Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Da müssen wir uns richtig Sorgen machen“
> DFB-Vizepräsidentin Silke Sinning über ihren Wahlsieg gegen Rainer Koch,
> ihre Aufgaben im neuen Präsidium und Probleme im Frauen- und
> Mädchenfußball
Bild: „Es braucht Mut“: Silke Sinning (l.) ist seit 2010 Professorin für S…
Interview Frank Hellmann
taz: Frau Sinning, Sie sind durch die Wahl ins neue DFB-Präsidium in aller
Munde, weil Sie sich in einer Abstimmung gegen Rainer Koch durchgesetzt
haben. Was hat Sie animiert, sich als eine der wenigen Frauen in den
DFB-Gremien hochzuarbeiten?
Silke Sinning: Ich war selber Fußballspielerin, teilweise Spielführerin bei
der SG Beisetal und später auch Spielertrainerin bei den Frauen des SC
Schwarz-Weiß Zennern. Dann habe ich mich ehrenamtlich auf Kreisebene für
den Frauen- und Mädchenfußball engagiert. Ich habe mich für ein Bezirksamt
zur Verfügung gestellt und gegen eine Gegenkandidatin durchgesetzt. Vier
Jahre später ist dasselbe beim Hessischen Fußballverband passiert. Man muss
dafür viel Mut und Veränderungswillen aufbringen.
Sind Ihnen Steine in den Weg gelegt worden?
Mir wurde meist respektvoll begegnet. Vielleicht hat auch mein
Professorinnentitel dafür gesorgt, dass sich der eine oder andere
zurückgehalten hat … (lacht) Aber trotzdem hatte ich häufiger das Gefühl,
dass unter den Männern viele Dinge einfach schon abgesprochen sind. Da habe
ich mich schon häufiger gewundert, warum hat eigentlich mich keiner vorher
mal angerufen.
Sie wirkten in Bonn nach Ihrer Wahl ins DFB-Präsidium sehr ergriffen. Sie
haben damit wahrscheinlich nicht gerechnet.
An jenem Morgen hatte ich meiner Tochter zugesagt, dass ich den Mut
aufbringen würde, tatsächlich anzutreten. Nach meiner Rede hatte ich
gehofft, einen Achtungserfolg zu erhalten. Dass ich die Wahl so deutlich
gewinnen würde, damit hatte ich nie gerechnet. Für mich ist es eine große
Herausforderung, nun auch den Süddeutschen Verband zu vertreten und zu
unterstützen. Aber dieses überwältigende Ergebnis verschafft mir Respekt
und gibt mir Rückenwind. Wir sind nun vier Frauen im DFB-Präsidium, mit
Heike Ullrich bald fünf. Das ist super, das finde ich ganz stark.
Warum hatten es Frauen denn bislang so schwer, in DFB-Führungspositionen zu
kommen?
Zwei Aspekte sind hier erst einmal zu trennen: Es gibt hauptamtliche
Mitarbeiter, bei denen sich Männer wie Frauen für ein bestimmtes
Aufgabenfeld bewerben können. Da wird auch beim DFB darauf geschaut, dass
kein Geschlecht benachteiligt wird. Dann gibt es aber die ehrenamtliche
Ebene. Dort bewerben sich in der Regel nicht mehrere Personen auf eine
Position. Da ist einfach das Beharrungssystem der Männer sehr groß.
Außerdem stehen nur alle drei, vier Jahren Wahlen an, sodass es lange
dauert, bis eine Person oben ankommt.
Braucht es eine Frauenquote, um dieses System aufzubrechen?
Erst einmal bin ich sicher, dass es genügend Frauen mit Expertise gibt, um
sich in die Arbeit auf Kreis-, Verbands- oder Landesebene einzubringen.
Trotzdem halte ich im Ehrenamt eine Quote für gut. Und gleichermaßen bin
ich am Freitag auch eines Besseren belehrt worden, dass selbst im
DFB-Präsidium nun gleich deutlich mehr Frauen auch ohne Quote gewählt
wurden. Letztlich ist es wichtig, dass die Verantwortlichen Veränderungen
wirklich wollen und dass sich auch die Frauen bereiterklären. Was mir aber
auch am Herzen liegt, ist, dass vermehrt junge Menschen in den Ausschüssen
sitzen sollten – das gehört für mich gleichermaßen zur Diversität, um den
Fußball zukunftsfähig zu machen.
