# taz.de -- Sarkozy versucht’s noch mal – zumindest auf Papier | |
> Frankreichs Ex-Präsident hat bisher jeden Karriereschritt mit einem neuen | |
> Buch eingeläutet. Was dräut den Franzosen nun? Ein Ortstermin in Bordeaux | |
Bild: Bisschen Glamour: Zur Pariser Signierstunde begleitete Sarkozy seine Frau… | |
Aus Bordeaux Rudolf Balmer | |
Stolz zeigt Sophie ihr signiertes Buch. „Pour Sophie“ steht vor der | |
Unterschrift. Kurz zuvor hat sich die Sekretärin neben dem Autor des Buches | |
fotografieren lassen, dem früheren Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Er | |
ist ihr Idol. „Sarkozyste un jour, Sarkozyste toujours!“ („Sarkozy ein Mal | |
und für immer“), schwärmt sie mit einem früheren Wahlkampfslogan. „Er hat | |
ein Charisma wie kein anderer, das wissen doch alle!“, schwärmt Sophie. | |
„Und er hat dieses Staatsmännische, das auch unserem gegenwärtigen | |
Präsidenten abgeht.“ | |
An diesem Freitag in Bordeaux, in einem Saal der Librairie Mollat, einer | |
größten unabhängigen Buchhandlungen Europas, haben sich heute die Fans des | |
64-jährigen Ex-Präsidenten versammelt. Der signiert hier routiniert sein | |
neuntes und neuestes Buch „Passions“, dass Ende Juni erschienen ist. | |
Bücher zu verkaufen und damit das Medieninteresse auf sich zu ziehen, | |
darauf versteht sich Sarkozy. In der ersten Woche nach Erscheinung wurden | |
von seinem Buch bereits mehr als 100.000 abgesetzt. „Passions“ steht auf | |
Platz eins der Bestsellerliste in der Sparte „Essays“. Ein „Has been“ s… | |
damit plötzlich wieder im Rampenlicht. | |
Zum großen Gefallen der fast 400 Personen aller Altersgruppen, die mit | |
ihrem Buch unterm Arm anstehen. Die haben wie Sophie nur positive | |
Erinnerungen an Sarkozys Präsidentschaft von 2007 bis 2012. „On le | |
regrette“ („Er fehlt uns“), heißt es. | |
Die Nostalgie ist eben symptomatisch für eine echte Nachfrage, die der | |
Tournee des „Ex“ durch die Buchhandlungen eine politische Bedeutung | |
verleiht. Im Raum steht nämlich die Frage: Wer soll heute die Führung der | |
konservativen Rechten verkörpern? Die Antwort der Fans: „Wer, wenn nicht | |
Sarkozy?“ Das bestätigt eine kürzliche Umfrage nach der Wahl zum | |
Europäischen Parlament im Mai: Für 58 Prozent der Sympathisanten der Partei | |
Les Républicains ist und bleibt Sarkozy – weit vor allen anderen Genannten | |
– ihr „Boss“. | |
Nach zwei Stunden Signieren ist der nun sichtlich erschöpft. Der | |
schwitzende 64-Jährige hat längst seine Anzugsweste ausgezogen. Er hat sich | |
bemüht, sich von der Anstrengung nichts anmerken lassen vor seinen | |
Anhängerinnen und Anhängern, die ihrerseits mehr als eine Stunde in der | |
brütenden Hitze im Stadtzentrum von Bordeaux geduldig auf diesen Moment | |
gewartet haben. | |
Warum nimmt Sarkozy diese ermüdende Übung überhaupt auf sich, warum zieht | |
er für Signierstunden durch das Land? Er selbst würde es wohl mit dieser | |
Passage seines Buchs erklären: „Was immer ich gemacht habe, war, um von den | |
Franzosen geliebt zu werden.“ Der Dauer dieser Beziehung gewiss fügt er | |
später mit dem Pathos eines frisch Verliebten an: „Zwischen mir und | |
Frankreich, wird es nie zu Ende gehen.“ Immerhin: Beim Signieren kann er | |
sich der Bewunderung und Zuneigung des Publikums gewiss sein. | |
Für die Sympathisanten tut es nichts zur Sache, dass er sich in ein paar | |
Monaten wegen mutmaßlicher Bestechung eines Richters und vermutlich wenig | |
später im Zusammenhang mit der betrügerischen Wahlfinanzierung seiner | |
Präsidentschaftskampagne von 2012 noch einmal vor Gericht verantworten | |
muss. Auch dass in Frankreich laut einer jüngsten Umfrage des | |
