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# taz.de -- Fussball Nach 19 Jahren könnte Feyenoord Rotterdam erstmals wieder…
Bild: Mit großem Vorwärtsdrang: Feyenoord Rotterdams Tonny Vilhena initiiert …
Aus Rotterdam Tobias Müller
Lennard Montizaan befindet sich im Ausnahmemodus. „Wir schauen von Woche zu
Woche. Jedes Spiel ist ein Finale“, so der Sprecher der offiziellen
Fanvertretung De Feijenoorder. Was natürlich schwierig ist, denn das, was
dahinter liegen könnte, elektrisiert die ganze Stadt schon seit Wochen.
Kurz vor Saisonende steht Feyenoord Rotterdam an der Spitze der Eredivisie,
einen Punkt vor dem verhassten Rivalen Ajax. „Das dürfen wir nicht
weggeben“, beschwört Lennard Montizaan.
Drei Schritte noch sind es bis zum großen Ziel. Zweimal auswärts und dann
Mitte Mai das letzte Spiel, zu Hause in De Kuip. Eine ganze Generation Fans
ist aufgewachsen in Rotterdam, ohne dass Feyenoord und seine Legioen
genannte Anhängerschaft dem Titel so nah waren. An diesem Sonntag könnte
die Vorentscheidung fallen: Die Rotterdamer sind zu Gast bei Vitesse
Arnheim, Ajax muss es in Eindhoven gegen PSV aufnehmen, das aus dem
Titelrennen schon ausgeschieden ist.
Seit dem ersten Spieltag liegt Feyenoord vorn, der „Volksclub“, der in den
letzten Jahren eher für Fanausschreitungen als Erfolge stand. Dass die
Sache am Ende noch einmal so spannend wird, liegt an der Auswärtsschwäche,
die das Team um Kapitän Dirk Kuyt in den letzten Wochen befiel. Eine
Niederlage in Amsterdam, ein Unentschieden in Zwolle, und plötzlich greift
die Furcht um sich, am Ende doch zurückzufallen hinter die vermeintlich
arroganten Amsterdamer.
Doch am anderen Ende des rot-weißen Innenlebens leuchtet schon der
Coolsingel: die breite Straße, die entlang des Rathauses die Innenstadt
durchkreuzt, auf der in Rotterdam kampioenschappen (Meisterschaften)
gefeiert werden. Im Frühjahr 2017 ist Feyenoord dem Sehnsuchtsziel in der
eigenen Stadt Schritt für Schritt immer nähergekommen. Zugleich ist der
erträumte Korso vor Hunderttausenden das Amalgam, das die Stadt in diesen
Wochen eint. Es sind unruhige Zeiten in Rotterdam, wo es im März nach der
Ausweisung zweier türkischer Minister auf Propagandamission zu schweren
Tumulten kam.
Wenige Tage danach wurde in den Niederlanden gewählt. Im Viertel Feijenoord
gewann die neue Partei DENK, die unter Multikultimaske der AKP treu zur
Seite steht und vor allem bei türkischstämmigen Wählern beliebt ist. Auf
Platz zwei: die Rechtspopulisten. Hamit Karakus, Exgemeinderat und in
dieser Funktion einst zuständig für Rotterdam-Süd, erklärte in der
Tageszeitung Volkskrant: „Zum Teil liegt es an fehlenden Perspektiven. Es
gibt wenig Chancen auf Arbeit, und wenn, bietet sie nicht mehr die
Sicherheit wie früher. Die Leute sorgen sich, ob sie noch dazugehören.“
In Zeiten solcher Unsicherheiten fällt auf, welche Funktion dieser Klub
erfüllt. Wer sich in Feijenoord, dem Viertel, umsieht, findet Kioske, Läden
und Supermärkte, die nach ihm benannt sind, und überall diese Fahne, auf
der kein „FC“ oder „SV“ steht, sondern nichts weiter als ein dickes „…
Der Name des Viertels ist genug. Kein anderer niederländischer Profiklub
trägt eine solche Lokalidentität vor sich her – und hat doch im ganzen Land
Anhänger.
Viele davon haben eine Fanbiografie wie der langjährige Kapitän Ben
Wijnstekers, bekannt als „Mister Feyenoord“, der fast 14 Jahre lang als
Verteidiger gesetzt war. Ein paar Minuten von De Kuip entfernt geboren,
legte er schon als Kind zu jedem Heimspiel den Weg durchs Viertel zurück.
Auch heute noch wohnt Wijnstekers, inzwischen 61, in Feijenoord – und der
Klub ist nach wie vor sein Leben: Er leitet Trainings in Schulen und
Fußballcamps, organisiert Straßenturniere.
Vier Tage vor dem Match in Arnheim sitzt er im Stadionrestaurant. Um den
Klub herum sei von den Spannungen noch nichts zu spüren, sagt er. Klar sei
das Viertel arm und habe Probleme, doch gerade Feyenoord bringe die
Menschen zusammen. „Viele Kinder, die ich trainiere, tragen
Feeyenoord-Trikots. Niederländische und türkische, marokkanische und
antillische. Wenn sie dann daneben noch Galatasaray- oder Fenerbahçe-Fans
sind, ist das doch okay.“
Als Spieler erlebte Ben Wijnstekers 1984, wie der Coolsingel in Ekstase
geriet. Für ihn sind dies „die schönsten Bilder jemals“. Und wenn es dies…
Jahr zu einer Wiederholung kommt? „Wenn wir kampioen werden, wird zwei Tage
gefeiert, und es wird viele Krankmeldungen geben. Es wird ein Irrenhaus,
weil wir so etwas nicht mehr gewohnt sind.“
22 Apr 2017
## AUTOREN
Tobias Müller
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