| # taz.de -- Ihr seid schuld, dass sie so sind | |
| > 15 Jahre Fanladen und 20 Jahre Politik im Stadion – einen herzlichen | |
| > Glückwunsch an das Einzige, was beim FC St. Pauli noch erstklassig ist | |
| von OKE GÖTTLICH | |
| Nein, es gehe hier nicht um einen Fanshop, schmunzelte Fanladen-Mitarbeiter | |
| Heiko Schlesselmann ob der ersten Glückwünsche die per Telefon eingingen. | |
| Auch wenn es gut gemeint war, hier geht es um mehr als um Fanartikelverkauf | |
| und Auswärtsfahrtbuchungen. Um wie viel mehr, zeigt der 306 Seiten starke | |
| und 1,6 Kilo schwere Doku-Band „15 Jahre Fanladen St. Pauli – 20 Jahre | |
| Politik im Stadion“. | |
| Um eines vorwegzunehmen: Es ist wesentlich mehr als die soziale Arbeit, die | |
| mit Gründung des Fanladens im Stadtteil St. Pauli 1990 verankert wurde. Es | |
| ist eine Institution entstanden, die als Erste ihrer Art in Deutschland den | |
| Fußball mit verschiedensten Denkansätzen konfrontiert hat. Ob aus | |
| politischer, kultureller, medialer oder soziologischer Sicht. Mit den | |
| Protesten gegen den Sport-Dome schlossen sich Anwohner und Fußballfans zu | |
| einer politischen Macht zusammen, um das abenteuerliche Stadionprojekt zu | |
| stoppen. Dennoch vergisst die Dokumentation nicht nachzufragen, was denn | |
| wohl passiert wäre, wenn es die heutigen mitsprachelustigen Fanstrukturen | |
| im Verein bereits damals gegeben hätte? „Hätten wir als Erste eins dieser | |
| neuen Stadien gehabt? Wären wir heute finanziell solide und Dauergast in | |
| der ersten Liga? Wir wissen es nicht.“ Es ging damals zur Zeit der | |
| Hafenstraßen-Auseinandersetzungen eben viel um Aktion. | |
| Und eben manchmal auch um Fußball. In der linken Szene war dies verpönt. | |
| Über Fußball redete man nicht – außer am Hafenrand. Aus heutiger Sicht, wo | |
| jeder Möchtegern-Künstler und –Intellektuelle ein Jahr vor der WM in | |
| Deutschland seine Werke erst durch den Fußball legitimiert, ist das | |
| unvorstellbar. Mit dem Millerntor Roar erschien 1989 das erste Fanzine | |
| seiner Art in Deutschland. Die Szene erkannte, dass etwas zu bewegen ist, | |
| wenn man es medial artikuliert. Und die Medien entdeckten das Phänomen St. | |
| Pauli. Den jungen Erstligisten mit seinen andersartigen Fans. Einem | |
| Attribut mit Folgen. Nach dem Halbfinale der EM 1988 wurden die Häuser am | |
| Hafenrand von hunderten Hooligans der deutschen Nationalmannschaft | |
| angegriffen. | |
| Sven Brux erhielt eine ABM-Stelle, um eine Fanbetreuung beim FC St. Pauli | |
| aufzuziehen. Im heutigen „Kurhaus“ neben „Mister Kebab“ wurden die erst… | |
| Millerntor Roar-Redaktionssitzungen abgehalten und die ersten „St. | |
| Pauli-Fans gegen Rechts“-Aufnäher und Spuckis hergestellt. Ein Motiv, das | |
| daraufhin in ganz Europa Verwendung fand. | |
| Ausgehend von dieser Gründung entwickelte sich aus der Forderung „Reclaim | |
| the game“ die Teileroberung des Vereins. Die AG Interessierte Mitglieder | |
| wird gegründet und die Abteilung Fördernder Mitglieder, die als größte | |
| Abteilung nun auch vereinspolitisches Gewicht erlangt hat. Ein Konstrukt | |
| mit dem wahlweise die Funktionäre oder Fans (wenn ihre Abteilung dem Club | |
| zu nahe steht) ihre Probleme haben. Viele Trainer, Manager und Präsidenten | |
| mussten dennoch gehen – nur die Fans blieben besteh‘n. | |
| 15 Jahre Fanladen St. Pauli - 20 Jahre Politik im Stadion, erhältlich im | |
| Fanladen St. Pauli, www.stpauli-fanladen.de und in der Schanzenbuchhandlung | |
| 20 Jun 2005 | |
| ## AUTOREN | |
| OKE GÖTTLICH | |
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