Was haben Sie für sich als Schwerpunkte der Arbeit ausgemacht?
Meine Themen Nachhaltigkeit und Diversität habe ich in den letzten Monaten
durchgängig kenntlich gemacht. Die möchte ich natürlich auch weiterhin
stützen.
Sie haben keine Berührungsängste mit dem Profilager. Sie haben im Team von
Peter Peters deutlich gemacht, dass der deutsche Fußball nur gemeinsam
vorankommt.
Es muss deutlich werden, dass die DFL genauso ein Mitglied des DFB ist wie
alle anderen Regional- und Landesverbände auch. Natürlich verfügt die Liga
über große Einnahmen, und mein Wunsch wäre, dass die DFL einen großen
Betrag in einen Fonds einzahlt, aus dem sich die Landesverbände mit
Projekten bedienen können, wobei die DFL mitbestimmen sollte, wofür diese
Gelder verwendet werden; etwa für die Talentförderung oder den
Frauenfußball. Ob eine solche Variante zielführend und umsetzbar wäre,
müssen die Verantwortlichen gemeinsam klären. Ich kann mir aber gut
vorstellen, dass damit ein großer Imagegewinn für alle verbunden sein
könnte.
Sie sind seit zehn Jahren Mitglied des Ausschusses für Frauen- und
Mädchenfußball im DFB, daher wissen Sie, dass die Zahlen der aktiven
Mädchen und Frauen dramatisch rückläufig sind. Zuletzt wies die
Mitgliederstatistik nur noch 131.487 aktive Fußballerinnen aus. Fünf Jahre
zuvor waren es noch doppelt so viele.
Da müssen wir uns richtig Sorgen machen. Wir können keinen Spielbetrieb,
keine Förderung der Spitze betreiben, wenn immer weniger Frauen Fußball
spielen. Alarmierend sind auch die Rückgänge bei den Mädchen. Wir konnten
in Hessen die Rückgänge nur begrenzen, weil wir unseren Spielbetrieb extrem
flexibilisiert haben. Viele Vereine bekommen nicht einmal ein Neuner-Team
zusammen. Zum Glück gab es bei den letzten Schnuppertagen wieder Zulauf.
Fehlen die Vorbilder, weil die deutschen Fußballerinnen zuletzt nicht mehr
erfolgreich waren?
Ich habe das nicht untersucht, deswegen kann ich keine klare Antwort geben.
Aber wir haben bei Jungs und Mädchen den größten Schwund in den
Altersklassen, bei denen die Pubertät eintritt: Da sind Training und
Wettkampf oft einfach nicht mehr interessant genug. Uns haben B-Juniorinnen
beispielsweise erzählt, dass ihnen Spieltermine am Sonntagmorgen nicht
passen, weil sie am Samstagabend gerne ausgehen. Bei diesen Themen müssen
wir das Ohr viel stärker an der Basis haben.
Wie kann es denn gelingen, mehr Mädchen mit Migrationshintergrund für den
Fußball anzusprechen?
Grundsätzlich finde ich, dass es Frauen in typisch männlich geprägten
Sportarten wie Boxen oder Fußball heutzutage leichter haben als Männer, die
sich für weiblich zugeschriebene Sportarten wie Synchronschwimmen, Ballett
oder Eistanzen interessieren. Für die Vereine ist es schwierig, in
tradierte Familienstrukturen reinzukommen, wo noch der Mann die klassische
Führungsposition inne hat. Deshalb sind für mich der Kindergarten und die
Schule der erste Ansatz, hier Angebot zu erstellen.
Warum?
Wenn die Mädchen sich hier für den Fußball begeistern, dann schaffen sie es
auch, ihren Vater zu überzeugen, dass sie Fußball im Verein spielen wollen.
15 Mar 2022
## AUTOREN
Frank Hellmann
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.