# taz.de -- Andreas Speit Der rechte Rand: Warum der antichinesische Rassismus … | |
Die Gedenktafel an der Ecke Schmuck- und Talstraße in Hamburg steht noch. | |
Sie erinnert an das „Chinesenviertel“, das es bis vor 76 Jahren dort nahe | |
der Reeperbahn gab. Das Gesicht eines chinesischen Mannes auf einer | |
Fotografie auf der Tafel wurde nun mit einem festen Klumpen Erde und Dreck | |
beschmiert. Eine Schändung, die sich in die zunehmenden Anfeindungen gegen | |
asiatisch aussehende Menschen seit dem Ausbruch der Coronapandemie | |
einreiht. | |
„Da haben sich welche Mühe gegeben und wollten ganz bewusst verletzen“, | |
sagt Rosa Fava. Ein Gesicht, ein Mensch sollte noch einmal ausgelöscht | |
werden – so wie die Nationalsozialisten es wollten. Deren Verbrechen würden | |
damit gutgeheißen, sagt Fava. Sie leitet die Praxisstelle „ju:an“, die | |
antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit leistet, und hat mit | |
der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu dieser Form der Verfolgung geforscht. | |
Erst in den vergangenen Jahren gelang es Historiker*innen und | |
Pädagog*innen, die Verfolgung der chinesischen Menschen und derer, die | |
ihnen nahestanden, während des Nationalsozialismus einer breiteren | |
Öffentlichkeit in Erinnerung zu rufen. Seit 2012 erst steht die nun | |
geschändete Tafel mit dem Foto Woo Lie Keins, der in der Schmuckstraße 7 | |
lebte. | |
Die Tafel das St. Pauli-Archivs dokumentiert eine großangelegte Razzia am | |
13. Mai 1944. Während dieser „Chinesenaktion“ nahm die Gestapo 129 | |
chinesische Männer fest, unter ihnen auch Woo Lie Kein, der an den Folgen | |
der Folter starb. Weitere 16 Männer überlebten die Aktion nicht. Die | |
Verhafteten wurden gefoltert und ins Arbeitslager deportiert. Als Grund für | |
die Razzia nannten die Verantwortlichen offiziell politische Aktivitäten, | |
Spionage und illegale Devisengeschäfte. Aber die Nationalsozialisten hatten | |
das Chinesenviertel schon früh aus rassistischen Motiven im Visier, | |
tatsächlich war die Razzia eine großangelegte „Säuberungsaktion“. | |
Mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten riegelten die Straßen ab. An | |
die 200 Männer waren im Einsatz. Unter Prügel brachten Polizisten die | |
Verhafteten in die Davidwache an der Reeperbahn. Deren deutsche | |
Partnerinnen wurden als „Chinesen-Dirnen“ und als Trägerinnen von | |
Geschlechtskrankheiten stigmatisiert und in Konzentrationslager gebracht. | |
Denn für die Nationalsozialisten waren die Chinesen eine Gefahr für den | |
„deutschen Volkskörper“. Beziehungen zu deutschen Frauen sollten durch | |
Ausweisung verhindert werden. Frauen, die von Chinesen schwanger waren, | |
rieten Ärzte zur Abtreibung. | |
Nach 1945 blieben nur etwa 30 Betroffene in Hamburg. Bis heute erhielten | |
die Überlebenden keine Entschädigung. Für die Gerichte, sagt Rosa Fava, sei | |
die Razzia nur ein normales polizeiliches Vorgehen gegen verdächtige | |
Ausländer*innen gewesen. | |
23 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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