# taz.de -- Standing Ovations für rechte Parolen | |
> Parteitag In der Brandenburger Provinz kürt die Berliner AfD ihre | |
> KandidatInnen für die Bundestagswahl. Der ultrakonservative Flügel setzt | |
> sich mit islam- und flüchtlingsfeindlichen Themen durch. | |
> Landesvorsitzende Beatrix von Storch wird Spitzenkandidatin | |
Bild: Manchmal ist bunt auch braun: Die Landesvorsitzende Beatrix von Storch sc… | |
von Malene Gürgen | |
Der Landesverband für Rassegeflügelzüchter und die Rinderproduktion | |
Berlin-Brandenburg grüßen von Werbeplakaten an den Wänden, die Halle ist | |
zum überwiegenden Teil mit Männern gefüllt, die Mehrheit davon jenseits der | |
50: Willkommen auf dem Landesparteitag der Berliner AfD. | |
Normalerweise finden hier in der Brandenburghalle im havelländischen | |
Örtchen Paaren im Glien landwirtschaftliche Veranstaltungen statt. Aus | |
„Kosten- und Sicherheitsgründen“ habe sich die Partei dieses Mal für einen | |
Austragungsort jenseits der Stadtgrenzen entschieden, sagt Parteisprecher | |
Ronald Gläser. | |
Dass die Maritim-Hotelkette, in deren Räumlichkeiten die letzten Berliner | |
Parteitage stattgefunden hatten, nach den jüngsten Äußerungen des | |
AfD-Scharfmachers Björn Höcke bekannt gegeben hatte, zukünftig nicht mehr | |
an die Partei zu vermieten, erwähnt er nicht – gut möglich, dass die Partei | |
in Berlin einfach keine Räume mehr findet. | |
In Paaren im Glien also wählt die Partei ihre Kandidaten für die | |
Bundestagswahl im September. Der erste Listenplatz steht dabei schon am | |
Samstagmittag fest: Wenig überraschend wird die Berliner Landesvorsitzende | |
Beatrix von Storch, momentan für die AfD im Europaparlament, den | |
Landesverband in die Bundestagswahl führen. Georg Pazderski, ebenfalls Chef | |
des Landesverbands und außerdem Vorsitzender der AfD-Fraktion im | |
Abgeordnetenhaus, hatte zwischenzeitlich angekündigt, gemeinsam mit von | |
Storch eine Doppelspitze bilden zu wollen. Von Storch hatte sich dazu | |
öffentlich nicht geäußert. Pazdersky trat dann letztlich doch nicht an. | |
Einen Gegenkandidaten für von Storch gibt es dennoch: Der bis dahin völlig | |
unbekannte AfDler Ralf Ziegler – bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus hatte | |
er aussichtslos in Friedrichshain-Kreuzberg kandidiert – sorgt am Samstag | |
für Aufsehen, weil er ebenfalls für den ersten Listenplatz kandidiert und | |
gegen von Storch gerichtete Flyer verteilt. Er bekommt immerhin 60 Stimmen | |
und unterliegt damit zwar klar gegen von Storch, die 195 von 290 gültigen | |
Stimmen erhält. Ihr damit erzieltes Ergebnis von 67,2 Prozent der Stimmen | |
ist allerdings alles andere als überragend für die ultrakonservative | |
Netzwerkerin, deren Kandidatur schon lange als gesetzt galt. | |
Dabei hatte von Storch sich in ihrer Bewerbungsrede genau auf die Themen | |
konzentriert, mit denen man an diesem Samstag bei den Anwesenden punkten | |
kann: Sie wolle „die Islamisierung zurückdrehen“ und in dieser | |
„Schicksalsfrage der Nation“ keine Kompromisse machen, kündigt die | |
Rechtspopulistin an. Mit Themen jenseits von Flüchtlingspolitik und | |
Integration können selbst gut vernetzte AfDlerInnen wie die Abgeordnete | |
Kristin Brinker, die wirtschaftspolitische Fragen in den Mittelpunkt ihrer | |
Rede stellt, nur verhaltenen Applaus ernten. | |
RednerInnen wie Gottfried Curio, ebenfalls Mitglied im Abgeordnetenhaus und | |
seit Dezember Vorsitzender des mächtigen Steglitz-Zehlendorfer | |
Kreisverbands, und Birgit Malsack-Winkemann, Curio-Stellvertreterin in | |
Steglitz-Zehlendorf, bringen den Saal hingegen zum Toben. Beide setzen auf | |
einen einpeitschenden Tonfall und eine klare flüchtlingsfeindliche | |
Position: Sie wolle die deutschen Grenzen wieder hochziehen und „für unser | |
Land kämpfen“, schreit Malsack-Winkemann in den Saal, Curio nennt die | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel eine „Schlepperkönigin“ und erntet dafür | |
Standing Ovationen. | |
Je länger sich die Bewerbungsreden ziehen, desto kleiner ansonsten die | |
Aufmerksamkeit der anwesenden AfDler. Viele sitzen lieber im hinteren Teil | |
der Halle bei Gulasch, Rotkohl und Salzkartoffeln zusammen, darunter auch | |
Vertreter des extrem rechten Flügels wie der wegen seiner Äußerungen aus | |
der Fraktion ausgeschlossene Lichtenberger Abgeordnete Kay Nerstheimer. | |
Gottfried Curio ist dann auch der Einzige der insgesamt 31 BewerberInnen | |
für die Listenplätze zwei bis fünf, dessen Kandidatur schon am Samstagabend | |
feststeht – mit 181 Stimmen erhält er den zweiten Listenplatz und wird | |
damit wahrscheinlich ebenfalls im September in den Bundestag einziehen. Im | |
Abgeordnetenhaus hatte der Physiker zuletzt für Lacher gesorgt, weil er in | |
einem Antrag gefordert hatte, in der Europakarte der | |
„heute“-Nachrichtensendung des ZDF müssten die Umrisse der Bundesrepublik | |
eingeblendet werden. | |
Die Plätze drei bis fünf wurden schließlich am Sonntag nach mehreren | |
Stichwahlen vergeben. Der Pankower Götz Frömming, einer der wenigen | |
verbliebenen Vertreter des liberaleren Flügels des Landesverbands, landete | |
auf Platz 3, die Richterin Birgit Malsack-Winkemann auf dem vierten Platz. | |
Und im Stechen um Platz 5 setzte sich Ex-Bild am Sonntag-Chefredakteur | |
Nicolaus Fest gegen den ehemaligen Steglitz-Zehlendorfer Vorsitzenden | |
Hans-Joachim Berg durch. | |
6 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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