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# taz.de -- Der Bürgertrainer
> Steve Kerr steht mit seinen Golden State Warriors vorm Gewinn der
> US-Basket- ballmeisterschaft. Der Headcoach hat aber nicht nur dieses
> Spiel durchschaut
Bild: Nicht ganz auf Augenhöhe: Steve Kerr im Gespräch mit seinem Forward Kev…
Von Sebastian Moll
Steve Kerr steckt mitten in der stressigsten Arbeitswoche des Jahres, der
Trainer der Golden State Warriors steht mit seiner Mannschaft in der
Finalserie um die US-Basketball-Meisterschaft; Sein Team führt in der Serie
3:0, zuletzt gab es ein 110:102 gegen die Cleveland Cavaliers. Es ist eine
Zeit, in der jeder andere in seiner Position die Kräfte auf das Wesentliche
konzentrieren würde. Doch nicht so Steve Kerr. Anders, als das vermutlich
viele Kollegen getan hätten, nahm sich Kerr vorm dritten Spiel Zeit,
ausführlich die merkwürdige Super-Bowl-Party im Weißen Haus zu
kommentieren, zu welcher der Champion, die Philadelphia Eagles, nicht
eingeladen waren. „Wir haben von Trump nichts anderes erwartet“, sagte
Kerr, „er versucht nun einmal das Land zu spalten, um politisch davon zu
profitieren.“
Kerr war noch nie der Auffassung, dass der Sport unpolitisch sein soll, er
versteht das Profigeschäft als Teil der Kultur, die ihn trägt. Schon 2010,
als Kerr die Phoenix Suns managte, ließ er seine Spieler Trikots tragen,
auf denen die restriktive Einwanderungspolitik des Staates angeprangert
wurde. Er selbst nannte die rechtspopulistische Regierung von Arizona
„faschistisch“. Zu den Spielerprotesten in der NFL sagte Kerr, er sehe sie
als friedliche Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit. Unamerikanisch
findet Kerr nicht die Proteste, sondern den Versuch, sie zu unterdrücken.
Die laxen Waffengesetze der USA nennt er eine „Schande“, die Macht der
Waffenlobby „ekelerregend“.
Kerr spricht über Politik mindestens so leidenschaftlich wie über
Basketball. „Basketball“, sagt er, „interessiert doch nur uns und die
Fans.“ Eine schöne Nebensache für ein paar Auserwählte, eine wunderbare Art
und Weise, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber eben nur eine
Nebensache. Die Distanz zum eigenen Tun ist erstaunlich für jemanden, der
in seinem Metier so erfolgreich ist, wie sonst kaum jemand. Kerr hat als
Spieler fünf Mal die Meisterschaft gewonnen, drei Mal mit den Chicago Bulls
um Michael Jordan und zwei Mal mit den San Antonio Spurs. Als Trainer ist
er kurz davor, den dritten Titel mit Golden State zu gewinnen.
Kerr hat das Spiel intellektuell durchdrungen wie kein anderer. Er hat es
auseinander genommen, wieder zusammengesetzt und mit den Warriors eine
Spielkultur entwickelt, die keine andere Mannschaft der Liga zu knacken
vermag. Wenn die Warriors den Schalter umlegen und ihre berüchtigten Läufe
haben, dann ist bislang noch jedes andere Team kollabiert. Nicht einmal die
übermenschlichen Leistungen von LeBron James können dagegen etwas
ausrichten.
Dabei hat Kerr zweifelsohne seine Zeit bei den besten Teams ihrer
Generation geholfen, geleitet von zwei Führungspersönlichkeiten: Phil
Jackson und Gregg Popovich. Die Spielweise der Warriors ist ein Destillat
der beiden Erfahrungen, eine Kombination des legendären Dreieckangriffs der
Bulls und des passbetonten Spiels der Spurs, garniert mit einer
Treffsicherheit aus der Distanz, die es so in der Liga noch nie gegeben
hat.
Die Kreativität, die hinter dem Spiel der Warriors steckt, ist der Tatsache
geschuldet, dass Kerr es geschafft hat, den Sinn fürs Spielerische zu
bewahren. Wenn Beobachter zum Training eingeladen werden, sind sie nicht
selten erstaunt, wie formlos es dort zugeht. Und Kerr ist alles andere als
ein autoritärer Lehrmeister. Er vermag es, die Zügel locker zu lassen,
seine Spieler in Entscheidungen einzubeziehen, eben sich selbst nicht
übermäßig ernst zu nehmen.
Dass Basketball nur Basketball ist, hat Kerr früh begriffen, in seinem
Elternhaus wurde der Sport gefördert, aber es drehte sich mitnichten alles
darum. Kerrs Vater Malcolm war Professor für internationale Beziehungen,
als Kerr Teenager war, bekam er den Ruf, die American University in Beirut
zu leiten – ein Biotop von Liberalität und Weltoffenheit, dessen erklärte
Mission es war, den Friedensprozess im Nahen Osten voran zu treiben. Die
Familie pendelte zwischen Kalifornien und dem vom Bürgerkrieg zerrissenen
Libanon hin und her.
Im Hause Kerr gingen Akademiker ein und aus. Als Kerr 18 war und an der Uni
von Arizona zum Topspieler aufstieg, kam aus Beirut die schreckliche Kunde,
dass sein Vater Opfer eines Attentats durch die Hisbollah geworden war.
Kerr lieferte zwei Tage später das beste Spiel seiner College-Karriere ab.
„Einfach nur spielen zu können, war für mich kathartisch damals“, sagt Ke…
heute. Basketball als ein Refugium. Funktioniert leider nicht immer.
8 Jun 2018
## AUTOREN
Sebastian Moll
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