# taz.de -- Filmen ist Dichtung | |
> GRIECHISCHE KLASSIK Die Geschichte und die tragischen Figuren ließen ihn | |
> nicht los. Der griechische Regisseur Theodoros Angelopoulos starb bei | |
> einem Unfall | |
Er galt als der „Blick Griechenlands“. Der griechische Regisseur Theodoros | |
(Theo) Angelopoulos konnte in seinen Filmen die jüngste Geschichte | |
Griechenlands von seinem unverkennbaren Blickwinkel aus wiedergeben. | |
Theo, wie viele seiner Freunde ihn nannten, bezeichnete seine Filme als | |
eine Art Dichtung: „Ich erwarte nicht von dir, dass du verstehst, was ich | |
mit meinen Filmen meine. Ich erwarte von dir, dass du verstehst, was deine | |
Seele aus diesen Filmen versteht. Es ist eben wie Dichtung“, sagte er immer | |
wieder. | |
Am Dienstagabend ist Angelopoulos bei einem schrecklichen Verkehrsunfall im | |
Alter von 76 Jahren ums Leben gekommen. Während Dreharbeiten an seinem Film | |
„Das andere Meer“ in Piräus überquerte er eine der meistbefahrenen Straß… | |
der Hafenstadt, wurde von einem Motorrad erfasst und mitgeschleift. Schwer | |
verletzt kam er ins Krankenhaus und starb noch in der Nacht. | |
Angelopoulos zählte seit Mitte der 1970er Jahre zu den bedeutendsten | |
Regisseuren Europas. Als Meister des poetischen Realismus mit | |
melancholischem Grundton prägte er das anspruchsvolle, sozial engagierte | |
Kino. Die Metaphorik seiner Bilder trug ihm aber auch immer wieder Kritik | |
ein. | |
Angelopoulos wurde am 27. April 1935 in Athen geboren. Die Besetzung | |
Griechenland 1941 durch die Achsenmächte und der folgende Bürgerkrieg, | |
dessen politisch-gesellschaftliche Folgen das Leben in Griechenland für | |
lange Zeit belastete, prägte seine Haltung zum Leben und seine Erwartungen | |
an die Kunst. Angelopoulos wurde fasziniert vom Kino, dem Medium, das | |
damals einen Ausweg aus der Misere gab, wie er sagte. | |
Nach einem nicht abgeschlossenen Jurastudium wanderte er nach Frankreich | |
aus und kehrte 1964 nach Griechenland zurück. Die Anerkennung für seine | |
Filme kam erst in den 70er Jahren, als er sich in drei Filmen mit der | |
jüngsten und schmerzhaften Geschichte seines Landes auseinandersetzte. Für | |
einen davon, „Alexander der Große“, bekam er 1980 bei den Filmfestspielen | |
in Venedig den Goldenen Löwen. Für „Landschaft im Nebel“ erhielt er 1988 | |
den Silbernen Löwen. | |
In Erinnerung sind auch seine Filme „Der Bienenzüchter“ und „Reise nach | |
Kythera“. | |
In den 90er Jahren ging es ihm auch um Themen wie Migration. Im „Blick des | |
Odysseus“ setzte er sich mit dem Zerfall des Sozialismus auseinander und | |
stimmte einen Abgesang auf das 20. Jahrhundert an. Der Abtransport eines | |
Leninschädels, der auf ein Schiff verfrachtet wird, gehörte zu jenen | |
symbolisch verdichteten Bildern, für die der Regisseur berühmt war. Der | |
Film, der für viele Griechen und Angelopoulos selbst wohl als sein bestes | |
Werk gilt, bekam 1995 in Cannes den Großen Preis der Jury – nicht aber die | |
Goldene Palme. Die erhielt er erst 1998 für den Film „Ewigkeit und ein Tag“ | |
mit Bruno Ganz und Isabelle Renauld. | |
2008 versuchte er in „The Dust of Time“ nichts weniger, als die Geschichte | |
des 20. Jahrhunderts zu erzählen, ausgehend von Griechenland, erstreckt | |
über die ganze Erde und all die Wege des (linken, jüdischen) Exils, zu | |
denen die Menschen durch die vielen Systemwechsel und durch die | |
Unberechenbarkeit der totalitären Systeme gezwungen wurden. Er zielte in | |
dem Film, wie Bert Rebhandl für die taz schrieb, auf eine „Gesamtheit von | |
Erfahrungen“, die sich über ein halbes Jahrhundert erstreckte. | |
Das Exil der griechischen Oppositionellen in Kasachstan war dabei ein | |
markanter Handlungsort, Angelopoulos setzte hier in einer seiner berühmten | |
Plansequenzen den Tod des sowjetischen Diktators Stalin in Szene. | |
Angelopoulos war kein einfacher Mensch. Man musste sich immer Mühe geben, | |
ihn zu verstehen. Seine Charaktere waren schwierig und undurchsichtig. In | |
der Regel waren es tragische Figuren: Rückkehrer aus dem Exil, Regisseure | |
ohne Inspiration, sterbende Schriftsteller. Angelopoulos machte es dem | |
Zuschauer nicht leicht: „Ich mache Filme für mich – nicht für die anderen… | |
sagte er immer wieder. TAZ, DPA, DAPD | |
26 Jan 2012 | |
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