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# taz.de -- Kein Gipfelkreuz
> Bei RB Leipzig fehlt die letzte Gier. Nach der Niederlage in Frankfurt
> bekam die Mannschaft von Trainer Nagelsmann kräftig Schelte
Bild: Eintracht Frankfurt feiert das zweite Tor durch Filip Kostic, das RB-Team…
Aus Frankfurt Frank Hellmann
Zuspruch erhielt eigentlich nur einer aus dem Bullenstall: Als Peter
Gulacsi im Erdgeschoss der Frankfurter Arena noch in seiner türkisfarbenen
Funktionskleidung nach Erklärungen für eine nicht unverdiente
0:2-Niederlage suchte, eilte Eintracht-Trainer Adi Hütter herbei. Der
Österreicher hatte den Ungar einst bereits in Salzburg betreut, und so gab
es einen kräftigen Klaps in den Nacken für den Tormann, der für die erste
Pleite des Tabellenführers RB Leipzig seit Ende Oktober am allerwenigsten
konnte. Beim Gewaltschuss von Almamy Touré (48.) besaß der 29-Jährige
ebenso wenig eine Abwehrchance wie beim von Filip Kostic abgeschlossenen
Konter (90.+4). „Es gab Elemente, die wir besser machen können“, gab
Gulacsi zu Protokoll, und wer hernach eine vertiefende Analyse benötigte,
bekam sie bereitwillig von Julian Nagelsmann auf der Pressekonferenz
geliefert.
Denn der spürbar aufgebrachte RB-Trainer stellte seinem entzauberten
Ensemble eine ganz grundsätzliche Frage: „Wollen wir das Gipfelkreuz
erreichen oder bleiben wir kurz darunter stehen und genießen die schöne
Aussicht?“ Mit der Plattform irgendwo am Berg zur gemütlichen Einkehr will
sich der nach ganz oben strebende Mountainbike-Liebhaber nicht begnügen:
„Man hat mich geholt, um Verein und Mannschaft nach vorne zu bringen. So
wirst du am Ende halt nur Vierter – wenn es gut läuft.“ Nagelsmann vermisst
die letzte Gier.
Man stehe zwar noch immer oben, „aber wenn wir 100 Prozent des Gipfels
erreichen wollen, müssen wir noch viel arbeiten. Ich weiß nicht, ob jeder
Spieler das verstanden hat. Die Entscheidung trifft jeder für sich, ob er
ein Gewinner sein will“, stellte der 32-Jährige in seiner kritischen
Bestandsaufnahme fest. Diese Entscheidung werde „zwischen den Ohren“
getroffen: „Nicht der, der am meisten darüber spricht, sondern der am
meisten Punkte holt, gewinnt am Ende.“ Er habe das Unheil ja irgendwie
schon kommen sehen; genauer gesagt beim Trainingsspiel am Mittwoch im
Trainingszentrum am Cottaweg. „Wir hatten kein gutes elf gegen elf, mit
sehr wenig Engagement und Elan. Es ist nicht so einfach auf dem Platz, wenn
man im Training nicht an die Grenze geht. Mir geht’s einfach um die paar
letzten Prozentpunkte. Da muss man hin und wieder die Finger in die Wunde
legen.“
Seine geharnischte Schelte, garniert mit einigem Wortwitz und einer Hauch
Selbstironie, darf als Weckruf verstanden werden. Nächsten Samstag kommt
Mitstreiter Borussia Mönchengladbach nach Leipzig, dann steigt das
Gipfeltreffen bei den Bayern (9. Februar). Zwischendrin steht noch das
DFB-Pokal-Achtelfinale wieder bei Eintracht Frankfurt (4. Februar) an, was
einen guten Vergleichstest ergibt, ob die Protagonisten unter dem
Red-Bull-Dach ihre Lektion verstanden haben.
Nagelsmann fürchtet, dass der in der Winterpause ausgiebig für seine
Entwicklung gefeierte Brauseklub mit seinen fast unbegrenzten Möglichkeiten
doch noch nicht reif für den ganz großen Wurf ist. „Wir sind nicht auf
einem Niveau mit Bayern oder Dortmund.“ Die Standpauke so früh zu
Rückrundenauftakt dürfte sich der Übungsleiter gut überlegt haben. Auf der
Mängelliste standen „unsaubere Zuspiele im letzten Drittel, nicht extrem
viele Torchancen“.
Auch deshalb hat Leipzig für kolportierte 20 Millionen Euro Basisablöse nun
Dani Olmo verpflichtet. Am spanischen U21-Europameister von Dinamo Zagreb
waren offenbar auch Bayer Leverkusen und Hertha BSC und internationale
Topklubs interessiert: Der 21-Jährige gilt als Mittelfeld-Juwel mit
herausragenden technischen Fähigkeiten und kann in der Offensive flexibel
eingesetzt werden, teilten die Sachsen mit. Olmo soll helfen, wieder „die
richtigen Entscheidungen zu treffen“, was Konrad Laimer als Hauptmanko der
dritten Saisonpleite ausmachte.
Zur Wahrheit gehört auch, dass Nagelsmanns Umstellungen nicht griffen:
Laimers österreichischer Landsmann Marcel Sabitzer entfaltete im defensiven
Mittelfeld kaum offensive Wirkung, Tyler Adams kam auf der ungewohnten
rechten Außenbahn nicht zurecht. Und 20-Tore-Stürmer Timo Werner bekommt
zwangsläufig Probleme, wenn ihm die Räume fehlen. Es blieben 22:7
Torschüsse und 62 Prozent Ballbesitz am 19. Spieltag ein Muster ohne Wert.
27 Jan 2020
## AUTOREN
Frank Hellmann
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