# taz.de -- heute in bremen: „Bis auf das letzte Einmachglas“ | |
Interview Lisa Bullerdiek | |
taz: Herr Bleyl, ist das Mahnmal am richtigen Ort? | |
Henning Bleyl: Die Entscheidung darüber steht im Juli an, in der | |
Kulturdeputation, aufbauend auf den beiden Standortprüfungen an der | |
Schlachte und am Tiefer. Danach dauert es vielleicht noch ein, zwei Jahre, | |
bis gebaut wird. | |
Können Sie noch einmal vom Streit um das Mahnmal erzählen? | |
Es hat angefangen mit dem Firmenjubiläum von Kühne und Nagel auf dem | |
Marktplatz 2015. Der Unternehmenserbe hat da komplett ausgelassen, dass die | |
Firma in der NS-Zeit enorm expandiert ist. Auch auf Nachfrage wurde das | |
einfach geleugnet. Kühne und Nagel wollte damals einen neuen Firmensitz auf | |
öffentlichem Grund bauen und wir haben einfach mitgeboten, mit | |
Crowdfunding-Geld. Dann begann der ganze Trubel um den Standort. | |
Aber Sie wollten nicht wirklich auf dem Grundstück von Kühne und Nagel ein | |
Mahnmal errichten? | |
Nein, wir wollten Aufmerksamkeit für das Thema. Das Grundstück ging dann | |
natürlich an Kühne und Nagel, aber das Mahnmal sollte trotzdem gebaut | |
werden. | |
Was ist „Arisierung“? | |
Das ist ein Nazi-Begriff und eine Behauptung: Wenn man jüdischen Menschen | |
ihr Eigentum wegnimmt, dann gebe man es eigentlich zurück ins | |
„Volkseigentum“. | |
Wie hat Kühne und Nagel davon profitiert? | |
Das Unternehmen hatte sehr viel mit der Logistik der „Verwertung“ jüdischen | |
Eigentums zu tun, also mit den „Arisierungs“-Gewinnen. Es hat in den | |
besetzten Ländern Niederlassungen errichtet, über die der Abtransport | |
jüdischen Eigentums abgewickelt wurde: Hunderte von Waggon- und | |
Schiffsladungen mit kompletten Wohnungseinrichtungen. | |
Inwiefern zeigt die Architektur diese Geschichte? | |
Die Architektur des Mahnmals von Evin Oettingshausen zeigt erst mal die | |
scheinbare Abwesenheit von Geschichte. Wer darüber läuft, sieht ein Loch | |
mit Panzerglas über einem Schacht und unten ein bisschen Licht. Wenn man | |
nach unten geht, kann man durch das zweite Fenster Schatten von Möbeln an | |
der Wand sehen. Da war mal was. Man sieht die Leere, die Totalität der | |
Verwertung. Bis auf das letzte Einmachglas. Diese gestohlenen Gegenstände | |
existieren weiter als Erbmasse in deutschen Familien und fehlen als | |
Erinnerungsanker in jüdischen. | |
Vortragsreihe Freie Kunst: Leerstellen und Geschichtslücken – das | |
„Arisierungs“-Mahnmal, 18 Uhr, via Teams auf [1][www.hfk-bremen.de] | |
9 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://tinyurl.com/ef2sdbey | |
## AUTOREN | |
Lisa Bullerdiek | |
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