# taz.de -- american pie: Modellathlet auf Entzug | |
> Bei den Cleveland Browns, dem miesesten NFL-Klub, hofft man auf | |
> Rückkehrer Josh Gordon. Der Exjunkie könnte ein ganz Großer werden | |
Die Cleveland Browns sind schlecht. Richtig schlecht. Unterirdisch | |
schlecht. 15 lange Jahre lange haben sie nicht mehr die Play-offs der NFL | |
erreicht. Sogar 23 Jahre her ist ihr letzter Sieg in der K.-o.-Runde. Hey, | |
die Browns haben seit dem Oktober 2015 nur ein einziges Spiel überhaupt | |
gewonnen – und in derselben Zeit 30 verloren. Wären die Cleveland Browns | |
eine Fußball-Bundesliga-Mannschaft, sie wären Tasmania Berlin, Wuppertaler | |
SV und der 1.FC Köln zusammen und längst abgestiegen. Aber weil es in der | |
NFL keinen Abstieg gibt, dürfen die Browns weiter schlecht sein. Und zwar | |
dermaßen schlecht, dass der einzige Lichtblick der aktuellen, mal wieder | |
beschissenen Saison die Rückkehr eines Spielers ist, der drei Jahre | |
gesperrt war. Ja, die Browns sind so mies, dass sie all ihre Hoffnungen auf | |
eine bessere Zukunft auf einen Junkie setzen, der behauptet, seit ein paar | |
Monaten clean zu sein. | |
Und es ging auch gleich gut los: Das Spiel am Sonntag gegen die San Diego | |
Chargers war genau acht Sekunden alt, da fing Josh Gordon den ersten Pass, | |
der in seine Richtung geworfen wurde. Am Ende hatten die Browns zwar wieder | |
einmal das Spiel verloren, aber vier Pässe immerhin hatten den Heilsbringer | |
erreicht und für insgesamt 85 Yards Raumgewinn gesorgt. Keine überragende | |
Bilanz, aber ausreichend, um aus dem Stand – und nach exakt 1.078 Tagen | |
Pause – zum besten Passfänger der Browns zu werden. | |
Geht es nach Gordon, dann wird er in näherer Zukunft „zum besten wide | |
receiver aller Zeiten“. Das jedenfalls gab der mittlerweile 26-Jährige als | |
Ziel seines Comebacks aus. Und tatsächlich bestreitet kaum ein Experte, | |
dass Gordon dazu die körperlichen Anlagen hat. Die nahezu einmalige | |
Kombination aus Schnelligkeit, Sprungkraft und Durchsetzungsvermögen, die | |
der 1,91 Meter große Modellathlet auf den Platz bringt, ist perfekt für | |
seine Position. Sein Trainingskamerad Tim Montgomery, wegen Doping | |
gesperrter Ex-100-Meter-Weltrekordler, glaubt, dass Gordon Olympia-Gold | |
über 400 Meter gewinnen könnte, wenn er dafür trainieren würde. | |
Nur hat Josh Gordon ein Drogenproblem. Seit dem Beginn seiner NFL-Karriere | |
ist Gordon mehrfach positiv getestet worden – wie oft genau, das ist | |
unklar. Allerdings wurde Gordon wohl nie mit Anabolika oder anderen | |
klassischen Leistungssteigerern im Blut erwischt, dafür aber umso häufiger | |
mit Marihuana und Kokain. Seit Gordon nun im NFL-Rehabilitationsprogramm | |
steckt, hat er auch mehrfach gegen das zusätzlich verfügte Alkoholverbot | |
verstoßen, und seine Sperre wurde verlängert. Außerdem hat er | |
Unterhaltsklagen am Hals und ist pleite, weil sein Millionenvertrag seit | |
seiner Sperre ausgesetzt ist. | |
## Hilfe von LeBron James | |
Gordons Profikarriere hatte so hoffnungsvoll begonnen. Gordon war einer der | |
besten Rookies 2012. Er sammelte 2013 für die Browns so viele Yards wie | |
kein anderer receiver in der NFL, erwarb sich den Spitznamen „Flash Gordon“ | |
und wurde zur Pro Bowl eingeladen, wo sich zum Saisonabschluss die | |
NFL-Elite zum All-Star-Stelldichein auf Hawaii trifft. Diese beiden Jahre | |
sind es, die die Browns und ihre Fans hoffen lassen, dass Gordon dem | |
gebeutelten Verein, dessen größte Erfolge aus der Prä-Super-Bowl-Ära der | |
50er- und frühen 60er-Jahre datieren, aus der Patsche hilft. | |
Nachdem die NFL seine eigentlich lebenslange Sperre unter Auflagen wie | |
ständigen Drogentest und Pflichtbesuchen bei den Anonymen Alkoholikern | |
aufgehoben hatte, gestand Gordon in einem Interview mit dem Männermagazin | |
GQ nun, dass er jedes Spiel in seinen beiden ersten NFL-Jahren bekifft und | |
angetrunken bestritten habe. Bereits in der Highschool habe er fleißig | |
Drogen konsumiert, Autos gestohlen und Kreditkartenbetrug begangen, in | |
seiner Collegezeit sogar gedealt: Die 10.000 Dollar, die er pro Monat mit | |
dem Verkauf von Drogen verdient haben will, brauchte er, um seine | |
Großfamilie zu unterstützen. Dass die letzte von vielen Entziehungskuren | |
erfolgreich war, und der Exjunkie und Dealer zu alter Form zurückkehren | |
kann, daran wollen in Cleveland trotzdem fast alle glauben – auch der | |
prominenteste Einwohner der Stadt in Ohio: Basketballstar LeBron James. Er | |
soll Josh Gordon mit gutem Rat und finanzieller Unterstützung durch Pleite | |
und Entziehungskur gelotst haben. | |
Thomas Winkler | |
6 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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