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# taz.de -- Ein neuer Mensch
> Nach dem Olympiasieg hat Alexander Zverev ein höheres Niveau erreicht. Im
> Halbfinale der US Open fordert er nun den Hegemon heraus, Novak Đjoković
Bild: Olympiagold als Mentaldoping: Alexander Zverev hat gewiss keine Angst vor…
Von Jörg Allmeroth
Als Novak Ðjokovićam 8. Februar 2021 in die Rod Laver Arena von Melbourne
marschierte, war er noch ganz weit weg vom größten Ziel in der Tenniswelt.
Ðjokovićspielte an jenem Tag gegen den Franzosen Jérémy Chardy, er gewann
klar in drei Sätzen, und er setzte seinen Siegeszug bei den Australian
Open danach unwiederbringlich fort, im Viertelfinale schlug er auch einen
gewissen Alexander Zverev, schließlich triumphierte er in seiner
Wohlfühloase zum neunten Mal.
Seitdem ist Ðjokovićnicht mehr zu stoppen, er schlug Gegner aller
Leistungs- und Altersklassen bei den Majors: In Paris bezwang er auf den
letzten French-Open-Metern drei Top-Ten-Rivalen, im Halbfinale auch Rafael
Nadal. Selbst Wimbledon wirkte im Sommer nur noch wie eine
Durchgangsstation zum magischen Coup, dem Gewinn aller vier Majors in einer
Saison, dem sogenannten Kalender-Grand-Slam. Zwei Sätze nur gab er bei
seinem Siegeslauf an der Church Road ab, die dritte Station war geschafft,
der dritte Pokalerfolg hintereinander.
Die härtesten Grand-Slam-Tage könnten dem 34-jährigen Anführer der
Tennisszene dennoch erst bevorstehen. Wenn Ðjokovićam Freitagabend in der
Night Session das größte Stadion des Wanderzirkus betritt, steht er einem
Mann gegenüber, der es als einziger geschafft hat, dem Weltranglistenersten
eine Niederlage in dieser ansonsten so überragenden Saison zuzufügen, bei
den Olympischen Spielen in Tokio.
Ðjokovićgegen Zverev (24) – es ist das Halbfinalmatch, auf das alle bei
diesen US Open seit der Turnierauslosung vor zwei Wochen gewartet haben.
„Ich habe geahnt, dass wir uns hier wiedersehen werden. Sascha gehört jetzt
immer zu den Spielern, die um den Titel kämpfen“, sagt Ðjoković, „es gibt
keine Geheimnisse, jeder kennt den anderen haargenau.“ Worauf es ankommt
beim 27. Grand-Slam-Duell der Saison, auf der womöglich vorletzten Etappe
zum Durchmarsch bei allen Majors, weiß Ðjokovićnur zu genau: „Die Nerven im
Griff haben, die paar wenigen Punkte, die alles entscheiden, konsequent
spielen.“
Kein Spieler in der Neuzeit des Tennis war jemals in Ðjokovićs Lage, keiner
der Stars und Superstars war nur noch zwei Siege vom echten Grand Slam
entfernt – kein Borg, kein McEnroe, kein Lendl, kein Sampras, kein Becker.
Und auch nicht Federer oder Nadal, die ewigen Widersacher Ðjokovićs in den
letzten anderthalb Jahrzehnten. Der Schweizer und die spanische
Kampfmaschine sind gerade wieder verletzt, aus ihrem gefühlten Vorruhestand
können sie nur zusehen, wie Ðjokovićihre Rekordmarken angreift und
übertrumpft.
Ðjokovićkönnte in New York nicht nur das Rendezvous mit der Ewigkeit
vollenden, 28 Grand-Slam-Matches in einer Saison schadlos zu überstehen. Er
könnte auch erstmals im Kampf der großen Drei in Führung gehen, mit 21
Grand-Slam-Titeln vor Federer und Nadal mit jeweils 20. „Ich bin gefasst
auf gewaltige Herausforderungen“, sagt Ðjokovićvorm Duell mit Zverev,.„We…
du so große Ziele hast wie ich, weißt du: Es wird brutal schwer, gerade in
den finalen Matches.“
Auch im letzten Jahr wären sich Ðjokovićund Zverev im Normalfall bei den US
Open im Halbfinale begegnet. Normal war allerdings nichts bei jenem
Turnier, bei den Geisterspielen im Billie Jean King Center, die ihren Eklat
erlebten, als Ðjokovićim Achtelfinale wegen der Ballattacke auf eine
Linienrichterin disqualifiziert wurde. Zverev rückte ins Finale vor, stand
nur zwei Punkte vom Triumph entfernt und erlebte zuallerletzt den wohl
bittersten Moment seiner Karriere, als er den sicher geglaubten Sieg an
Kumpel Dominic Thiem verschenkte. Bis heute denke er „fast täglich“ an
dieses Turnier zurück, sagt Zverev.
Inzwischen überlagern allerdings ganz andere Erinnerungen seine Arbeit im
Tennisbetrieb. Zverevs Goldmission in Tokio wirkte wie ein Durchbruchmoment
in einer nicht immer einfachen Karriere, die einzig gewichtige
Saisonniederlage von Ðjokovićim olympischen Halbfinale war die Plattform
für Zverevs Sieg und für den Eintritt in eine neue Tenniswelt. „Er ist ein
anderer Spieler geworden seitdem“, sagt Boris Becker, „die Last, nicht die
richtig großen Siege holen zu können, hat er sich von der Schulter
genommen.“ Das neue Selbstbewusstsein, die machtvollere Statur habe Zverev
danach auch mit dem Masterssieg in Cincinnati „eindrucksvoll“ bewiesen, so
Becker.
10 Sep 2021
## AUTOREN
Jörg Allmeroth
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