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# taz.de -- Feindliche Allianzen
> Jeffrey Herf hat eine äußerst verdienstvolle Studie über die Aufrüstung
> der arabischen Feinde Israels durch die DDR und die Kooperationen der
> westdeutschen Linken vorgelegt
Bild: Palast der Republik, 1978: eine Delegation der PLO unter der Leitung von …
Von Stephan Grigat
Seit Anfang der 1990er Jahre hat ein Wandel in der antizionistischen
Agitation stattgefunden: Während in den Jahrzehnten des Kalten Krieges ein
antiimperialistischer „Befreiungsnationalismus“ der zentrale Bezugspunkt
war, hat sich in den letzten drei Dekaden ein abstrakter Antinationalismus
und geschichtsloser Universalismus zur maßgeblichen Legitimation des
Antizionismus gemausert. Die Nazis unterstellten den Juden noch, sie seien
zur Gründung eines „echten“ Staates gar nicht in der Lage.Der maßgebliche
Text des Nationalsozialismus zum Zionismus stammt von Hitlers Chefphilosoph
Alfred Rosenberg, der das jüdische Staatsgründungsprojekt als
„staatsfeindlich“ qualifizierte.
Auch der „Führer“ selbst attestierte den Juden, sie seien „mangels eigen…
produktiver Fähigkeiten“ zu einem „Staatsbau räumlich empfundener Art“ …
nicht in der Lage. Das fand seinen Nachhall in den 1970er Jahren im linken
Gerede von Israel als „künstlichem Gebilde“, bei dem sich schon immer die
Frage aufdrängte, ob andere Staaten denn am Baum gewachsen sind.
Heute jedoch werfen Antizionisten den israelischen Juden vor, sie würden
starrsinnig an ihrem Staat und ihrer Nation festhalten, obwohl das Konzept
der Nationalstaatlichkeit historisch doch längst obsolet sei: Der Zionismus
sei als Nationalismus heute nur mehr ein „Anachronismus“, wie Tony Judt es
zu Zeiten der zweiten Intifada für die globale Linke ausbuchstabiert hat.
Doch trotz dieses Wandels wurden die Grundlagen für die gegenwärtige
Agitation im Kalten Krieg gelegt.
Der US-amerikanische Historiker Jeffrey Herf zeigt in seiner seit 2016 auf
Englisch vorliegenden und nun auf Deutsch erschienenen Studie zum
Verhältnis der DDR und der westdeutschen radikalen Linken zum jüdischen
Staat, dass die Indienstnahme einer Rhetorik der Menschenrechte im Krieg
gegen Israel insbesondere im ostdeutschen, seinem Selbstverständnis nach
„ersten antifaschistischen Staat auf deutschem Boden“ perfektioniert wurde.
Der Geschichtsprofessor an der University of Maryland zeigt, wie durch die
Punzierung des jüdischen Staates als Nachfolger Nazideutschlands in den
Verrenkungen des Ostblockmarxismus und des westdeutschen linken
Antizionismus die Angriffe auf Israel in die Tradition des Antifaschismus
gehoben wurden. Mit ihrer antiisraelischen Propaganda haben die linken
Antizionisten der 1970er und 80er Jahre „ein toxisches ideologisches
Gebräu“ hinterlassen, das bis heute seine Schatten auf die politischen
Debatten werfe.
Als Grund für die antizionistische Orientierung der DDR-Führung sieht er
eine Mischung aus ideologischer Überzeugung und nationalem Interesse: Die
antiisraelische Politik stand nicht nur in Übereinstimmung mit der
Legitimationsideologie des Marxismus-Leninismus, sondern spielte auch eine
entscheidende Rolle in der DDR-Außenpolitik: Die Unterstützung der Feinde
Israels ermöglichte es Ostberlin, sich aus der internationalen Isolation zu
befreien und mit Hilfe der arabischen und zahlreicher afrikanischer Staaten
zum anerkannten UN-Mitglied zu werden, als das es sich sogleich vehement
für die 1975 verabschiedete UN-Resolution zur Gleichsetzung von Zionismus
und Rassismus einsetzte.
Ein besonderes Verdienst von Herfs Studie ist die ausführliche Darstellung
der Versuche von israelischen Gesandten vor den Vereinten Nationen und von
jüdischen Gemeindefunktionären in Westdeutschland, vor den Gefahren des
linken Antizionismus und der Kooperation der Ostblockstaaten mit arabischen
Antisemiten zu warnen.
Heinz Galinski, der langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in
Berlin und eine der deutlichsten Stimmen in dieser Hinsicht, war jedoch
nicht nur mit der antizionistischen Propaganda der radikalen Linken und der
DDR konfrontiert, sondern auch mit der Regierung Willy Brandts, deren
skandalöse Postulierung einer „neutralen Haltung“ im für Israel
existenzbedrohenden Jom-Kippur-Krieg und deren massive Behinderung dringend
benötigter US-amerikanischer Waffenlieferungen an Israel über deutsche
Häfen Herf ebenfalls in seine Darstellung einbezieht.
## Vernichtungsfantasien
Ausgehend von bereits vorliegenden Arbeiten zeichnet Herf die Kooperation
der militanten Linken der BRD mit der PFLP und anderen bewaffneten
palästinensischen Organisationen nach. Sein Schwerpunkt liegt aber bei der
Aufarbeitung jener Dokumente, welche die umfassende, lange Zeit geheim
gehaltene Kooperation der DDR mit den Todfeinden Israels belegen. So sehr
er die Bedeutung eines militanten linken Israelhasses in der BRD vor dem
Hintergrund der NS-Vergangenheit herausstreicht, betont Herf doch, dass es
die staatliche militärische Unterstützung der arabischen Staaten und der
PLO durch die Ostblockstaaten war, welche die Ereignisse im Nahen Osten
entscheidend beeinflusst hat.
Syrische, irakische und libysche Politiker haben sich gegenüber
DDR-Funktionsträgern immer wieder über ihre Vernichtungsfantasien bezüglich
Israel ausgelassen. Das wurde von Ostberlin in internen Stellungnahmen zwar
mit Missfallen registriert, hatte aber keine Auswirkung auf die enge
Kooperation insbesondere mit Ägypten und Syrien, die sich Anfang der 1970er
Jahre anschickten, mit ihren Vernichtungsdrohungen durch einen
Angriffskrieg ernst zu machen. Möglich wurde der Jom-Kippur-Krieg 1973 nur
durch die massive Aufrüstung der mit Israel verfeindeten arabischen
Diktaturen durch die Staaten des Warschauer Paktes – auch durch die DDR,
die zudem militärische Ausbildung auf ihrem Territorium anbot.
Herf dokumentiert das Ausmaß der militärischen und geheimdienstlichen
Kooperation Ostdeutschlands mit den arabischen Staaten bis Ende der 1980er
Jahre. Die Waffenlieferungen der DDR trugen unmittelbar zu den Verlusten
auf israelischer Seite bei, insbesondere während des Jom-Kippur-Kriegs,
während dem die DDR nicht nur Kampfjets, sondern auch NVA-Soldaten nach
Syrien verlegte. In dem von Herf untersuchten Zeitraum wurden über 6.000
israelische Soldaten in den arabisch-israelischen Kriegen getötet und mehr
als 21.000 verletzt. Hunderte Zivilisten wurden bei palästinensischen
Terrorangriffen in Israel ermordet. Herf betont, dass Israel „durch
Waffengewalt zerstört worden wäre“, wenn die arabischen und
palästinensischen Verbündeten der DDR erfolgreich gewesen wären.
Angesichts neu aufflammender Debatten in der deutschen Linken, ob es nicht
geboten sei, zwischen einem klar antisemitischen Antizionismus einerseits
und einem „geschichtsbewussten“, emanzipativ-universalistischen
Antizionismus andererseits zu unterscheiden, sei auf Herfs Fazit verwiesen,
dass es für jene Israelis, die in den Jahrzehnten des Kalten Krieges
getötet oder verwundet wurden, keinen Unterschied machte, ob ihre Feinde
durch klassische und offene Judenfeindschaft motiviert waren (so wie
beispielsweise der langjährige syrische Verteidigungsminister Mustafa
Tlass, dessen Machwerk „The Matzo of Zion“ von Herf als ein Klassiker des
arabisch-nationalistischen Antisemitismus ausgiebig gewürdigt wird) oder
durch „den trendigeren Antizionismus der weltweiten Linken“.
Die Idee, die Zerstörung des jüdischen Staates habe nichts mit dem Hass auf
Juden zu tun, markiert Herf als eine der zentralen Illusionen der damaligen
Linken – eine Illusion, die sich bis heute bei jenen linksradikalen
Universalisten gehalten hat, die allen Ernstes meinen, den Nahostkonflikt
durch die Brille eines rätekommunistisch verstandenen, von der Geschichte
des Nationalsozialismus in keiner Weise affizierten Klassenantagonismus
interpretieren zu können.
Herfs detaillierte und materialreiche Studie ist ein wichtiger Beitrag zur
Diskussion über Antisemitismus in der Linken, und es bleibt zu hoffen, dass
auch seine ausgesprochen instruktiven Studien „Nazi Propaganda in the Arab
World“ und „The Jewish Enemy“ bald in deutscher Übersetzung erscheinen.
21 Dec 2019
## AUTOREN
Stephan Grigat
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