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# taz.de -- Ein Mann, 220 Filme, 60 Theaterstücke
> CHARAKTERKOPF Mario Adorf hat der Akademie der Künste sein Privatarchiv
> vermacht. 500 Exponate daraus hat sie jetzt zu einer Ausstellung über
> einen der wandlungsfähigsten deutschen Schauspieler zusammengestellt
VON ANDREAS RESCH
Welche Beziehung man als Zuschauer zu einem Schauspieler entwickelt, hängt
immer auch mit der Karrierephase zusammen, in der man diesem zuerst
begegnet ist. Am vergangenen Mittwoch erzählte Moritz Rinke anlässlich der
Eröffnung der Mario-Adorf-Ausstellung „… böse kann ich auch“ in der
Akademie der Künste, dass er Adorf zum ersten Mal als fiesen Mörder von
Winnetous Schwester wahrgenommen habe. Dieser Eindruck dürfte in seiner
Intensität deutlich prägender gewesen sein als die diffuse Erinnerung des
Rezensenten an diverse TV-Mehrteiler mit Adorf in seiner Jugend.
## Erinnerungsschnipsel
Erst wenn man die Summe all dieser kleinen, individuellen
Erinnerungsschnipsel sämtlicher Zuschauer zusammentragen würde, ließe sich
die Wirkung eines Schauspielers angemessen reflektieren. Das würde im Fall
von Mario Adorf allerdings ziemlich lange dauern: In mehr als 220 Filmen
hat er mitgespielt, zudem in knapp 60 Theaterproduktionen. Die Ausstellung
teilt diesen kaum fassbaren Output anhand von etwa 500 Exponaten aus Adorfs
Privatarchiv , das er der Akademie übereignet hat, in unterschiedliche
Karrierephasen ein, die mal chronologischen, mal thematischen
Kategorisierungen folgen. Viele Fotografien befinden sich darunter, hinzu
kommen Zeitungsausschnitte, die Adorfs Mutter über Jahrzehnte hinweg
gesammelt hat, Briefe, kommentierte Drehbuchseiten, Filmplakate. Aufnahmen,
die den privaten Adorf zeigen, finden sich allerdings kaum darunter.
Ein Abschnitt widmet sich dem Theaterschauspieler Mario Adorf, der als
Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele von Mitte der fünfziger bis
Anfang der sechziger Jahre unter Regisseuren wie Fritz Kortner oder Paul
Verhoeven gespielt hat. Ein anderer folgt seinen Anfängen beim Film: Nach
mehreren kleineren Kinoauftritten wurde Adorf 1957 durch die Rolle des
Frauenmörders Bruno Lüdke in Robert Siodmaks „Nachts, wenn der Teufel kam“
auf einen Schlag bekannt. Und diese Mischung aus kindlicher Naivität und
eruptiver Gewalttätigkeit sollte Adorf noch häufiger verkörpern.
Etwa in Roland Klicks „Deadlock“, einer 1970 unter aberwitzigen
Drehbedingungen in Israel entstandenen Genregeschichte um drei Männer und
einen Koffer voller Geld. Auch hier gibt Adorf den hirnlosen Sadisten. Doch
genau so, wie er es in „Nachts, wenn der Teufel kam“ in punkto Grausamkeit
mit dem kalkulierten Morden der Nationalsozialisten nicht aufnehmen kann,
wird hier schnell klar, dass er den Männern, deren Geld er klauen will,
niemals gewachsen sein wird. Hier wie dort halten sich die Sympathien für
die Adorf-Figur in engen Grenzen. Hier wie dort erinnert man sich dennoch
lange an sie.
Die von Torsten Musial kuratierte Ausstellung gibt einem die Möglichkeit,
Mario Adorfs Auftritte in Italowestern und Mafiafilmen der sechziger und
siebziger Jahre ebenso zu begutachten wie seine Charakterrollen beim Neuen
Deutschen Film oder in Werken von Regisseuren wie Wilder, Chabrol oder
Peckinpah. Auf einer großen Leinwand kann man sich zudem Dias anschauen,
die er selbst während der Dreharbeiten aufgenommen hat, um sie später
seiner Mutter zu zeigen: Horst Buchholz, ganz cool mit Sonnenbrille und
Kippe; eine leicht derangiert wirkende Claudia Cardinale.
Aufgrund der schieren Menge an Bildmaterial, auf dem Adorf zumeist mit
toupierter Frisur, scharfem Kinn und Oberlippenbart zu sehen ist, stellt
sich allerdings irgendwann der Malkovich-Effekt ein: Man fühlt sich wie der
amerikanische Schauspieler, der sich in Spike Jonzes „Being John Malkovich“
selbst spielt und in einer Szene plötzlich überall nur noch Menschen sieht,
die einen Malkovich-Kopf auf den Schultern tragen. Irgendwann jedenfalls
sieht man nur noch Adorf-Köpfe, die so wirken, als seien sie nachträglich
auf die Körper anderer Schauspieler montiert worden.
Ist dieser Zustand einmal erreicht, ist es sinnvoll, sich von den Fotos ab-
und den Filmausschnitten in den holzgezimmerten Guckkastenboxen zuzuwenden.
Hier erst wird man tatsächlich Zeuge von Mario Adorfs ungeheurer
Wandlungsfähigkeit, die sich eben primär über Sprechweise, Mimik und Gestik
vermittelt. So knapp, wie sich der Schauspieler zur Ausstellungseröffnung
mit den Worten „Danke, ich habe nichts zu sagen“ gefasst hat, so umfassend
bezeugt diese Ausstellung, dass dem natürlich keinesfalls so ist.
■ „Mario Adorf … böse kann ich auch“. Akademie der Künste, Pariser Pl…
Di.–So. 11–20 Uhr, bis 15. April
8 Feb 2012
## AUTOREN
ANDREAS RESCH
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