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# taz.de -- Die Sache ist verzwickt
> KEHLMANN-FUROR Die Kritik an seiner Salzburger Rede hält der
> Schriftsteller für Bestätigung
Die Schaubühne Berlin konnte letzte Woche vermelden, dass „John Gabriel
Borkmann“, Ibsens Drama um einen selbstherrlichen Bankier in der Regie von
Thomas Ostermeier von dem „Syndicat de la critique“ in Frankreich zur
besten ausländischen Inszenierung des Jahres gewählt worden ist. Ist das
nun ein Punkt, den das von Daniel Kehlmann so gescholtene deutsche
Regietheater für sich verbuchen kann? Zumal Kehlmann Theatererlebnisse in
Frankreich und den USA positiv gegen das deutsche System in Stellung
brachte? Jein, vielleicht, hm.
Ein einfaches, klares Ja ist schon deshalb nicht möglich, weil das
Oppositionspaar Regietheater gegen Texttreue bei Ostermeier überhaupt
keinen Sinn macht. Man könnte den Regisseur bei seinen Inszenierungen von
Ibsen, Sarah Kane oder Büchner beiden Traditionen zuordnen; sinnvoller
scheint es indes, gar nicht erst mit diesen Begriffen zu hantieren und
gleich auf den eigenen süffigen Sound der Aufführungen zu gehen, die Ibsen
runterrutschen lassen wie einen Thriller. Ausgerechnet sein in Frankreich
ausgezeichneter „John Gabriel Borkmann“ stieß der Kritik in Deutschland
jedoch als zu simpel gestrickt auf.
Man sieht, die Sache ist verzwickt. Kehlmanns Rede in Salzburg und ihre
Verteidigung im Spiegel-Interview diese Woche galt nicht nur dem Theater,
sondern auch einer Kritik, die schnell etwas als zu glatt und als
Unterforderung verwirft. Besonders getroffen reagierte Peter Michalzik,
Theaterredakteur der Frankfurter Rundschau. Womöglich, weil er in Kehlmanns
Urteil etwas wiedererkannte, was er selbst in seinem Buch „Die sind ja
nackt. Gebrauchsanweisung fürs Theater“ als Vorurteile einer „Gesellschaft
von Theaterentwöhnten“ beschreibt: „Ziemlich genau seit im Theater
öffentlich geschissen und gevögelt wird, gibt es die Diskussion über die
Subvention. Dafür sollen wir auch noch Geld ausgeben?“
So fasste er den diffusen Vorwurf zusammen, dem er differenziert
entgegnete. Natürlich trifft es, wenn sich zu den diffusen Angriffen die
Stimme eines populären Schriftstellers gesellt. Kehlmann rechnet sich jetzt
die öffentlich abwehrenden und privat zustimmenden Reaktionen auf seine
Rede als Bestätigung zu: Viele dächten so wie er, laut sagen dürfe man es
nicht.
Was er damit tatsächlich berührt, ist eine Angst vor der öffentlichen
Diskussion über die Berechtigung von Subventionen. Diese Angst hat aber
viel weniger mit der Qualität des Theaters zu tun, als viel mehr mit
Erfahrungen von Bildungsabbau, Turboabitur und Studiengängen, die für
Allgemeinbildung kaum mehr Zeit lassen. Die Drehung ins Konservative droht
am ehesten von dieser Seite, wenn das Theater denn eher
literaturgeschichtliches Basiswissen vermitteln muss, statt darauf aufbauen
zu können.
KATRIN BETTINA MÜLLER
8 Aug 2009
## AUTOREN
KATRIN BETTINA MÜLLER
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