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# taz.de -- tazđŸŸthema: Diagnose Peniskrebs
> Humane Papillomviren befallen Frauen wie MĂ€nner. Bislang wird darĂŒber
> kaum aufgeklÀrt. In Deutschland erkranken jÀhrlich 260 MÀnner an einem
> Penistumor. Eine frĂŒhzeitige HPV-Impfung könnte das verhindern
Bild: Stefan KĂŒbler bekam die Diagnose Peniskrebs und wurde operiert. Nun will…
Von Joachim Göres
„Ich befĂŒrchtete das Schlimmste.“ Stefan KĂŒbler erinnert sich an seine
Gedanken, als er die Diagnose Penistumor bekam und ihm eröffnet wurde, dass
er nur ĂŒberleben werde, wenn seine Eichel und möglicherweise der gesamte
Penis bei einer Operation entfernt werde. „Es wĂ€re fĂŒr mich sehr schlimm
gewesen, keinen Geschlechtsverkehr mehr haben zu können“, sagt der heute
42-JĂ€hrige und fĂŒgt hinzu: „Außerdem wollten meine Partnerin und ich
Kinder.“
Als der Onlineredakteur 2016 die Diagnose bekam, war er schon drei Jahre
bei einem halben Dutzend Ärzten in Behandlung gewesen, wegen rötlichen
EntzĂŒndungen an der Eichel und der Vorhaut, verbunden mit BlĂ€schen,
Schwellungen und Blutungen. Schmerzen hatte er nur selten. HautÀrzte und
Urologen verordneten ihm Salben und KamillenbÀder, die nicht wirklich
halfen. Keiner der FachĂ€rzte dachte an Peniskrebs – vermutlich, weil die
seltene Krankheit meist erst bei MĂ€nnern zwischen 50 und 70 Jahren
festgestellt wird und selbst erfahrene Urologen damit noch nie in BerĂŒhrung
kamen.
Erst an einer Uniklinik wurde der vermutliche Grund fĂŒr KĂŒblers Erkrankung
erkannt. Er hatte sich mit großer Wahrscheinlichkeit mit Humanen
Papillomviren (HPV) infiziert. Von dieser sexuell ĂŒbertragbaren Infektion
ist fast jeder sexuell aktive Mensch in seinem Leben betroffen, ohne dass
es in der Regel ĂŒberhaupt bemerkt wird – das Immunsystem bekommt die
Eindringlinge in den Griff. Wenn das Immunsystem aber geschwÀcht ist und es
sich beim HPV-Typ – mehr als 200 verschiedene Typen sind bekannt – um einen
von 12 Hochrisiko-Typen handelt, kann Krebs entstehen. Am bekanntesten ist
der GebÀrmutterhalskrebs, der 2020 in Deutschland bei 4.400 Frauen entdeckt
wurde. FĂŒr 1.600 von ihnen verlĂ€uft die Erkrankung tödlich.
Bei MĂ€nnern sind die HPV-bedingten Erkrankungen seltener. JĂ€hrlich wird bei
840 MĂ€nnern ein Zungengrundkrebs wegen einer HPV-Infektion festgestellt,
bei 600 ein Analkarzinom und bei 260 ein Penistumor. KĂŒbler wurde nach der
Diagnose in der UniversitÀtsklinik Rostock operiert. Die Eichel wurde
zusammen mit einem kleinen Teil des Penisschafts entfernt – die
vollstÀndige Entfernung des Penis war nicht nötig, weil der Krebs bei ihm
noch nicht so weit fortgeschritten war. Aus einem kreditkartengroßen StĂŒck
Haut des Oberschenkels wurde eine neue Eichel geformt und an der
Penisspitze angenÀht. Kurze Zeit spÀter wurden bei einer zweiten Operation
Lymphknoten in der Leiste entfernt und untersucht. KĂŒbler hatte GlĂŒck, der
Krebs hatte sich nicht ausgebreitet, er brauchte keine Chemotherapie. Zwei
Jahre spÀter wurde bei einer dritten Operation die Vorhaut entfernt.
