# taz.de -- ORTSTERMIN: PROVISORISCHE AUFSTELLUNG EINES REITERDENKMALS IN OLDEN… | |
Da reitet, ach nein, er rollt vors Schloss, Anton Günther von Oldenburg, | |
hoch zu Ross, bei näherem Hinsehen allerdings mickrig auf einem Gaul | |
sitzend. Der Graf als bronzenes Reiterstandbild, nachempfunden einem | |
Bildnis seiner Zeit, das auch die Nazis 1945 für eine Briefmarke | |
verwendeten. Provisorisch auf einem Autoanhänger, um ihn den | |
Oldenburgerinnen und Oldenburgern dort zu präsentieren, wo ihn die | |
Denkmalfreunde und -stifter um den ehemaligen SPD-Oberbürgermeister Horst | |
Milde gerne hätten: vor dem Schloss auf landeseigenem Grund. | |
Weil die zuständige Kulturministerin Johanna Wanka von der CDU gegen das | |
Denkmal ist, hat sich Milde an den Petitionsausschuss gewandt. Eine | |
Unterschriftensammlung soll sein Begehren stützen. Aber war denn der Graf | |
wirklich so glupschäugig und Kranich, sein Pferd, nur ein Islandpony? Vögel | |
haben auf den Grafen gekackt, weiße Kleckse auf Hut und Kragen | |
hinterlassen. Schön ist das alles nicht. | |
Die Geschichte der Grafenverehrung hat in Oldenburg viele Wallfahrtsorte | |
hinterlassen: eine Straße trägt seinen Namen, eine Apotheke, ein | |
Campingplatz, es gibt Stadtführungen, zu denen ein verkleideter Graf | |
Histörchen erzählt, und neben der Schule, die nach ihm benannt ist, steht | |
schon ein Reiterstandbild, von einem Abiturienten zusammengeschweißt aus | |
Schrott. | |
Einen Dämpfer erlitt die Verehrung in den 1960ern, als der Leichnam Anton | |
Günthers aus einem Vorraum der evangelischen Hauptkirche St. Lamberti in | |
den Heizungskeller verbannt wurde. Dem damaligen Pastor ging die | |
Heldenverehrung zu weit. Nach der Sanierung der Kirche wurden die | |
sterblichen Überreste des Grafen 2009 wieder in den Ehrenraum gebettet. Nun | |
also: ein Denkmal. Das aus Schrott ignorieren die Monarchisten um Milde, | |
weil es den Grafen nicht so darstellt, wie wie er wirklich war. | |
120 Befürworter sind zum Schloss gekommen, die meisten weit über 70. Sie | |
recken Schilder mit einem „Dafür!“ in die Höhe, eine Combo aus rot | |
gekleideten Frauen singt ein Loblied, und wenn alle Denkmalsanhänger eine | |
Farbe trügen, dann würde Rot überwiegen, denn viele kommen aus den Reihen | |
der SPD. Wollen es tatsächlich Sozialdemokraten sein, die im Jahr 2012 | |
einem Fürsten ohne jede Distanz ein Denkmal errichten? Ja, sagt eine | |
ehemalige Ratsfrau, weil die Statue Touristen locken könnte und viele | |
Genossen aus Solidarität mit Milde dafür seien – „das ist genetisch“, s… | |
sie. | |
Milde selbst freut sich über eine gelungene Aktion, an einem Holztisch | |
werden weitere Unterschriften gesammelt, „weit über 3.000“ bislang | |
insgesamt, sagt er, obwohl er sie noch gar nicht gezählt habe. Er sehe im | |
Grafen ein Friedenssymbol, weil der Oldenburg vor dem Dreißigjährigen Krieg | |
bewahrt habe. Dass er das nur tat, um seine Untertanen hernach weiter | |
ausnehmen zu können, was in einem zerstörten Land kaum einträglich gewesen | |
wäre, interessiert nicht. | |
Es sind auch Denkmalsgegner da, angeführt von Mildes ehemaligen | |
Kulturdezernenten Ekkehard Seeber. Er hält ein Schild hoch, darauf steht: | |
„Wir brauchen keinen Grafen, er hat die Zeit verschlafen.“ In einer | |
Demokratie dürfe man keine absolutistischen Herrscherbilder mehr | |
aufstellen, sagt Seeber. Vielleicht zwanzig Mitstreiter hat er mobilisiert, | |
von Mildes Leuten als „lächerlicher Haufen“ klein geredet, was Seeber aber | |
nicht stört: Schließlich hätten alle Oldenburger Bürgervereine zu der | |
Pro-Denkmal-Demo aufgerufen, er dagegen habe nur ein paar Freunde | |
angerufen. Und wenn, wie Milde behauptet, achtzig Prozent der Oldenburger | |
für das Standbild seien, müsste der Schlossplatz voll sein, sagt Seeber. | |
In diesem Moment fällt krachend ein Schild um, das die Denkmalsfreunde auf | |
die Grünfläche des Schlosses gestellt haben. Es zeigt die Statue und die | |
Aufschrift: „Hier will ich hin!“ Dann bläst der Wind – und bumms. FELIX | |
ZIMMERMANN | |
3 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
FELIX ZIMMERMANN | |
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