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# taz.de -- Außer- und überirdisch gut
> Virtuose Elefantenmensch, Doctor Who, Alien, Zauberstabmacher Ollivander:
> Ein Nachrufauf den großen Schauspieler John Hurt
Bild: John Hurt (1940–2017)
In einer seiner besten Rollen ist John Hurt kaum zu erkennen: In David
Lynchs „Der Elefantenmensch“ gibt er dem körperlich deformierten
Titelhelden John Merrick durch sein Spiel seelische Kontur – als Mann, den
die Gesellschaft als Skurrilität und Monster behandelt. Nach einer Hetzjagd
durch den Bahnhof von London stößt er, demaskiert und verzweifelt, auf der
Toilette in die Ecke gedrängt, einen Klageschrei aus: „Ich bin kein Tier,
ich bin ein menschliches Wesen.“ Zum Tier machen ihn die Blicke und das
Verhalten der Mitwelt. Zum Menschen macht ihn das Spiel von John Hurt.
Auch unvergesslich: Wenn in „Alien“ das außerirdische Wesen unter
Konvulsionen der von Hurt dargestellten Figur durch dessen Brust blutig
nach außen bricht. Wieder ein Moment an der Grenze zwischen dem, was
menschlich, und dem, was nichtmenschlich ist. So was sind dankbare Rollen
für einen Virtuosen wie Hurt, dem aber auch in darstellerischen Mittellagen
so ziemlich alle Instrumente zur Verfügung standen, die ein Schauspieler in
seinem Repertoire haben kann. Aber noch im Extremen hat er wunderbar
nuanciert. Das stundenlange Sitzen in der Maske in „Der Elefantenmensch“
hat er gehasst, aber wie er als gebrochener und doch aufrechter Mann sitzt,
flieht und geht, das hat mit der Maske gar nichts zu tun.
Hurts breites Repertoire reichte von der Verkörperung des schwulen
Exzentrikers Quentin Crisp (ihn stellte er im Abstand von dreißig Jahren in
gleich zwei Filmen dar) bis zum Kurzauftritt als wohl legendärste britische
Serienfigur: In eine Jubiläumsfolge spielte er im historischen Rückblick
sogar Doctor Who. Der Ritterschlag durch die Queen folgte 2015. Sir John
Hurts charakteristische und bis zuletzt wunderbar geschmeidige Stimme
machte ihn zu einem beliebten Synchronsprecher, im 2016 fertiggestellten
Dokumentarfilm „The Final Reel“ gibt er als Voiceover-Erzähler noch der
Geschichte der Liebe der Briten zum Kino von den Anfängen bis in die
Gegenwart seine Stimme. Dem ganz breiten Publikum wird er aus den „Harry
Potter“-Filmen als Zauberstabmacher Ollivander in Erinnerung bleiben.
John Hurt gehörte, wie etwa sein sieben Jahre älterer Kollege Michael
Caine, zu den Darstellern mit wenig Berührungsängsten. Am Theater und im
Film, in Hollywood wie in seiner britischen Heimat, spielte er weg, was so
kam, aber er gab noch Nebenfiguren in wenig bedeutenden Filmen Prägnanz und
im Zweifelsfall Würde. Mal subtil, mal grob, mit im Alter zusehends
zerfurchten und umso markanteren Zügen, war er durch die Jahrzehnte hinweg
als Charakterdarsteller gefragt und beliebt.
Weitergedreht hat er auch nach der Krebsdiagnose 2015, und zwar bis
zuletzt. Er ist im in dieser Woche anlaufenden Biopic „Jackie“ als Priester
zu sehen. Und er blieb bis zum Ende furchtlos: In „That Good Night“, der
nun erst nach John Hurts Tod in die Kinos kommen wird, spielt er in seiner
letzten Hauptrolle einen todkranken Mann, der sein Leben in Ordnung zu
bringen versucht. Auch eine Art, dem herannahenden Tod ins Auge zu blicken.
Am 25. Januar ist John Hurt im Alter von 77 Jahren gestorben. Ekkehard
Knörer
30 Jan 2017
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
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