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# taz.de -- Eurozone könnte um 12 Prozent schrumpfen
> Die Prognosen der EZB sind düster. Für 10,14 Millionen Deutsche wurde
> Kurzarbeit beantragt
Von Ulrike Herrmann
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat neue Szenarien zu der Frage
präsentiert, welche Folgen die Coronapandemie für die Eurozone haben
könnte. Im schlimmsten Fall könnte die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr
um 12 Prozent einbrechen. Im besten Fall würde das Minus nur 5 Prozent
betragen. Entscheidend wird sein, wie schnell die Kontaktsperren enden.
Die EZB will vorerst abwarten und hat daher auf ihrer Sitzung am Donnerstag
noch keine weiteren Notmaßnahmen beschlossen. EZB-Präsidentin Christine
Lagarde versicherte jedoch, dass die Zentralbank ihr Kaufprogramm für
Anleihen jederzeit ausweiten könne. Im März hatte die EZB entschieden, bis
Ende des Jahres zusätzliche 750 Milliarden Euro einzusetzen, um Anleihen
von Eurostaaten und Unternehmen zu erwerben. Lagarde erklärte nun, dass der
EZB-Rat bereit sei, den Umfang dieses Notprogramms „so weit und so lange
wie nötig anzupassen“.
Die EZB kauft Anleihen, um die Zinsen für einzelne Eurostaaten zu drücken.
Dazu legt sie ihr Mandat sehr großzügig aus. Eigentlich darf die EZB nur
maximal ein Drittel der Staatsanleihen eines Eurolandes erwerben; zudem
müssen die Papiere aller Eurostaaten gekauft werden – und zwar abhängig von
ihrer ökonomischen Bedeutung. Doch diese Regeln werden momentan ignoriert,
um Ländern wie Italien gezielt zu helfen.
Die EZB kauft bereits seit 2015 Anleihen auf, um die Eurozone zu
stabilisieren. Ende März 2020 hielt die Zentralbank Papiere im Wert von
2,78 Billionen Euro in ihren Büchern. Gegen diese Kaufprogramme ist in
Deutschland wiederholt geklagt worden; für kommenden Dienstag wird ein
weiteres Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwartet.
Die Kläger werfen der EZB vor, mit ihren Anleihenkäufen eine indirekte
Staatsfinanzierung zu betreiben, was die Statuten der Zentralbank
eigentlich verbieten. Diese kritische Sicht machte sich das
Bundesverfassungsgericht 2017 weitgehend zu eigen. Allerdings wollten die
deutschen Verfassungsrichter zunächst die Meinung des Europäischen
Gerichtshofs einholen, der dann im Dezember 2018 urteilte, dass die EZB
ihre Statuten nicht verletzt.
Nun muss das Bundesverfassungsgericht endgültig entscheiden. Am Dienstag
geht es zwar offiziell um die Anleihekäufe ab 2015, doch wird das Urteil
aus Karlsruhe auch klarstellen, ob die EZB ihre Notprogramme in der
Coronakrise fortsetzen kann.
Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht die
Anleihekäufe untersagt. Denn die Eurozone würde sofort in schwerste
Turbulenzen geraten, weil die Zinsen für Länder wie Italien oder Spanien in
astronomische Höhen schießen würden.
Eine Schuldenkrise im Süden würde auch die deutsche Exportwirtschaft schwer
treffen und den hiesigen Arbeitsmarkt weiter belasten. Bislang wurde für
10,14 Millionen Menschen Kurzarbeit angemeldet, meldete die Bundesagentur
für Arbeit am Donnerstag. Dies war weit mehr, als Volkswirte prognostiziert
hatten. Besonders schlimm ist es in der Gastronomie: Dort betreffen die
Anträge 9 von 10 Beschäftigten.
Allerdings melden sich viele Betriebe zunächst vorsorglich bei den
Arbeitsagenturen. Ob sie die Kurzarbeit dann tatsächlich in Anspruch
nehmen, ist noch unklar. Die Bundesagentur rechnet damit, dass in der
Spitze 8 Millionen Menschen in Kurzarbeit sein könnten. Dies wäre ein
Negativrekord: Während der Finanzkrise ab 2008 waren nie mehr als 1,4
Millionen Menschen gleichzeitig in Kurzarbeit.
Die Zahl der Arbeitslosen beginnt ebenfalls zu steigen: Im Vergleich zum
März waren im April 308.000 Menschen mehr ohne Job. Auch das gab es noch
nie. Normalerweise werden im Frühling zusätzliche Stellen angeboten.
2 May 2020
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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