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# taz.de -- Nobelpreis für ein umstrittenes Verfahren
> Die Genschere Crispr/Cas9 weckt Hoffnungen in der Medizin und Ängste in
> der Landwirtschaft
Mit der Genschere Crispr/Cas9 erhielt am Mittwoch eine der erfolgreichsten
und zugleich umstrittensten biotechnologischen Erfindungen der vergangenen
Jahre den Nobelpreis für Chemie. Schnell hat das Werkzeug, mit dem sich das
Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen manipulieren lässt, in Labors rund
um die Welt Einzug gehalten. Entwickelt haben das Verfahren maßgeblich zwei
Forscherinnen: die französische Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier (51),
die derzeit am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin
arbeitet, und Jennifer Doudna (56), Biochemikerin in den USA. Am Mittwoch
erhielten beide die mit umgerechnet 856.000 Euro dotierte Auszeichnung.
Im Grunde baut Crispr/Cas9 auf einem uralten System der Virenabwehr von
Bakterien auf: Crispr-Sequenzen sind Abschnitte im Bakterienerbgut, in die
Bruchstücke des Genoms von Angreifern – etwa Viren – eingebaut werden. Mit
deren Hilfe erkennen Zellen, wenn der gleiche Eindringling nochmals
auftaucht und sich im Genom einnistet. Dann kann er mit dem an Crispr
gekoppelten Enzym Cas wieder herausgeschnitten werden. Charpentier und
Doudna gelang auf diesem Wissen aufbauend, DNA gezielt zu entfernen,
einzufügen und zu verändern. Die damit verbundenen Möglichkeiten sorgen für
große Hoffnungen, etwa auf die Heilung von Krebs und auf eine effektivere
Landwirtschaft: „Wenn wir Pflanzen wollen und brauchen, die resistent sind
gegen Wetterkapriolen und Klimawandel, die weniger Pflanzenschutzmittel
benötigen, dann sollten wir verantwortungsvoll über eine differenzierte
Zulassung solcher Verfahren für die Pflanzenzucht diskutieren“, sagte
Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) zu der Entscheidung in Stockholm.
Diese sei „dazu ein weiterer Anstoß.“
Die Auszeichnung stößt allerdings auch auf deutliche Kritik: „Das ist ein
Nobelpreis für die Büchse der Pandora“, urteilt die Organisation
Testbiotech. „Diese Technologie und der Nobelpreis bedeuten eine enorme
Herausforderung und Verantwortung für alle Beteiligten. Ihr Einsatz brauche
klare Grenzen.“
„Crispr/Cas ermöglicht umfassende Manipulationen am Genom, das zeigt die
Nobelpreis-Verleihung einmal mehr“, sagt Daniela Wannemacher,
Gentechnik-Expertin beim Umweltverband BUND. Umso wichtiger sei es, dass
mit Blick auf die Anwendungen das Vorsorgeprinzip gesichert sei.
„Entsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof 2018 gefordert, dass
Verfahren wie Crispr/Cas dem europäischen Gentechnikrecht unterstellt
bleiben“, sagt Wannemacher. Ohne Risikoprüfung, Zulassung und Kennzeichnung
nach der EU-Gentechnik-Freisetzungsrichtlinie dürften deshalb keine
Crispr-Pflanzen auf den Acker und keine Crispr-Tiere in den Stall. (hol,
dpa)
8 Oct 2020
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