WĂ€hrend der Zeit der Diagnose und der ersten beiden OPs konnte der
Journalist ĂŒber seine Erkrankung nicht sprechen. „Damals hatte ich nicht
die Kraft dazu, außerdem ist das ja ein sehr intimes Thema“, sagt der Mann,
der in Celle lebt. Inzwischen geht er damit an die Öffentlichkeit, in einem
eigenen Blog (siehe Textende) und in der Wanderausstellung „HPV hat viele
Gesichter“ der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Krebsgesellschaft und
des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg. KĂŒbler und weitere
Leidensgenossen erzÀhlen dort ihre Geschichte, gerade weil ihre
Erkrankungen so selten sind. Und weil sie zeigen wollen, dass man etwas
dagegen tun kann.
Seit 2006 ist in Deutschland eine HPV-Schutzimpfung fĂŒr MĂ€dchen zugelassen,
seit 2018 ĂŒbernehmen alle Krankenkassen auch die Kosten fĂŒr eine
HPV-Schutzimpfung fĂŒr Jungen. Die StĂ€ndige Impfkommission empfiehlt fĂŒr
MĂ€dchen und Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren zwei Impfdosen in einem
Abstand von 5 bis 13 Monaten, die sie in den Oberarm bekommen. Die Impfung
sollte vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen. Nach den zuletzt vom
Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlichten Zahlen waren in Deutschland
Ende 2019 bei den 15-JĂ€hrigen 47 Prozent der MĂ€dchen und 5 Prozent der
Jungen gegen HPV vollstĂ€ndig geimpft. Dabei gibt es große regionale
Unterschiede: Am höchsten ist der Anteil in Sachsen-Anhalt und
Mecklenburg-Vorpommern (bei MĂ€dchen jeweils rund 66 Prozent, bei Jungen
etwa 10 Prozent), am niedrigsten in Bremen und Baden-WĂŒrttemberg (rund 38
beziehungsweise 3 Prozent). Regionaler Spitzenreiter ist bei den MĂ€dchen
der Landkreis Jerichower Land in Sachsen-Anhalt mit 76,8 Prozent, bei den
Jungen Dessau-Roßlau mit 14 Prozent. Ganz am Ende der Skala liegt der
bayerische Landkreis MĂŒhldorf am Inn sowohl bei den MĂ€dchen (23,3 Prozent)
als auch bei den Jungen (0,6 Prozent). Mit diesen Zahlen ist das RKI alles
andere als zufrieden – die Weltgesundheitsorganisation WHO strebt bei
15-jÀhrigen MÀdchen eine Impfquote von 90 Prozent an.
Die Ausstellung erinnert auch an die Verantwortung der Jungen: Mit einer
Impfung können sie nicht nur etwas gegen das Risiko einer spÀteren eigenen
HPV-Erkrankung tun, sondern auch verhindern, dass sie irgendwann ihre
Partnerin beim Sex anstecken.
KĂŒbler will MĂ€nnern mit Ă€hnlichen Beschwerden, wie er sie frĂŒher hatte, Mut
machen, rechtzeitig zum Arzt zu gehen. „Man sollte nicht darauf warten,
dass die EntzĂŒndungen von allein weggehen. Gerade beim Krebs kommt es
darauf an, dass man ihn frĂŒhzeitig entdeckt“, sagt er. Und wenn man beim
Arzt das GefĂŒhl habe, dass der auch nicht weiterwisse, sollte man sich
nicht scheuen, eine weitere Meinung einzuholen.
KĂŒbler berichtet von seinen Erlebnissen ĂŒbrigens mit einem Happy End – im
Sommer 2020 wurde seine Tochter geboren. „Nach den tiefschwarzen Aussichten
ist dies ein Ende der Geschichte, das ich mir nicht glĂŒcklicher hĂ€tte
ausmalen können.“
https://derneuestefan.com
12 Nov 2022
## AUTOREN
Joachim Göres
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