# taz.de -- Markus Völker Olympyada-yada-yada: Prekäre Existenzen, die rastlo… | |
Leo schwimmt jetzt, und seit er die Badekappe mit seinem Namen darauf | |
bekommen hat, tut er es vielleicht sogar gern. Er läuft manchmal damit in | |
der Wohnung herum oder geht mit dem Ding in der Badewanne auf Tauchstation. | |
Es ist zugegebenermaßen ein ziemlich billiger Trick, um ihn fürs Schwimmen | |
zu begeistern. | |
„Die Olympischen Spiele 2032 wären vielleicht etwas für dich“, habe ich i… | |
erst neulich gesagt, „und yada-yada-yada, schon bist du Olympiasieger.“ Er | |
ist jetzt alt genug, um zu wissen, dass sein Vater nicht alles ernst meint, | |
was er sagt. „Echt?“, hat Leo zur Sicherheit nachgefragt. „Na ja, nicht so | |
ganz, erst mal ist am Donnerstag Training, danach sehen wir weiter.“ | |
Wir wissen noch nicht, wo die Olympischen Sommerspiele 2032 stattfinden | |
werden, bestimmt in einer Megacity, vielleicht in Delhi oder Singapur. | |
Warum nicht in Kairo oder Dubai? Es ist eher unwahrscheinlich, dass Leo | |
dann über 200 Meter Kraul antritt oder über 400 Meter Lagen, denn aus ihm | |
soll mal etwas Ordentliches werden, nicht so eine prekäre Existenz mit der | |
Lizenz zum Kachelzählen. Neulich gab es ja diese völlig desillusionierende | |
Meldung der DPA. Sie fing schon nicht gut an: „Deutsche Spitzensportler | |
sind oft keine Spitzenverdiener“, stand da einleitend. | |
Das ist im Grunde falsch, denn richtigerweise hätte es heißen müssen: | |
„Deutsche Spitzensportler, die olympische Sportarten betreiben, sind oft | |
keine Spitzenverdiener.“ Oder noch besser: „Deutsche Spitzensportler, die | |
so blöd waren, alles auf die Karte Olympia zu setzen, sind oft keine | |
Spitzenverdiener.“ Gut, jetzt könnten die Schlaumeier an den Endgeräten | |
einwenden, Fußball sei ja auch olympisch, und da gebe es ja sehr, sehr | |
viele Millionäre. Aber mal ehrlich: Fußball, genauer: Männerfußball ist | |
kein olympischer Sport, nicht wirklich. Wer das Gegenteil behauptet, hat | |
noch nie den Kitzel gespürt, wenn ein olympischer Geist an ihm vorbeizieht. | |
Der gesetzliche Mindestlohn liegt seit Anfang dieses Jahres bei 9,19 Euro. | |
Zuvor wurden 8,84 garantiert. Die Frage ist nun: Kommt so ein olympischer | |
Spitzensportler überhaupt heran an diesen Mindestlohn? Eher nicht, sagt die | |
Deutsche Sporthilfe. Sie hat über tausend von den prekären Existenzen – | |
vulgo: Spitzensportlern – befragt, und weil der wöchentliche Zeitaufwand | |
als Olympiakader mit 56 Stunden ganz schön hoch ist und die Bezahlung durch | |
den Staat und wenige Sponsoren ziemlich mickrig, haben die Macher dieser | |
Studie herausgefunden, dass der gemeine deutsche Sportarbeiter nur 7,41 | |
Euro in der Stunde bekommt. Er bewegt sich damit irgendwo zwischen Hartz IV | |
und einem postolympischen Dasein als Flaschensammler. | |
Bedenkt man, dass es sich hier um einen Durchschnittswert handelt und zum | |
Beispiel die vielen Deplorablen unter den Olympiasportlern, die Kanuten | |
etwa oder die Modernen Fünfkämpfer, die Ruderer oder Bogenschützen, unter | |
Umständen nicht mal an diese 7,41 Euro herankommen, dann sollte sich die | |
Zivilgesellschaft Gedanken darüber machen, ob nicht sofort eine größere | |
Kollekte vonnöten ist, um den Ehrgeiz der deutschen Sportspitzen | |
anzustacheln. Der Staat, mithin der größte Medaillenzähler, ist nicht in | |
der Lage, seine Leistungselite gut zu bezahlen, und die Sponsoren wollen | |
nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgehen, sondern konzentrieren sich | |
verständlicherweise auf einige bekannte Gesichter. | |
„Der Spitzensport in Deutschland produziert öffentliche Güter: nationale | |
Repräsentation, Stolz, Glücksempfinden und Vorbilder“, schreibt die | |
Deutsche Sporthilfe. Schön und gut, aber sollen sich doch andere um den | |
verdammten Stolz kümmern, um die vermaledeite Repräsentation. Leo schwimmt | |
einfach nur. | |
1 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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