Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Buirer für Buir: Ein gallisches Dorf in NRW
> Die „Buirer für Buir“ haben den Hambi mitgerettet und doch gibt es für
> sie keinerlei Grund aufzuhören
Von Stefan Hunglinger
Buir, das sind etwa 1.600 Haushalte, zwei Kindergärten und ein S-Bahnhof
auf der Strecke Köln–Aachen. Buir, das war jahrhundertelang unbehelligtes
Leben und jahrezehntelang Maloche am Rand des Bürgewaldes. Dieser Wald,
beziehungsweise ein kleiner Rest davon, sollte sich in den letzten Jahren
jedoch zu einem internationalen Symbol des Widerstands gegen
Umweltzerstörung und die klimaschädliche Kohlewirtschaft wandeln. Ganz vorn
dabei beim harten und preiswürdigen Kampf um den Hambacher Wald: Die lokale
Initiative „Buirer für Buir“.
Dabei war Klimapolitik für die „Buirer „anfangs gar nicht zentral, erzählt
Mitgründerin Antje Grothus, die ihr Engagement mittlerweile zum Beruf
gemacht hat. Dass 2003 dem sich voranfressenden RWE-Tagebau zuliebe die
Autobahn A4 aus dem Wald nahe an das Dorf heran verlegt werden sollte,
provozierte den ersten Widerstand. „Die Initialzündung war eine
Infoveranstaltung der Bezirksregierung“, erklärt Grothus’ Mitstreiter
Andreas Büttgen, „wir sind dabei als Bürger behandelt worden wie das
Letzte.“ Sein Demokratieverständnis, sagt Büttgen, der hauptberuflich als
Nachhaltigkeitsmanager einer Versicherung arbeitet, sei damals ins Wanken
gekommen.
Doch die aufgebrachten Bürger:innen um Grothus und Büttgen herum bleiben
nicht untätig. Ein „Lenkungskreis“ trifft sich seitdem wöchentlich in
Büttgens Wohnzimmer, informiert und mobilisiert. Die Doppelstrategie
damals: Wenn die Verlegung der Autobahn verhindert werden kann, wird der
Tagebau stillgelegt werden müssen und auch der Wald erhalten. 2007 dann
folgt die Gründung eines Vereins, der heute etwa 100 Mitglieder aus ganz
Deutschland versammelt. Denn längst stehen die „Buirer für Buir“ für mehr
als ein rein lokales Anliegen. Nicht zuletzt der enge Kontakt zu den
radikalen Aktivist:innen, die seit 2012 den Hambi besetzten, weitete den
Blick für Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes und machen die Buirer
Initiative zum Teil der global aktiven Klimabewegung.
## Der Hambi bleibt bedroht
Die Pacific Climate Warriors von den pazifischen Inselstaaten traf Antje
Grothus bereits am Hambacher Wald, auch Vertreter:innen des indigenen
Standing Rock Revervats aus den USA. „Unser Selbstverständnis ist heute“,
erzählt Andreas Büttgen, „lokaler Ansprechpartner der Klimabewegung zu sein
und durch unsere Kenntnisse der Strukturen zwischen Unternehmen und Politik
den Kohle-Widerstand zu unterstützen.“
Auch ein Wohnwagen und Zelte wurden durch die Ini für die Mahnwachen am
Hambi angeschafft – und ein alter Feuerwehrwagen samt Lautsprecher, der
Großdemos begleiten kann, etwa im 40 Kilometer entfernten Garzweiler. Denn
das Engagement der „Buirer für Buir“ endete keineswegs mit der
Gerichtsentscheidung, die 2018 die Rodung des Hambi stoppte. Die Initiative
ist längst in übergreifenden Bündnissen präsent, die den Strukturwandel weg
von der Kohle gestalten sollen. Grothus vertrat die vom Tagebau betroffenen
Anwohner:innen in der nationalen Kohlekommission, im
zivilgesellschaftlichen Koordinierungskreis Strukturwandel stellen sich die
„Buirer“ gemeinsam mit 20 anderen Gruppen der Frage nach der Zukunft der
Arbeit im Rheinischen Revier. Es geh um ein Gegengewicht zu den Planungen
der Landespolitik, so Andreas Büttgen.
Aber auch vor Ort in Buir geht der Kampf weiter. „RWE baggert bis 50 Meter
an den Wald heran“, erklärt Büttgen, „dabei wissen wir aus einer Studie,
dass die Hitze aus dem Tagebau den Wald gefährdet. Es bräuchte einen Puffer
von 500 Metern.“ Auch gegen eine „Verinselung“ des Hambi inmitten von
Kiesgruben für den Tagebau gelte es zu mobilisieren. „Dieses Problem war
niemandem bewusst zuvor, wir drängen jetzt auf ein Veto der Stadt Kerpen.“
Doch das Engagement der „Buirer für Buir“ erntet nicht nur Applaus. Es gab
Morddrohungen, berichtet Andreas Büttgen. Und vor Antje Grothus Privathaus
protestierten 2018 100 RWE-Mitarbeitende und Gewerkschafter. Die Aktivistin
setzt weiter auf Dialog: „Die sicheren, zukunftsfähigen Arbeitsplätze
liegen nicht in der Kohle. Wer den Menschen etwas anderes sagt, belügt
sie.“
Die Initiative im Netz: [1][buirerfuerbuir.de]
26 Sep 2020
## LINKS
[1] http://buirerfuerbuir.de
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.