Meinungsforschungsinstituts IFOP 76 Prozent aller Befragten nicht wünschen, | |
dass Sarkozy in die Politik zurückkehrt, beeindruckt sie kaum. | |
Der 67-jährige Philippe Lecorne etwa, ein Kaufmann im Ruhestand, gibt sich | |
in der Warteschlange als loyaler Parteisekretär von Les Républicains im | |
benachbarten Departement Charente zu erkennen. „Für mich ist Sarkozy der | |
größte Präsident der 5. Republik“, sagt Lecorne. „Was ihm missgünstige | |
Journalisten und Kreise um François Hollande angetan haben, ist monströs! | |
Dabei hat er doch in der Finanzkrise die französischen Banken gerettet, und | |
uns hat das keinen Cent gekostet.“ | |
Für Lecorne, der Sarkozy eine Flasche Cognac aus seiner Produktionsgegend | |
mitgebracht hat, steht fest: „Er ist für uns der einzige Ausweg, denn er | |
ist als Einziger in der Lage, das Land wieder in Gang zu bringen.“ | |
Sarkozys Freunde wie Gegner glauben fest daran, dass er eines Tages als | |
„homme providentiel“ (wie ein Mann der „Vorsehung“) an die Macht | |
zurückkehren möchte – auch wenn Sarkozy am letzten Sonntag in einem | |
Fernsehinterview mit dem Sender France-2 nochmals jegliche | |
Comeback-Absichten dementiert hat. Er erklärte, sein Platz sei „definitiv | |
nicht mehr in der Parteipolitik“. | |
Doch seine Partei, Les Républicains (LR), steckt nach der Schlappe bei der | |
EU-Wahl (8,44 Prozent für die LR-Liste) führungslos in einer Existenzkrise. | |
Bei den Konservativen keimt die verzweifelte Hoffnung, dass Sarkozy, der | |
schon in anderen politischen Notlagen als Retter auftrat, die bürgerliche | |
Rechte zu neuen Siegen führen werde. | |
Doch „Passions“ ist nun kein politisches Manifest, sondern, wie der Titel | |
verrät, eine Lebensgeschichte patriotischer „Leidenschaften“ vor und hinter | |
den Kulissen. Es ist die autobiografische, stellenweise sentimentale oder | |
gar narzisstische Schilderung der einmaligen Karriere des Sohns eines | |
eingebürgerten Ungarn. Einen besonderen Platz nimmt darin Jacques Chirac, | |
sein Förderer und Mentor, ein, mit dem er sich zerstritten und wieder | |
versöhnt hat. Er habe aus seinen Fehlern und Niederlagen mehr gelernt, | |
gesteht Sarkozy, der sich damit bei seinen Kritikern und Gegnern eine neue | |
Chance in der Zukunft ausbedingt. | |
Ob er diese je bekommt, darüber werden wohl demnächst die Richter | |
entscheiden. Dem jetzigen Staatschef Emmanuel Macron gibt Sarkozy mit: „Die | |
Jugend ist ein großer Trumpf für die Eroberung der Macht, wenn diese | |
ausgeübt wird, verwandelt sie sich in eine Schwäche.“ | |
Nicht alle Porträts der Weggefährten, die Sarkozy in seinem Buch erwähnt, | |
sind schmeichelhaft. Aber kein einziges ist so vernichtend wie das Urteil | |
über François Fillon, seinen damaligen Premierminister und späteren Rivalen | |
bei den Vorwahlen zur Nominierung des LR-Kandidaten bei den | |
Präsidentschaftswahlen 2017. Ihm schreibt der frühere Staatspräsident eine | |
„doppelte Persönlichkeit“ zu. Fillon konterte auf die Attacke: „Nicolas | |
Sarkozys Leidenschaft für sich selber wird nur durch seine Rachsucht | |
gegenüber allen übertroffen, die es wagen, ihn herauszufordern.“ | |
Dass Sarkozys Erinnerungen 2007, auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, enden, | |
lässt die Vermutung zu, dass er mit einem Band 2 seiner „Souvenirs“ von | |
2007 bis heute plant. Da der frühere Präsident bisher jede Etappe seiner | |
Karriere mit einem Buch einläutete, würde es niemanden in Frankreich | |
überraschen, wenn das Erscheinungsdatum dieser Fortsetzung mit der | |
Ankündigung seiner Rückkehr zusammenfiele. | |
9 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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