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# taz.de -- petition der woche: Männer, die unter Röcke starren
Ein Mann kniet sich in einem Supermarkt neben eine Frau, als würde er etwas
aus dem Regalfach nehmen. Während sie sich ihrem Einkauf widmet, schießt er
schnell und heimlich ein Foto, das einen Einblick unter ihren Rock gewährt.
Das zeigt ein Video auf YouTube. Das Gleiche passiert regelmäßig auf
Festivals, Rolltreppen oder an Haltestellen. „Upskirting“ nennt sich dieses
Verhalten – und das ist in Deutschland bislang nicht strafbar. Denn
sexuelle Belästigung wird erst als Straftatbestand anerkannt, wenn dabei
eine Person „in sexuell bestimmter Weise“ körperlich berührt und dadurch
belästigt wird.
Hanna Seidel und Ida Marie Sassenberg haben nun eine Petition gestartet,
damit das ungefragte voyeuristische Fotografieren unter einen Rock auch
hierzulande strafbar wird. Im April war eine vergleichbare Petition in
Großbritannien erfolgreich. Seidel selbst ist schon zweimal Opfer von
Upskirting geworden. Das erste Mal war sie 13 Jahre alt, als bei einer
Klassenfahrt Lehrer den Mädchen unter den Rock filmten. „Das war damals so
schlimm für mich, dass ich das verdrängt habe, bis ich jetzt die Petition
gestartet habe“, erzählt sie in einem Interview mit dem ZDF. Das zweite Mal
war mit 16 auf einem Musikfestival.
Als Upskirting-Täter wurden bislang nur Männer gemeldet. Und das Einzige,
was Betroffene in solch einer Situation bisher tun können, ist die Person
aufzufordern, die Bilder oder Videos zu löschen – vorausgesetzt, man hat
den Übergriff mitbekommen. Erst bei einer Weigerung kann ein Zivilverfahren
angestrebt werden, da solch eine Aktion gegen das allgemeine
Persönlichkeitsrecht verstößt. Der fehlende Straftatbestand führt jedoch
dazu, dass die Polizei oft nicht direkt weiterhelfen kann. Denn strafbar
ist erst die Verbreitung der Aufnahmen, auf pornografischen Internetseiten
zum Beispiel. Häufig sind die Opfer darauf identifizierbar.
In Deutschland kann Upskirting auch als „allgemeine Belästigung der
Öffentlichkeit“ gelten. „Rechtlich ist es so lächerlich“, sagt Seidel in
einem bento-Interview. Upskirting-Täter werden am ehesten bestraft, „wenn
eine dritte Person sieht, wie du einer Frau unter den Rock fotografierst
und diese Person sich davon belästigt fühlt. Das ist doch krank!“ In
Ländern wie Finnland, Schottland, Australien, Neuseeland und Indien wird
diese Form der Übergriffigkeit auf Menschen in der Öffentlichkeit längst
bestraft. Betroffen waren in Schottland auch Männer in Kilts. In
Großbritannien drohen Tätern mittlerweile bis zu zwei Jahre Haft.
Die deutsche Petition hat mittlerweile über 41.000 Unterschriften. Die
Problematik vom Upskirting erschien daraufhin am 9. Mai auch auf der
Tagesordnung des Landtags in Nordrhein-Westfalen. Das weitere Vorgehen für
die beiden 25- und 28-jährigen Frauen ist klar: Erst wollen sie durch
Unterschriften und medialen Druck ein Problembewusstsein schaffen, „um dann
Bundesjustizministerin Katarina Barley und am besten auch
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey an einen runden Tisch zu bekommen
und gemeinsam mit Juristen über einen möglichen Gesetzentwurf zu sprechen.“
Sassenberg ist entschlossen: „Wir hängen uns da jetzt rein, auch wenn es
Jahre dauert – wir sind ja noch jung und powern das so lange durch, bis es
ein Gesetz gibt.“ Hannah Bernstein
18 May 2019
## AUTOREN
Hannah Bernstein
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