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# taz.de -- Das Land dersehr vielen
> Bald wird Nigeria die drittgrößte Bevölkerung der Erde haben. Doch schon
> heute macht das Wachstum den Menschen zu schaffen. Die Infrastruktur und
> der Arbeitsmarkt wachsen nicht schnell genug mit
Bild: Nicht nur als Zentrum der afrikanischen Kulturindustrie zieht Lagos Milli…
Tundun Aihie ist 41 Jahre alt, eine Mutter aus der Arbeiterklasse. Sie lebt
in Lagos, der größten Stadt Afrikas. Und wie Millionen von Nigerianer*innen
hat sie mit den Folgen der Bevölkerungsdichte in ihrem Land zu kämpfen.
„Jeden Morgen stehe ich vor 4 Uhr in der Früh auf“, sagt sie und kümmere
sich um ihr 16 Monate altes Baby. Um 5.15 Uhr steigt sie in ein Sammeltaxi.
„Im Durchschnitt verbringe ich täglich zwei bis drei Stunden mit dem Weg
zur Arbeit“, sagt sie. Die Dreistundenstrecke ist an einem Sonntag ohne
Berufsverkehr in 35 Minuten zu schaffen. Deutlich länger als drei Stunden
musste Aihie warten, wenn sie zu einer Schwangerschaftsuntersuchung in das
allgemeine Krankenhauses von Lagos gekommen war – obwohl sie wegen ihres
Alters auf der Liste der Patient*innen mit „Risikoschwangerschaft“ stand.
Ihr Alltag ist exemplarisch für die Herausforderungen, denen viele
Nigerianer*innen, insbesondere in den Städten, heute gegenüberstehen. Die
UN gehen davon aus, dass Nigeria bis 2050 das bevölkerungsmäßig drittgrößte
Land der Welt sein wird. Das Census Bureau der USA schätzt, dass dann 402
Millionen Menschen in Nigeria leben werden – doppelt so viele wie heute.
Die Regierung hat schon 2005 eine nationale „Bevölkerungspolitik für eine
nachhaltige Entwicklung“ beschlossen und eingeführt. Das
Bevölkerungswachstum nennenswert zu verlangsamen, vermochte sie damit
nicht: Zwischen 2005 und 2015 stieg die Zahl der Menschen im Land um 50
Millionen. Und noch immer gilt eine möglichst große Zahl von Kindern als
Statussymbol.
Dabei leben in Nigeria die weltweit höchste Anzahl von Kindern, die keine
Schule besuchen. Die öffentlichen Schulen sind schlecht ausgestattet. Zwar
gibt es deshalb überall im Land private Bildungseinrichtungen, von der
Grundschule bis zur Universität. Doch die sind in der Regel zu teuer für
die meisten Menschen. Die Folge ist eine wachsende Zahl junger
Nigerianer*innen, die schlecht auf den Arbeitsmarkt vorbereitet ist.
Auch die Arbeitslosigkeit ist durch das Bevölkerungswachstum hoch, ebenso
wie die Lebenshaltungskosten. Viele Nigerianer*innen wiederum sind durch
diese gezwungen, zwei Jobs zu haben: einen Tagesjob und das, was allgemein
als „Nebenjob“ bezeichnet wird.
Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Land entscheiden sich
viele Menschen für die Migration. Manche geraten dabei in die Hände von
Menschenhändlern, die Frauen nach Europa bringen und dort zur Prostitution
zwingen (siehe Seite 3). Andere sterben auf dem Weg durch die Sahara oder
ertrinken im Mittelmeer. Der nigerianisch-italienische Filmemacher Alfie
Nze weist in seiner „Unerzählten Geschichte der Nigerianer in Italien“
darauf hin, dass nicht etwa Menschen aus dem kriegszerrütteten Syrien die
größte Gruppe unter den Papierlosen in Italien sind – es sind vielmehr
Nigerianer*innen.
Denn der Jugend fehlt es an Perspektiven im eigenen Land. Das
Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt heute bei 17,9 Jahren. Und mehr
als die Hälfte der Menschen in Nigeria ist unter 30 Jahre alt.
Die Infrastruktur hält mit diesem Bevölkerungswachstum nicht Schritt. Das
Leben in Lagos ist geprägt von ewigen Staus und einem schlechten
öffentliches Verkehrssystem, den Wohnungsmarkt dominieren minderwertige
Häuser in den Townships, die zu exorbitanten Preisen vermietet werden.
All das bedeutet nicht, dass das Land insgesamt im Niedergang wäre. Nigeria
ist heute für viele Investoren ein Ziel. Die große Bevölkerung in
Kombination mit den hohen Preisen machen es zu einem verlockenden Markt.
Lagos ist die Hauptstadt der Kreativwirtschaft, Musik, Mode, visuelle
Kunst, Literatur und Filme sind in Afrika nicht mehr dieselben, seit
Nigeria seine kreative Energie entdeckt hat. Das Land zieht einflussreiche
Persönlichkeiten aus dem Showgeschäft an – denn hier wartet ein riesiges
Publikum.
Doch wenn es der die nigerianischen nicht gelingt, die Zahl der Geburten zu
begrenzen und den Ausbau der Infrastruktur zu beschleunigen, wird die
Entwicklung des Landes stocken. Denn dann werden jene, deren Fähigkeiten
gebraucht werden, es verlassen, um anderswo ein neues Leben zu beginnen.
24 Jan 2020
## AUTOREN
Yinka Olatunbosun
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