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# taz.de -- Wie es sinkt und kracht
> Der FSV Mainz dominiert zu Hause gegen den FC Heidenheim – und verliert
> dennoch 0:1. Vor dem Auswärtsspiel gegen Dortmund macht sich Angst breit.
> Interimstrainer Jan Siewert könnte kurz vor der Ablösung stehen
Bild: Alles ein wenig unglücklich: Eigentor durch den Mainzer Philipp Mwene zu…
Aus Mainz Frank Hellmann
Glücklicherweise kam die Stadionregie beim FSV Mainz 05 gar nicht auf die
Idee, die Eindrücke eines arg ernüchternden Bundesligaspiels noch mit
irgendwelchen Stimmungsliedern zu übertönen.
Aus den Lautsprechern kam nach Schlusspfiff so wenig wie die ersten zwölf
Minuten nach Anpfiff aus dem Fanblock. So schwappte recht unverfälscht zwar
kein gellendes Pfeifkonzert, aber doch hörbarer Unmut nach der unnötigen
Heimniederlage gegen den 1. FC Heidenheim (0:1) von den Rängen auf den
Rasen. Es war ein deutliches Alarmzeichen für den Tabellenvorletzten mit
der Botschaft, dass es so nicht im neuen Jahr weitergehen kann.
Der Aufsteiger von der schwäbischen Ostalb wusste in Person seiner
Trainerinstitution Frank Schmidt eigentlich selbst nicht genau, wie eine
solch hausbackene Vorstellung mit dem ersten Gewinn von drei Punkten bei
einem Auswärtsspiel belohnt werden konnte. „Am Ende geht es nicht um
verdient oder nicht verdient, wir haben das Spiel gewonnen“, sagte Schmidt.
Sein Mainzer Kollege, Interimscoach Jan Siewert, klagte derweil darüber, es
sei „absurd, dass der Ball nicht reingeht“. Er habe doch „jeden
Offensivspieler, der im Kader war, auf den Platz gebracht“ – darunter die
Debütanten Marcus Müller und David Mamutovic aus der zu Saisonbeginn noch
von ihm betreuten zweiten Mannschaft.
In einer verhängnisvollen Mixtur aus Verletzungs- und Abschlusspech haben
sich unter seiner Regie nun fünf sieglose und drei torlose Partien in Folge
angesammelt. Und auch der fußballerische Fortschritt verflüchtigt sich mit
der Notbesetzung gerade. Der 41-jährige Siewert beharrte fast trotzig
darauf, seine Mannschaft gehe weiter „gegen alle Nackenschläge“ an. Der
„bis auf Weiteres“ zu den Profis beförderte U23-Coach wollte in seinem
Kreis auf dem Rasen auch eher Applaus denn Unmut gehört haben.
Sportdirektor Martin Schmidt litt nicht unter solch schwerwiegenden
Wahrnehmungsstörungen. „Dass die Fans ungeduldig werden“, sagte der
Schweizer, sei ihr gutes Recht: „Sie bezahlen schließlich Eintritt.“ Auch
für den 56-Jährigen war ansonsten „kaum zu glauben, dass wir kein Tor
geschossen haben, so dominant, wie wir das Spiel geführt haben“. Die
fehlende Effizienz ist für ihn Kopfsache. Denn: „Mehr Herz wie in der
zweiten Halbzeit kann ein Team nicht auf dem Platz lassen.“
In solchen Statements war allerdings sehr viel vorweihnachtliche
Schönfärberei verpackt. Die eigentlichen Protagonisten gaben sich solcher
Rhetorik nicht hin. Stürmer Marco Richter sprach am Sky-Mikrofon deutlich
die Defizite an: „Heute ist so ein Tag, da fehlen selbst mir die Worte. Wir
haben diesen Abstiegskampf hier gar nicht angenommen, vor allem in der
ersten Halbzeit. Dann kassieren wir ein Slapstick-Tor.“
Tatsächlich fiel der Ball nach einem gar nicht so gut getretenen Freistoß
des Heidenheimer Spezialisten Jan-Niklas Beste über Umwege dem Mitspieler
Marvin Pieringer vor die Füße, dessen Schuss rutschte dem Mainzer Torhüter
Daniel Batz durch die Beine und prallte vom Verteidiger Philipp Mwene über
die Linie (12.).
Kapitän Dominik Kohr monierte die fehlende Körperspannung nicht nur in der
Anfangsviertelstunde. Man habe das Spiel verloren, erklärte er, „weil man
die erste Halbzeit verschläft und in der zweiten Halbzeit trotz Moral kein
Tor schießt“. Zwar folgte noch ein Plädoyer für Siewerts
Weiterbeschäftigung („arbeite gern mit Jan zusammen“), doch die Argumente
werden schwächer.
Gut möglich, dass FSV-Vorstand Christian Heidel, der mächtige Boss am
Bruchweg, bald einen dritten Fußballlehrer für den Rest der Spielzeit
vorstellt. Schmidt rutschte nebenher bereits heraus, dass „vielleicht
irgendwann ein anderer“ die Blockaden bei den Spielern lösen müsse. Nach
der Auswärtspartie bei Borussia Dortmund (Dienstag 20.30 Uhr) werde über
Siewerts Zukunft gesprochen, erklärte Schmidt, der sich ansonsten jedoch
keinen Fahrplan entlocken ließ. Auch Schmidt scheint nicht mehr überzeugt
zu sein, dass das Eigengewächs Siewert denselben Werdegang durchläuft, wie
Schmidt selbst es bei den Nullfünfern getan hatte: zweite Mannschaft, erste
Mannschaft und irgendwann Sportdirektor.
Ob die Dienstreise nach Dortmund noch die Betrachtung ändert? „Dass da was
möglich ist, haben wir schon mal gezeigt“, erinnerte der aktuelle Coach an
jenes für die BVB-Gemeinde so folgenschwere 2:2-Remis vom 27. Mai, als die
noch von Bo Svensson betreuten Rheinhessen mit ihrem couragierten Auftritt
ein schwarz-gelbes Tränenmeer erzeugten. Ihr tadelloser Sportsgeist kam in
den Analysen des irren Meisterschaftsfinals 2023 eigentlich stets ein
bisschen zu kurz.
Dominik Kohr möchte diesen Coup gerne wiederholen. Seine gewagte These vor
dem letzten Spiel des Jahres: „Der Druck ist bei Dortmund.“
18 Dec 2023
## AUTOREN
Frank Hellmann
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