# taz.de -- wortwechsel: Der richtige oder der falsche Bauch für das Baby? | |
> Leihmutterschaft versus Adoption? Ethik, Bevormundung, Menschenrechte, | |
> Kapitalismus: alles spielt eine Rolle in der Diskussion über | |
> Leihmutterschaft | |
Bild: Dem Kind dürfte es letztendlich egal sein, in welchem Bauch es gewachsen… | |
[1][„Der Wille zum Kind“] | |
taz vom 18. 10. 24 | |
## Die positiven Seiten der Leihmutterschaft | |
Eltern, die über Leihmutterschaft im Ausland ein Kind bekommen haben, | |
sollen als Kriminelle behandelt werden – das ist die These von Chantalle El | |
Helou. Familiengründung durch Leihmutterschaft ist oft ein Tabuthema. Doch | |
es gibt uns: Die Familien, die über Leihmutterschaft ein Kind bekommen | |
haben – und die ihr Kind lieben und sich wünschen, dass es mit seiner | |
Geschichte in einer respektvollen Umgebung aufwächst. Ich möchte mit ein | |
paar Mythen aufräumen, die in diesem Text propagiert werden. | |
Es scheint undenkbar, dass eine Frau aus freien Stücken die Entscheidung | |
trifft, sich als Leihmutter zu engagieren. Woher kommt diese Überzeugung, | |
die sich im deutschen Diskurs so hartnäckig hält? Was ist mit dem | |
Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper? Es ist eine falsche | |
Annahme, dass nur Frauen aus der Armut heraus diese Entscheidung treffen. | |
Der Blick in die USA zeigt, wie divers die Hintergründe von Leihmüttern | |
sein können und wie vielfältig ihre Motivation. Es sind mutige und starke | |
Frauen, die sich dafür entschieden haben, anderen zu helfen, einen ihrer | |
größten Wünsche zu erfüllen. Der Artikel spricht skandalisierend von | |
„Servicepaket“, „Kommodifizierung“ und „Ausbeutung“. | |
Ich empfinde es als bevormundend, Frauen die Entscheidungsfähigkeit darüber | |
abzusprechen, ob sie für andere Menschen ein Kind austragen wollen oder | |
nicht. Die Wahrheit ist, dass in diesem Prozess Beziehungen entstehen | |
können, die im besten Fall ein ganzes Leben bestehen. Ich kenne Familien, | |
deren Kinder jedes Jahr mit ihrer Leihmutter in Skiurlaub gehen. Viele | |
Leihmütter empfinden Stolz, anderen Menschen ihren größten Wunsch erfüllt | |
zu haben. | |
Leihmutterschaft ist nicht immer mit einer Eizellspende verbunden – bei | |
vielen heterosexuellen Paaren kommt die Eizelle von der Frau, auch wenn | |
diese kein Kind austragen kann. Und selbst wenn eine Eizellspende im Spiel | |
ist – was ist das Verwerfliche daran? Alle Frauen, die ihre Eizellen | |
einfrieren oder eine künstliche Befruchtung machen, durchlaufen genau | |
dieselbe medizinische Prozedur wie eine Eizellspenderin. | |
Leihmutterschaft unterliegt in den USA sehr strengen Regularien. Es werden | |
Verträge zwischen Eltern und Leihmüttern geschlossen, in denen die Rechte | |
von beiden Seiten einvernehmlich und auf Augenhöhe geregelt werden. Was in | |
dem Artikel empört als „Erweiterung der Anspruchshaltung“ genannt wird, ist | |
vielmehr eine rechtliche Absicherung für beide Seiten. Wenn man tatsächlich | |
verhindern möchte, dass Frauen aus ökonomischen Zwängen in eine | |
Leihmutterschaft einwilligen, dann ist meines Erachtens der richtige | |
Schritt, Leihmutterschaft in Deutschland zu legalisieren – sei es | |
altruistisch oder mit strikten ethischen Standards wie in den USA. | |
„Get over it“ – der zynische Rat an alle ungewollt Kinderlosen hat sich f… | |
die meisten Betroffenen sicher wie ein Schlag in die Magengrube angefühlt. | |
Ungewollte Kinderlosigkeit ist ein Krankheitsbild, das von der WHO | |
anerkannt ist. Es ist vollkommen in Ordnung, sich ein Kind zu wünschen und | |
eine Familie gründen zu wollen. Deswegen werden künstliche Befruchtungen | |
von der Krankenkasse bezahlt. Nun allein die Menschen zu diffamieren und | |
sogar zu kriminalisieren, die ihren Weg zur Familie über die | |
Leihmutterschaft gefunden haben, finde ich einfach geschmacklos. | |
Last but not least: Vielleicht braucht der feministische Diskurs eine neue | |
Sichtweise auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper auch | |
bei Eizellspende und Leihmutterschaft. | |
Lisa G., Berlin | |
## Nur Selbstoptimierung | |
Chantalle El Helou ist voll zuzustimmen in ihrer Reflexion darüber, in | |
welchem Maße der Kinderwunsch oft in höchst egozentrischer Weise lediglich | |
der Selbstoptimierung dient und andere regelrecht missbraucht: mindestens | |
den neuen Menschen, aber auch die Leihmutter und weitere Beteiligte. Das | |
führt dann zu den irrsinnigen Verrenkungen, die wir vielfach beobachten | |
können. Wie wäre es mal mit einer humanistischen Alternative zur | |
Leihmutterschaft und anderen zwanghaften künstlichen Befruchtungen: nämlich | |
einen (kleinen) Menschen zu adoptieren? Ein solcher Mensch ist immerhin | |
schon da und angesichts vielfältiger Benachteiligungen ist dieser Mensch | |
zur Adoption „freigegeben“. Wie viel Lebensfreude, wie viel Kraft ließe | |
sich so jemandem schenken, wenn man denn davon beseelt ist, unbedingt einer | |
oder mehreren Personen den Weg ins Leben ebnen zu wollen? Wäre das nicht | |
toll, statt voraussehbar jemanden sich durchs Leben sich quälen zu lassen? | |
Burkhard Lange, Hemmingen Arnum | |
## Adoptionsrechte stärken | |
Meines Erachtens sollte man die Adoptionsrechte der betroffenen Gruppen | |
(Homosexuelle, Unfruchtbare) stärken, statt Leihmutterschaften zu fördern. | |
Es gibt genug Kinder, die ein schönes Zuhause brauchen. Es ist nicht | |
sinnvoll, angesichts von 10 Milliarden Menschen (inkl. Dunkelziffer) noch | |
mehr künstliche zu erzeugen. | |
Hartmut Krollmann, Düsseldorf | |
## Argumentation unehrlich | |
Ich verstehe nicht ganz, aus welchem Grund solch ein schlimmes Thema darauf | |
umgemünzt wird, Menschen ihren Kinderwunsch abzusprechen (Zitat: „Get over | |
it“). Kinder zu kriegen, ist etwas total Natürliches und ein sehr | |
grundlegendes Bedürfnis. Warum sollte sich irgendwer dafür rechtfertigen | |
müssen? Das Problem ist doch die Leihmutterschaft, nicht der Kinderwunsch | |
dahinter. Mit solch einer Argumentation wirkt das alles ziemlich unehrlich. | |
Dass viele Menschen keine Kinder mehr bekommen *können*, liegt auch an der | |
modernen kapitalistischen Welt. | |
Leser*in Violetpurr auf taz.de | |
23 Oct 2024 | |
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