# taz.de -- Augenblicke an der roten Ampel | |
> Susanne Schmidt erzählt in ihrem Buch „Machen Sie mal zügig die | |
> Mitteltüren frei“ aus dem Alltag einer Berliner Busfahrerin | |
Bild: Susanne Schmidt: „Machen Sie mal zügig die Mitteltüren frei. Eine Ber… | |
Von Aleksandar Zivanovic | |
Wer öfters Bus fährt, weiß, was los ist, wenn es aus den Lautsprechern | |
heißt: „TÜREN FREIMACHEN!“ Das heißt, dass die Türen nicht schließen | |
können. | |
Das passiert in der Regel, wenn es zu voll ist. Einmal war es so: | |
Irgendwelche Kids hatten im Lichtschrankenbereich miteinander gerauft, sich | |
gegenseitig gezwickt und gejault – sie hatten großen Spaß und die Türen | |
wollten nicht zugehen. Natürlich hat das genervt. Einwürfe der Gäste | |
(„Idioten!“) und des Busfahrers („Ich fahre nicht weiter!“) wurden | |
ignoriert. Irgendwann hörte man aus dem Lautsprecher keine Worte mehr, aber | |
ein Schnaufen, es wurde immer lauter und intensiver, es klang zornig, es | |
machte „Paff“, der Fahrer hat wohl mit Schwung seine Kabinentür geöffnet. | |
Die Kids sind zum Glück weggerannt. | |
In „Machen Sie mal zügig die Mitteltüren frei. Eine Berliner Busfahrerin | |
erzählt“ beschreibt Susanne Schmidt den Alltag dieses Berufs, so wie sie | |
das erlebt hat. Und zwar von dem Moment an, als sie zum ersten Mal | |
überhaupt darüber nachgedacht hat, Busfahrerin zu werden. Das war, nachdem | |
sie Plakate der BVG gesehen hat, auf denen explizit nach „älteren Frauen“ | |
gesucht wurde – „Studien haben längst bewiesen, dass ältere Frauen weniger | |
Unfälle verursachen und mit Stress besser umgehen können als Männer“. | |
Schmidt, damals Mitte fünfzig, ausgebildete Erzieherin und Drehbuchautorin, | |
hat auch schon als Pförtnerin und Social-Media-Managerin gearbeitet und | |
fühlt sich von der Werbung angesprochen. Sie findet diese Initiative | |
„super“ und beschreibt in dem Buch ihren Weg von der Bewerbung über die | |
erfolgreich abgeschlossene Ausbildung, bis hin zum Berufsalltag. | |
Es entsteht eine Art Reiseführer in die Kultur des „männerdominierten | |
Verkehrswesens“, über Ausbilder, die Sätze wie „Mädels, wir machen Männ… | |
aus euch!“ sagen, kritische Beobachtungen zu Arbeitsbedingungen und | |
darüber, was der fast täglich wechselnde Schichtdienst mit einem macht | |
(„Weihnachten kannst du vergessen“), bis hin zu liebevollen Beschreibungen | |
eines Berufs, der ihr einzigartige Einblicke in das Verhalten von Menschen | |
ermöglicht. Manchmal liest sich das wie der Blick einer | |
Verhaltensforscherin, wenn sie beispielsweise über ihre Fahrerkollegen | |
schreibt: „Selbstsicher hocken sie wie große, satte Bären hinter ihren | |
Lenkrädern.“ | |
Schmidt und ihre Mitstreiterinnen – von denen einige die Ausbildung nicht | |
bis zum Ende durchziehen – begeben sich in eine Männerwelt und manchmal | |
sind sie dort alles andere als willkommen – sehen sich mit Frauenhass | |
konfrontiert. An einer Stelle schreibt Schmidt über einen Fahrlehrer: „Herr | |
Kowalski bellt ihr Befehle ins Ohr […] weil es nicht in sein Weltbild | |
passt, dass wir drei genauso gut oder schlecht Bus fahren wie seine | |
männlichen Schüler. Conny kann sich so viel Mühe geben, wie sie will, sie | |
kann seine Misogynie nicht aufbrechen.“ | |
Die harte „Wir machen das schon immer so!“-Haltung vieler verkrusteter | |
Kollegen sagt Susanne Schmidt alles andere als zu, der Beruf an sich | |
bereitet ihr hingegen großen Spaß: Sie schreibt von „Zauber“, wenn sie | |
nachts mit dem Bus unterwegs ist, von Begegnungen mit Dachsen, Füchsen und | |
Bibern. | |
Und auch von anderen interessanten Begebenheiten: „Erstaunlich, wie | |
attraktiv mich mein Bus macht. An roten Ampeln pfeifen junge Männer mir zu, | |
ältere werfen auch schon mal einen Luftkuss ins Fenster. Es gibt | |
Augenblicke voller knisternder Spannung und herrlich frecher Gesten.“ | |
Insbesondere das Ende des Buches überrascht und zeigt auf, wie Stress aus | |
einem Wunschberuf eine Sackgasse werden lässt. | |
6 Apr 2021 | |
## AUTOREN | |
Aleksandar Zivanovic | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |