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# taz.de -- Knochenarbeit im Labor
> STUDIUM Inzwischen gibt es verschiedene Möglichkeiten, Forensiker zu
> werden. Neu dazugekommen ist aufgrund von Datenklau und Cyberkriminalität
> die digitale Forensik
Bild: Häufiger als in der Verbrechensbekämpfung arbeiten Forensiker in der In…
von Ole Schulz
Forensiker – sind das nicht die, die in Schutzanzügen durch den Wald
robben, um am Tatort eines Verbrechens aufgefundene Zigarettenkippen zu
sichern? Ein solches Bild werden viele im Sinn haben, wenn von Forensikern
die Rede ist. So sieht man es doch alle Tage in Krimis und Serien wie
„CSI“. „Um die Tatortarbeit kümmert sich aber die Polizei“, sagt Profe…
Wolfgang Fink. Erst wenn Beweismittel im Labor untersucht werden, komme die
analytische Forensik ins Spiel. „Die dafür benötigten Methoden sind das,
was die Studierenden bei uns lernen.“ Zum Beispiel, wie man DNA-Proben
analysiert oder die Zusammensetzung von Drogen bestimmt. Fink unterrichtet
im Studiengang „Naturwissenschaftliche Forensik“ der Hochschule
Bonn-Rhein-Sieg. Bis heute ist es das einzige naturwissenschaftlich
ausgerichtete forensische Bachelorstudium an einer staatlichen
Fachhochschule in Deutschland.
Wobei Fink gleich einschränkt: „Das Berufsbild ‚Forensike‘ gibt es in
Deutschland gar nicht.“ Denn Forensik ist der Sammelbegriff, wenn es um das
Analysieren, die Rekonstruktion und das Aufarbeiten von – eben auch:
kriminellen – Handlungen geht. Das Spektrum reicht von forensischen
Psychologen, die etwa vor Gericht als Gutachter die Schuldfähigkeit eines
Tatverdächtigen einschätzen, bis zu Spezialisten mit einem Schwerpunkt auf
Biologie oder Chemie, die in der Laboranalytik tätig sind. Um sich dafür
ausreichend zu qualifizieren, schließen die meisten Absolventen des
Forensik-Bachelors laut Fink ein Masterstudium an. Er empfiehlt ihnen, bei
Bewerbungen ihre Kenntnisse der analytischen Verfahren in den Mittelpunkt
stellen. „Das ist das, was die Personalchefs interessiert.“
Ein falsches Bild solle man sich aber nicht machen, betont Fink. Der
Forensikerberuf habe zwar ein „sexy Image“, die Tätigkeit im Labor sei aber
ebenso langwierige wie penible Knochenarbeit. Forensiker müssten „monkig“
und „ein bisschen zwanghaft“ sein, Spaß am „Ordnen und Sammeln“ haben,…
der bekannte Kriminalbiologe Mark Benecke einmal in einem Interview gesagt.
Benecke ist so etwas wie der Popstar unter den deutschen Forensikern; er
ist Autor populärwissenschaftlicher Bücher zum Thema („Aus der Dunkelkammer
des Bösen“) und wird in aller Welt als Sachverständiger bestellt, um
biologische Spuren bei vermuteten Gewaltverbrechen mit Todesfolge
auszuwerten. Laut Professor Fink haben allerdings hierzulande nur wenige
Forensiker überhaupt mit spektakulären Kriminalfällen zu tun. „Den Fall zu
untersuchen, bei dem eine reiche Witwe von ihrem jungen Liebhaber durch ein
seltenes südamerikanisches Krötengift umgebracht wurde, davon träumen
manche ihr ganzes Leben.“
Mit der Untersuchung von Verbrechen ist in Deutschland ohnehin nur eine
Minderheit der Absolventen des Studiengangs befasst. „Die Stellen bei den
16 Landeskriminalämtern, dem Bundeskriminalamt oder den
gerichtsmedizinischen Instituten sind ja begrenzt.“ Es sei
wahrscheinlicher, dass man in der chemischen oder pharmazeutischen
Industrie eine adäquate Anstellung finde – oder auch in der
Materialprüfung. Wenn ein Unternehmer etwa an bestellten Bremsleitungen
Schäden feststellt, werden Spezialisten mit der materialwissenschaftlichen
Analyse beauftragt. „Waren Produktionsfehler für die Schäden
verantwortlich, wurde die Ware beim Transport beschädigt oder nach der
Anlieferung falsch gelagert?“
Monika Buchholz, Professorin an der privaten Hochschule Fresenius, schätzt
das ähnlich ein. Beim dortigen Bachelorstudiengang „Angewandte Chemie für
Analytik, Forensik und Life Science“ würden keine Forensiker ausgebildet,
sondern „Chemiker mit einem breiten und soliden Grundwissen“, so Buchholz.
Die Studierenden lernen „chemische und bioanalytische Verfahren“, die in
der Verbrechensaufklärung, aber auch in der Wirtschaft zum Einsatz kommen.
Professor Thomas Knepper, der für den forensischen Teil des Studiums
Verantwortliche, nennt Beispiele: „Im Pharmabereich kann es zum Beispiel
darum gehen, ob Arzneimittel gefälscht wurden. In anderen Fällen muss
untersucht werden, warum es etwa zu einem massenhaften Sterben in der
Fischzucht gekommen ist.“
Wem es nun vor allem kriminalistische Fragen angetan haben, den könnte ein
jüngerer, im IT-Bereich angesiedelter Zweig der Forensik interessieren –
schließlich sind Cyberattacken und Datendiebstahl inzwischen auf der ganzen
Welt ein Problem. Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen bietet zum Beispiel
den berufsbegleitenden Master „Digitale Forensik“ an. Voraussetzung sei
neben einem abgeschlossenen Erststudium „mindestens ein Jahr einschlägige
Berufserfahrung“, sagt Studienmanagerin Saskia Stiller. Wer einen
Bachelorabschluss im Fach Informatik mitbringt, braucht nur sechs Semester
für das Studium, alle anderen holen die Informatikgrundlagen in einem
zusätzlichen Einführungssemester nach. Auffallend sei, dass es immer mehr
Juristen gebe, die sich für das Studium „Digitale Forensik“ bewerben. Hier
spiegelt sich wohl wider, dass die Strafverfolgung von Cyberkriminalität an
Bedeutung gewinnt. Jura ist dann neben IT-Sicherheit und Forensik auch
einer der drei Schwerpunkte des Studiums.
An der Hochschule Mittweida wird dagegen seit 2014 der erste
Bachelorstudiengang angeboten, der die klassische mit der digitalen
Forensik verbindet. Dabei werde, erklärt Studiendekan Dirk Labudde, das
Prinzip der Forensik, hinterlassene Spuren auszuwerten, auf die digitale
Welt übertragen. Solch forensisch geschulte Generalisten würden zunehmend
gebraucht, meint Labudde. „Es gibt kaum mehr ein Ermittlungsverfahren, in
denen Cybercrime keine Rolle spielt, weil wir überall Datenspuren
hinterlassen.“
11 Feb 2017
## AUTOREN
Ole Schulz
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