung, hätte | |
nichts befriedigender sein können: täglich seitenweise nichts als | |
Moshammer. | |
Bildungsreich war das Gros der Berichterstattung, nur spurenweise war | |
Hämisches zu vernehmen. Und das war der wichtigste Unterschied zu den | |
Tagen, Wochen und Monaten nach dem 14. Juli 1990, als der bayerische | |
Schauspieler Walter Sedlmayr von habgierigen Familienangehörigen ermordet | |
wurde. Moshammer, erwürgt von einem irakischen Asylbewerber, den der so | |
genannte Modeschöpfer im Münchner Rotlichtviertel am Hauptbahnhof | |
angeworben hatte. Umgebracht aus Gründen, die möglicherweise mit Moshammers | |
Ärger über die nicht erbrachte Sexleistung für die ausgehandelten 2.000 | |
Euro Servicegage zu tun haben. | |
Weil aber die genauen Umstände im Vagen blieben, war es die Chance für alle | |
Boulevardblätter – allen voran natürlich die Bild-Zeitung, die mit einem | |
knappen Dutzend Rechercheuren dem Moshammer-Komplex zu Leibe rückte –, die | |
Szenen, die gesellschaftlich für den Komplex „Mord an Mosi“ relevant sind, | |
auszuleuchten. Und nichts blieb dem Publikum erspart, und das war gut so. | |
Die Zeit scheint seit der Tötung Sedlmayrs wirklich homofreundlicher | |
geworden zu sein. Und das heißt eben auch: dass der mediale Blick immer | |
noch voyeuristisch bleibt, aber nicht von Diskriminierung inspiriert ist. | |
Die Berichte rund um den Moshammer-Köter waren freilich nur | |
karnevalistische Elemente, ernsthaft jedoch die über die Kneipenszene von | |
schwulen Männern: „Die geheime schwule Party-Welt“, wie es in der | |
Bild-Zeitung vorgestern hieß, illustriert mit einem keineswegs | |
karikaturesken Bild eines mit Ketten behängten, nackten Mannes wie aus | |
einem Katalog der Village („YMCA“) People. | |
Alles in diesem wie in anderen Boulevardtexten war wahrhaftig. Der | |
schnelle, anonyme Sex; die Einsamkeit ihrer Protagonisten; die seelische | |
Selbstzurichtung auf nichts als den nächsten Mann; die Vorliebe für Leder | |
und das Militärische; die Taschentüchercodes in der Szene und die | |
Grausamkeit des Altwerdens gerade für jene, die ihre Homosexualität an sich | |
als beschämend erleben und Zivilcourage nur beim Anbaggern in Darkrooms | |
zeigen können: Express, Abendzeitung und die Bild-Zeitung wussten dies an | |
manchen Stellen sogar als Ausdruck von „Selbsthass“ zu benennen – und da | |
sind diese Blätter doch, psychologisch gesehen, weiter als viele der | |
Beschriebenen (wie auch Moshammer) selbst. | |
Hört man sich in der schwulen Kneipenszene um, wird nirgendwo | |
Homodiskriminierendes resümiert. „Wurde ja auch mal Zeit, dass man dies | |
zeigt“, hieß es. | |
Man macht gar wieder pietätarme Scherze: „Moshammer macht neuerdings | |
Werbung im Internet – für schnurlose Telefone.“ Bemerkt wird jedoch in | |
erster Linie, dass Moshammer eben noch die Zeit kannte, als von Staats | |
wegen mit dem Paragrafen 175 Homosexuelle kriminalisiert wurden und sie | |
Gründe zur Selbstablehnung hatten. | |
## „Schöner ficken“-Kultur | |
Vergangene Zeiten – wie auch jene Ära, in der Schwules via CSD zu leben | |
ermutigt wurde – und den Blick auf die quasipornografisierten | |
Lebensentwürfe verstellte. Mehr und mehr Schwule, vor allem, junge, | |
nachwachsende, lehnen die „Schöner ficken“-Kultur samt Dunkelräumen ab. M… | |
lernt, die Verliese zu meiden, weil draußen kaum noch Feindesland ist. | |
Homophob wurde diese Woche ein anderes Ereignis transportiert: die | |
Veröffentlichung von Fotos aus dem Irak, die die Folterung irakischer | |
Männer durch britische Soldaten zeigend. Ikonografisch sollten sie | |
beweisen, dass Nähe zwischen Männern nur als sadomasochistisch inspirierte | |
Demütigung möglich sein darf. | |
Liveübertragung der Beerdigung aus der St.-Lukas-Kirche in München: RTL, 11 | |
bis 12.30 Uhr (mit Barbara Eligmann), Sat.1, 11.10 bis 14 Uhr (mit Bettina | |
Kramer und Sibylle Weischenberg) | |
22 Jan 2005 | |
## AUTOREN | |
JAN FEDDERSEN | |
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