# taz.de -- Das Ende der „Zuversicht“ droht | |
> Die Coronapandemie hat viele Traditionsschiffe in Not gebracht. Der | |
> „Zuversicht“ des Kieler Vereins Jugendsegeln droht sogar das Abwracken, | |
> weil für eine dringende Sanierung 1,7 Millionen Euro fehlen – derweil | |
> werden einige wenige Schiffe mit sehr viel Geld gerettet | |
Bild: Im schlimmsten Fall wird er abgewrackt: der Martsal-Schoner „Zuversicht… | |
Von Jan Zier | |
Der „Zuversicht“ aus Kiel geht es ja im Grunde besser als den meisten der | |
über 100 Traditionsschiffe im Land. Denn die stecken fast alle tief in der | |
Krise. Wegen der Coronapandemie ist ihre Saison im vergangenen Jahr | |
durchweg ausgefallen, nirgendwo konnten die Einnahmen erwirtschaftet | |
werden, mit denen die kleinen Vereine und ehrenamtlichen Projekte ansonsten | |
den teuren Unterhalt ihrer alten Schiffe sichern. | |
Auch der Verein Jugendsegeln, der den 115 Jahre alten Zweimaster | |
„Zuversicht“ betreibt, zählte statt der sonst üblichen 120 Segeltage nur | |
eine Handvoll. So fehlen schnell mehrere zehntausend Euro in der | |
Vereinskasse. Trotzdem: „Das hätten wir geschafft“, sagt Crewmitglied Sonja | |
Endres. | |
Nun aber wurde auf Geheiß der Aufsichtsbehörde der Schiffsrumpf des | |
einstigen Frachtseglers geöffnet. Seither ist klar: Viele tragende Teile | |
der größtenteils noch originalen Konstruktion aus massivem Eichenholz | |
müssen ersetzt werden, auch in den Motor und die Elektrik muss investiert | |
werden. Am Anfang war die Rede von einer halben Million Euro, und das war | |
schon viel zu viel für ein Projekt, das etwa 115.000 Euro im Jahr | |
erwirtschaftet. | |
Doch seit der ersten gutachterlichen Schätzung ist klar: Die Kosten zur | |
Rettung eines der ältesten noch fahrenden, einst legendären Marstal-Schoner | |
liegen bei 1,7 Millionen Euro. „Die Zahl hat uns schockiert“, sagt Endres. | |
Denn der jährliche Etat für Instandhaltungsarbeiten des 150 Mitglieder | |
starken Vereins liegt bei 65.000 Euro. Die Alternative: Das Schiff wird | |
abgewrackt. „Das ist die allerletzte Option“, sagt Endres. | |
## Ende einer Ära | |
„Das wäre das Ende einer Ära“, sagt Skipperin Meike Holland. Und das | |
unweigerliche Aus für all die Törns mit Schulklassen und Jugendgruppen, die | |
der Verein seit 2000 alljährlich organisiert hat, das Bildungsprojekt | |
Klimasail etwa, das seit 2011 über den Klimawandel aufklärt. | |
„Wir benötigen schnelle Zuschüsse“, sagt der Vorsitzende des Dachverbands | |
der deutschen Traditionsschiffe, Jan-Matthias Westermann. Er ruft die | |
Regierungen in Bund und Land zu Hilfe auf, damit die Traditionsschiffe | |
nicht in großer Zahl von der Bildfläche verschwinden. Dabei gehe es nicht | |
um kommerzielle Interessen: „Wir sind Non-Profit-Organisationen.“ Die | |
Schiffseigner seien für den Betrieb dringend auf Einnahmen durch Ausfahrten | |
angewiesen. Schon die laufenden Ausgaben zu decken, sei oft problematisch, | |
hinzu kommen die Auflagen der Sicherheitsverordnung, die termingerecht | |
erfüllt werden müssen. | |
Landauf, landab gibt es deshalb gerade Spendenkampagnen und | |
Crowdfunding-Initiativen. Der 1909 gebauten „Sigandor“ aus Flensburg | |
beispielsweise fehlen insgesamt 35.000 Euro zum Überleben, bei der | |
„Fridthjof“ aus Lübeck sind es über 30.000 Euro, und auch die „Johanne�… | |
mit der die Lübecker Arbeiterwohlfahrt Törns für Menschen mit | |
Suchterkrankungen, Behinderungen oder psychischen Beeinträchtungen | |
anbietet, fehlen rund 10.000 Euro. Ähnlich sieht es beim Deutschen | |
Jugendwerk zur See aus, das vier Traditionsschiffe ehrenamtlich betreibt. | |
Wieder andere, wie die „Freedom“ aus Kiel, behelfen sich, indem sie ihr | |
Schiff stilllegen und ein Bistro daraus machen. | |
Die „Zuversicht“ aber soll in Fahrt bleiben. Inzwischen sind erste Spenden | |
eingegangen, es gibt Gespräche mit Stiftungen und im Januar sollen | |
Politiker*innen aus dem Bundes- und dem Landtag an Bord zu Besuch kommen. | |
Ein Gerüstbauer hat seine Hilfe angeboten, erzählt Endres, Bootsbauer | |
wollen für den halben Lohn arbeiten, ein Fundraising-Team des Vereins, zu | |
dem auch Endres gehört, hat seine Arbeit aufgenommen. Doch von eineinhalb | |
Millionen Euro ist die „Zuversicht“ weit entfernt. | |
## Für andere ist Geld da | |
Andere Schiffe habe da mehr Lobby. Die „Seute Deern“ etwa, jahrzehntelang | |
so etwas wie das Wahrzeichen Bremerhavens. 2019 war der zuletzt als | |
Restaurant genutzte Dreimaster im Alter von 100 Jahren gesunken. Dem | |
Deutschen Schifffahrtsmuseum, dem er seit dessen Eröffnung gehörte, fehlten | |
all die Jahre die Mittel, um das Schiff instand zu halten. Dank der | |
Kontakte örtlicher SPD-Politiker bewilligte der Haushaltsausschuss des | |
Deutschen Bundestages aber über 40 Millionen Euro für einen Nachbau – der | |
dann aber höchstens aus Stahl sein könnte und nicht aus Holz, so wie das | |
Original. Vielleicht wird mit dem Geld aber auch ein ganz anderes | |
Segelschiff nachgebaut. Segeln wird es aber nicht. | |
Noch mehr Geld gibt es für das Marine-Schulschiff „Gorch Fock“. Die Kosten | |
für die Sanierung des Dreimasters sind von anfänglich zehn Millionen auf | |
inzwischen 135 Millionen Euro gestiegen und das Schiff ist noch gar nicht | |
fertig restauriert. Zuletzt machte das Schiff erneut Schlagzeilen, | |
illegales Tropenholz soll verbaut worden sein. Eine Klage, die einen | |
sofortigen Baustopp erreichen wollte, wurde abgewiesen – zum einen wurde | |
ein Großteil dieses Holzes schon verbaut, zum anderem sei auch das „nicht | |
zwingend unumkehrbar“, entschieden die Richter*innen. Vielleicht kostet es | |
also auch noch mehr Steuergeld. | |
4 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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