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# taz.de -- tazđŸŸthema: Auf die VielfĂ€ltigkeit kommt es an
> An AckerrĂ€ndern leuchten die BlĂŒten von Wiesen-Margeriten, Saat-Mohn oder
> Ringelblumen. HĂ€ufig handelt es um EU-geförderte BlĂŒhstreifen. Insekten
> und Bienen nutzen sie intensiv, wenn die Streifen mehrere Jahre stehen
> und die Umgebung stimmt
Bild: Stars and stripes: Unter EU-Flagge werden BlĂŒhstreifen gefördert
Von Helke Diers
Insekten sterben. Nicht nur ihre schiere Masse nimmt ab, zudem gehen auch
einzelne Arten deutlich zurĂŒck. Die sogenannte „Krefelder Studie“ aus dem
Jahr 2017 zeigte: Innerhalb der Jahre 1989 bis 2016 ging in
Naturschutzgebieten die Biomasse von Fluginsekten um 76 Prozent zurĂŒck.
„Die Studie hat schon sehr aufgerĂŒttelt“, sagt Catrin Westphal, Professorin
fĂŒr Funktionelle AgrobiodiversitĂ€t an der UniversitĂ€t Göttingen. Auch den
Bienen geht es an die Substanz. Nach der Roten Liste ist in etwa die HĂ€lfte
der rund 560 heimischen Bienenarten in ihrem Bestand mehr oder weniger
bedroht. Honigbienen gehe es dank Imker:innen und öffentlicher
Aufmerksamkeit noch verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig gut, findet Laura Breitkreuz,
Referentin fĂŒr BiodiversitĂ€t beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu).
„Ihren wilden Verwandten geht es wesentlich schlechter.“
Die GrĂŒnde fĂŒr den RĂŒckgang der Insekten sind vielfĂ€ltig. Pestizide,
KunstdĂŒnger, intensive Landnutzung, großrĂ€umige und eintönige AckerflĂ€chen
oder Lichtverschmutzung. „Die Landwirtschaft hat sehr große Auswirkungen
auf den Insektenschwund“, sagt die promovierte Insektenexpertin Breitkreuz.
Wie es den Insekten in einem Gebiet geht, hÀngt auch davon ab, was in der
Umgebung wÀchst oder nicht wachsen darf. Auf Wiesen beispielsweise gibt es
einen besonders dramatischen Insektenschwund, wenn sich viele intensiv
landwirtschaftlich genutzte FlÀchen in der umgebenden Landschaft befinden.
Dies stellte eine BiodiversitĂ€tsstudie unter Leitung der TU MĂŒnchen fest.
Auf den untersuchten GrĂŒnlandflĂ€chen habe sich die Biomasse der Insekten
innerhalb von neun Jahren um 67 Prozent reduziert, erklĂ€rt Westphal. „Die
Umgebung der GrĂŒnlandflĂ€chen spielt eine große Rolle. Wenn die FlĂ€chen in
normale AckerflÀchen eingebettet sind, gibt es viel stÀrkere Verluste, als
wenn es sich um Landschaften mit einer hohen Strukturvielfalt handelt.“
Westphal nennt als Beispiel leuchtend gelbe RapsanbauflÀchen. Die
Kulturpflanzen hÀtten zwar einen kurzen Effekt als Nahrungsquelle, böten
aber weder NistplÀtze noch eine andauernde und kontinuierliche Versorgung
mit Nektar und Pollen, wie dies in blĂŒtenreichen naturnahen LebensrĂ€umen
der Fall ist. Eine weitere Studie belegte: „In Landschaften, wo viel Mais
angebaut wird, sinkt die DiversitÀt von Pollen liefernden Pflanzen, was
sich negativ auf das Wachstum von Hummelvölkern auswirkt“, sagt Westphal.
Im Rahmen der EU-subventionierten Landwirtschaft mĂŒssen Landwirt:innen
bestimmte FlĂ€chen fĂŒr Umweltinteressen nutzen. Andere Maßnahmen werden mit
zusĂ€tzlichen PrĂ€mien unterstĂŒtzt. Brachen, GewĂ€sserrandstreifen,
Pufferstreifen oder BlĂŒhstreifen können Ergebnisse der Gemeinsamen
Agrarpolitik (GAP) sein. BlĂŒhstreifen sind mit regionalen Saatmischungen
eingesÀte Böden und ein Liebling der öffentlichen Bienenzuneigung.
Ob BlĂŒhstreifen den Insekten und Bienen nĂŒtzen, hĂ€ngt maßgeblich von ihrer
Umgebung ab. Bienen mĂŒssen sich sowohl ernĂ€hren als auch zurĂŒckziehen und
nisten. Forscherin Westphal erklĂ€rt das so: „Wenn die Landschaften artenarm
und sehr ausgerĂ€umt sind, gibt es keine große Wirkung der BlĂŒhstreifen. Wo
es noch genug natĂŒrliche LebensrĂ€ume gibt, sind sie effizient und haben
eine gute Wirkung.“ EinjĂ€hrige BlĂŒhstreifen mĂŒssten mit FlĂ€chen zum Nisten
kombiniert werden. Dabei kommt es auf die kurzen Wege an. „Manche kleinen
Wildbienen fliegen nur ein paar Hundert Meter“, so Westphal. Auch
Breitkreuz sagt: „Die Korridore fehlen.“ Korridore zu den Orten diversen
Bewuchses und Strukturelementen.
Totholz, BrachflĂ€chen, Stoppeln – Tiere lieben, was dem Bild des
vermeintlich sauberen Ackers widerspricht. „Viele Wildbienen brauchen eine
wenig bewachsene BodenflĂ€che oder StĂ€ngel, die ĂŒber den Winter stehen
bleiben“, sagt Evolutionsbiologin Breitkreuz vom Nabu. FĂŒr den
Insektenschutz sei eine Mischung verschiedener Maßnahmen am besten. „So
vielfĂ€ltige wie möglich. Ich sehe die BlĂŒhstreifen als absolutes
Potenzial.“ Die Insekten-Expertin hofft, durch die öffentlich sichtbaren
FlĂ€chen werde ein Umdenken angestoßen. FĂŒr ökologisch sinnvolle
BlĂŒhstreifen sollten heimische Pflanzen und mehrjĂ€hrige Mischungen gesĂ€t
werden. Wenn die Streifen dann noch möglichst selten gemÀht und nicht
gemulcht werden – dann wird fĂŒr Breitkreuz viel richtig gemacht.
Mehr Bienen nutzen auch den Landwirt:innen. „Wildbienen spielen eine
zentrale Rolle fĂŒr die insektenbestĂ€ubten Kulturpflanzen wie Apfel, Raps
oder Erdbeere“, erlĂ€utert Westphal. Sie sagt, es komme darauf an, den Weg
zu mehr BiodiversitÀt gemeinsam mit Landwirt:innen, Gemeinden und
NaturschutzverbĂ€nden zu gehen. Am hilfreichsten seien Lösungen, fĂŒr die
sich verschiedene Betriebe lokal miteinander abstimmen. Zu solchen
koordinierten Maßnahmen auf Landschaftsebene forscht ein Verbundprojekt
unter Leitung der UniversitĂ€t Göttingen. Außerdem geht es bei der Umsetzung
wie immer ums Geld: „Die Landwirte stecken in einem engen Korsett“, findet
Westphal. „Es gibt bei vielen eine ganz großen Bereitschaft. Gleichzeitig
sind Landwirte auch Wirtschaftsunternehmen und mĂŒssen schauen, was hinten
rauskommt. Wenn die Anreize steigen, werden sich auch mehr Landwirte fĂŒr
Maßnahmen wie BlĂŒhstreifen entscheiden.“
20 May 2022
## AUTOREN
Helke Diers
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