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# taz.de -- Auf Einkaufstourmit Heiko Herrlich
> Der neue Augsburger Trainer plaudert arglos aus, wie er die
> Quarantänebestimmungen der Deutschen Fußball Liga missachtet. Sein Team
> wird er nun gegen Wolfsburg nicht betreuen
Bild: Wo geht es zum nächsten Supermarkt? Nein, Heiko Herrlich (r.) und sein C…
Von Maik Rosner
Von einer „kompletten Umstellung für uns alle“ sprach Heiko Herrlich, als
es um die neuen Verhaltensregeln wegen der Coronapandemie ging.
Beispielsweise beim Einkaufen im Supermarkt, für das nun das Tragen einer
Maske und das Schieben eines Wagens vorgeschrieben ist. Um zu
verdeutlichen, welch große Umstellung diese Vorgaben für ihn bedeuten,
erzählte der Trainer des FC Augsburg also am Donnerstag auf der virtuellen
Pressekonferenz von seinem Ausflug im Trainingsanzug in einen Supermarkt,
weil bei ihm Zahnpasta und Hautcreme knapp geworden waren.
Es ging um die neuen, aber nach allen bisherigen medizinischen
Erkenntnissen sinnvollen Umständlichkeiten, die man erst verinnerlichen
muss. Es ging um seinen zunächst vergessenen Mundschutz, einen vergessenen
Einkaufswagen und um etliche Banalitäten mehr. Am Ende, berichtete
Herrlich, sei er froh um seine Schutzmaske und die damit wahrscheinlich
verbundene Anonymität vor der Verkäuferin gewesen. „Weil die hätte dann
auch gedacht: Was haben wir da für einen Trainer geholt?“
Es war eine eigentlich nette Anekdote, und Herrlichs Intention schien von
dem Motiv getragen zu sein, sich selbstironisch als ganz normalen und mit
den neuen Regeln noch fremdelnden Bürger zu beschreiben. Das Problem der
Geschichte war nur, dass Herrlich an diesem Samstag sein Ligadebüt als
Trainer des FC Augsburg gegen den VfL Wolfsburg geben sollte, weshalb er
den strengen Quarantäneregeln der Deutschen Fußball Liga (DFL) unterliegt.
Diese sehen eigenmächtige Supermarktausflüge nicht vor. Und so wird es nun
nichts mit Herrlichs Einstand. Statt 67 Tage nach seinem Amtsantritt am 10.
März als Martin Schmidts Nachfolger das erste Spiel des FCA zu coachen,
wird sich Herrlich voraussichtlich bis zur Reise zum FC Schalke am Sonntag
in einer Woche gedulden müssen.
Am Donnerstagabend hatte der FCA verkündet, dass Herrlich wegen des
Verstoßes gegen das Hygienekonzept der DFL die Mannschaft vorerst nicht
trainieren und am Samstag auch nicht coachen werde. Nach Darstellung der
Augsburger fiel diese Entscheidung auf Herrlichs Betreiben hin. Er habe
„einen Fehler gemacht, indem ich das Hotel verlassen habe“, und sei trotz
Einhalten aller gängigen Hygienemaßnahmen „meiner Vorbildfunktion gegenüber
meiner Mannschaft und der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden“, wurde
Herrlich in der Klubmitteilung zitiert, „ich werde daher konsequent sein
und zu meinem Fehler stehen“, also weder das Training leiten noch die
Mannschaft gegen Wolfsburg betreuen. Sollte er nun zweimal negativ getestet
werden, soll er seine Trainingsarbeit in der kommen Woche wieder aufnehmen
dürfen.
Dass Herrlich sich die Disziplinierungsmaßnahme selbst auferlegt hat, fällt
allerdings schwer zu glauben. Um Verständnis hatte er ja geworben, falls
Spieler sich beim Torjubel nicht an die Abstandsregeln des Hygienekonzepts
halten sollten: „Wenn wir dann anfangen, das zu kontrollieren und in den
Medien zu zeigen und das denunzieren, dann sind wir in einer Sackgasse.“
Der Fall ist zudem ein seltsamer, weil Herrlich seine Anekdote in vollem
Bewusstsein über seinen Verstoß mit den Worten eingeleitet hatte: „Wir sind
im Hotel in Quarantäne und sollen da eigentlich auch nicht rausgehen, aber
es gibt halt Situationen, die es einfach erfordern.“ Offenbar hatte er da
noch gedacht, weder im Verein noch bei der DFL werde jemand an seiner
Geschichte Anstoß nehmen.
Der Fall Herrlich zeigt wie die durch den Handyfilm von Salomon Kalou
festgehaltene Arglosigkeit bei Hertha BSC erneut Bruchstellen des
DFL-Konzepts auf. Schon deshalb, weil der 48-Jährige im Jahr 2000 einen
Hirntumor hatte. „Ich bin auch verunsichert“, hatte er im April im
Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, „ich bin, wenn man es genau
nimmt, auch ein Risikopatient. Ich habe ein beschädigtes Immunsystem durch
meine Vorerkrankung.“
Wohl noch mehr Gedanken als andere dürften Herrlich beschäftigt haben,
darunter die Abwägung des eigenen Risikos, das er mit seiner Berufsausübung
eingeht. Er hat sich für das Jobrisiko entschieden. „Ich denke, dass wir
dankbar sein müssen, spielen zu dürfen“, hatte er am Donnerstagnachmittag
gesagt und an Menschen erinnert, die wegen einer schweren Corona-Infektion
nicht einmal am TV zuschauen könnten. Nun wird er sich mit dem Fernseher
begnügen müssen und zusehen, wie sich seine Mannschaft schlägt.
16 May 2020
## AUTOREN
Maik Rosner
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