# taz.de -- Die Schnellen an der Linie | |
> Teams, die die Flügel gut besetzt haben, dominieren die WM. Besonders | |
> auffällig sind die Außenverteidiger von Marokko. Gegen Spanien (16 Uhr) | |
> könnten sie entscheidend sein | |
Bild: Außenverteidiger bei der Arbeit: Marokkos Noussair Mazraoui beim Spiel g… | |
Aus Doha Daniel Theweleit | |
Am Wochenende hat der einstmals sehr angesehene Fußballtrainer Arsené | |
Wenger, der inzwischen Direktor für globale Fußballförderung des | |
Weltverbandes Fifa ist, eine Zwischenbilanz des WM-Turniers gezogen. In | |
seiner Vorrundenanalyse setzte der der Franzose ein paar Seitenhiebe gegen | |
die Deutschen und die Dänen. Erfolgreich seien in Katar vor allen Dingen | |
jene Teams, die sich auf den Sport konzentrieren, statt sich von der | |
Vermittlung irgendwelcher moralischer Botschaften ablenken zu lassen, hatte | |
er gesagt. Außerdem nannte er noch einen weiteren Faktor, der in seinen | |
Augen ausschlaggebend für eine erfolgreiche Weltmeisterschaft sei. „Ich | |
glaube, dass die Mannschaften mit den besten Flügelspielern die besten | |
Chancen haben, Weltmeister zu werden“, verkündete Wenger. | |
Gemeint sind damit einerseits Stürmer wie Kilian Mbappé, Ousmane Dembélé | |
oder Phil Foden und andererseits die angreifenden Außenverteidiger, das Duo | |
der Niederländer zum Beispiel. Wobei das aufregendste Außenverteidigerpaar | |
bei einem Außenseiter spielt – bei den Marokkanern, die am Dienstag im | |
Achtelfinale auf Spanien treffen: Noussair Mazraoui vom FC Bayern München | |
(links) und Achraf Hakimi von Paris St. Germain (rechts) spielen bislang | |
ein beeindruckendes Turnier. Der in Madrid geborene und aufgewachsene | |
Hakimi gilt schon länger als einer der spektakulärsten Spieler, die im | |
Moment auf den Außenbahnen des globalen Spitzenfußballs unterwegs sind. Bei | |
Borussia Dortmund spielte der damals von Real Madrid ausgeliehene Profi | |
zwischen 2018 und 2020 derart überzeugend, dass er anschließend zu Inter | |
Mailand wechselte. Dem BVB, der den Marokkaner gerne gehalten hätte, fehlte | |
inmitten der Pandemie das Geld für einen 45-Millionen-Euro Transfer. | |
2021 ging Hakimi zu Paris Saint-Germain, auch dort spielt er trotz extremer | |
Konkurrenz eine wichtige Rolle. Genau wie in der Nationalmannschaft, wo er | |
gemeinsam mit Mazraoui und einigen anderen das zentrale Erfolgsrezept von | |
Trainer Walid Regragoui, einem gebürtigen Franzosen, verkörpert. „Wir | |
müssen so spielen, wie die Europäer oder die Südamerikaner, wie die | |
Argentinier oder die Franzosen“, sagte Regragui nach dem 2:1-Sieg über | |
Kanada zum Abschluss der Gruppenphase. „Sie kommen mit einem Plan. Wir | |
haben auch unsere Mentalität geändert, wir haben unsere eigene Identität | |
mit der Mentalität und dem taktischen Ansatz der Europäer verbunden.“ Hakim | |
Ziyech (FC Chelsea) oder Youssef En-Nesry (FC Sevilla) spielen ebenfalls | |
seit Jahren regelmäßig in der Champions League, etliche weitere Spieler im | |
Kader gehören Klubs aus großen europäischen Ligen an. | |
Viele wurden schon in Belgien, den Niederlanden oder Spanien geboren, | |
sozialisiert und fußballerisch ausgebildet. Mazraoui stammt beispielsweise | |
aus Leiderdorp in Südholland. Als Neunjähriger wechselte er in die | |
Jugendakademie von Ajax Amsterdam, wo er wegen seiner dürren Statur immer | |
wieder Zweifel weckte, schließlich aber zum Profi wurde. Seine ersten | |
Berufungen in die Nationalmannschaft waren daher eine Art Kulturschock. | |
„Fußballspielen hier in Afrika ist wirklich anders. Gewöhnungsbedürftig, | |
intensiver“, sagte er einmal. „In der Umkleidekabine machen wir einen Kreis | |
und lesen aus dem Koran, bevor wir auf den Platz gehen.“ | |
Im vergangenen Sommer wechselte Mazraoui dann für 20 Millionen Euro aus | |
Amsterdam zum FC Bayern, wo er noch nicht durch wichtige Tore oder | |
spektakuläre Flügelläufe in Erscheinung getreten ist. Und dennoch hat er | |
hat sich zu einem soliden Startelfkandidaten entwickelt, der im Herbst | |
regelmäßiger spielte als die Weltmeister Benjamin Pavard oder Lucas | |
Hernandez. Entsprechend selbstbewusst ist er zur WM nach Katar gereist. Auf | |
die Frage, wer aus seiner Sicht der Turnierfavorit sei, erwiderte er vor | |
dem Turnier im Vereinsmagazin der Münchner: „Na, wir selbst natürlich. Man | |
sollte keine Reise beginnen, bei der man nicht an ein gutes Ende glaubt. | |
Und deshalb gehen wir mit der Einstellung ins Turnier, dass wir es auch | |
gewinnen möchten.“ | |
Bisher haben sie diesen Worten Taten folgen lassen, beflügelt von einem | |
leidenschaftlichen Publikum und angetrieben von einer wilden | |
Entschlossenheit. Mit ähnlich viel Herz und Hingabe haben bislang | |
allenfalls die Argentinier gespielt. Trainer Regragui schwärmte nach der | |
Vorrunde von einer „High-Level-Performance“ seiner Mannschaft, nun könne | |
Marokko „mit diesen Fans, mit diesen Spielern, mit diesem Spirit alles | |
schaffen“. Selbst der WM-Titel sei möglich. Es wird groß geträumt in diesem | |
Team, in dem verschiedene Kulturen zu einem gut funktionierenden Gesamtbild | |
zusammengeflossen sind, diese Verbindung ist viel Wert bei diesem | |
besonderen WM-Turnier. | |
6 Dec 2022 | |
## AUTOREN | |
Daniel Theweleit | |
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