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# taz.de -- Die Entrechteten
> Gefühlte Realität Die AfD in Hamburg wähnt sich falsch von Medien
> dargestellt und von „Altparteien“ unterdrückt
von Sven-Michael Veit
DDer Vorstand der Hamburger Landespressekonferenz, der Vereinigung von mehr
als 200 Rathausjournalisten in der Stadt, hat in dieser Woche der Hamburger
AfD einen Brief geschrieben. Darin drückt er gegenüber dem
AfD-Landesvorsitzenden Bernd Baumann sein Befremden darüber aus, dass die
rechtspopulistische Partei am vorigen Wochenende einen Parteitag unter
Ausschluss der Öffentlichkeit abhielt.
Die Medien waren nicht eingeladen, nicht einmal der Termin war bekannt
gegeben worden, „aus Sicherheitsgründen“ wie ein Parteisprecher auf
Nachfrage erklärte. Eine Auskunft, mit der Journalisten sich nicht
zufrieden geben können. „Es ist hinlänglich bekannt, dass die AfD ein
Problem mit den Medien hat“, heißt es deshalb in dem Schreiben an die AfD.
„Das darf nach unserer Auffassung aber nicht dazu führen, dass sich Ihre
Partei derartig abschottet.“ Ob der AfD-Vorstand das nachfolgende Angebot
zu einem Gespräch über Presse- und Meinungsfreiheit annehmen will, ist
bisher unklar.
Durchgängig fühlt sich die Hamburger AfD von sämtlichen Medien unterdrückt
und falsch dargestellt. Den von Pegida geprägten Begriff „Lügenpresse“
vermeidet sie zwar, pflegt aber dennoch auf der Website der
Bürgerschaftsfraktion einen „Sprachpranger“ der besonders „verzerrten“
Pressezitate. „Die Grünen wollen der Gegenentwurf zur AfD sein: liberal,
modern, weltoffen“ – dieser Satz aus dem Hamburger Abendblatt vom Juni
steht ganz oben im Ranking der vermeintlichen Bösartigkeiten, die über die
AfD gestreut würden. Da muss man erst mal drauf kommen.
Und von den „Altparteien“ unterdrückt und ausgegrenzt fühlt die AfD sich
ebenfalls. Deren Vorwurf, die Rechtspopulisten würden sich der
parlamentarischen Arbeit verweigern und als Opfer gerieren, bezeichnete
Fraktionschef Jörn Kruse im Juli im Sommerinterview mit der taz.nord als
„kompletten Unsinn und vorsätzliche Verleumdung“. In Wahrheit „grenzen d…
uns aus“ und würden sämtliche AfD-Anträge ablehnen, „bloß weil sie von …
kommen“, so seine Wahrnehmung.
Zugleich sieht sich der emeritierte Wirtschaftsprofessor, der sich selbst
als „im Kern liberal“ bezeichnet, in der Rolle desjenigen, der die AfD vor
dem Abdriften in den Rechtsextremismus bewahren müsse. „Ich habe immer noch
die Hoffnung, dass die AfD eine konservativ-bürgerliche Partei bleibt oder
wird. Wenn Leute wie ich die Partei verlassen würden, würde sie
möglicherweise nach rechts unten abrutschen“, behauptete Kruse in nämlichem
Interview – ein Paradebeispiel eines politisch naiven Menschen, der sich
als liberales Feigenblatt benutzen lässt.
Denn der Rechtsrutsch ist in Hamburg in vollem Gange. Dirk Nockemann ist
der neue starke Mann in der Hamburger AfD. Auf dem Parteitag am vorigen
Wochenende, der eben unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, wurde
der ehemalige Innensenator der Schill-Partei zum Stellvertreter des Partei-
und Fraktionsvorsitzenden Bernd Baumann gewählt. Die Wahl des 58-jährigen
Juristen ist ein Signal für die Verschärfung eines Rechtsaußen-Kurses.
In der Bürgerschaft ist Nockemann fast ein Dutzend Mal bei dem Versuch
gescheitert, in die parlamentarische Härtefallkommission gewählt zu werden.
Die meisten Abgeordneten der anderen Fraktionen lehnten es ab, den
Hardliner zum Mitglied eines Gnadengremiums zu machen, das abgelehnten
Asylbewerbern eine neue Chance geben kann.
Mit der neuen Funktion konsolidiert Nockemann, der auch stellvertretender
Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft ist, seine Führungsposition in
der Partei. Insbesondere sein Intimfeind Kruse wird zunehmend eingemauert.
Ende September war diesem der konservative Baumann, der ihn bereits als
Parteichef beerbt hatte, auch noch als gleichberechtigter
Fraktionsvorsitzender zur Seite gestellt worden. Zweiter Stellvertreter in
Partei und Fraktion ist zudem der Rechtsanwalt Alexander Wolf, der sich
selbst als „nationalliberal“ bezeichnet.
Wie Kruse glaubt, seinen gemäßigten Kurs unter den Augen der Scharfmacher
beibehalten zu können, bleibt vorerst sein Geheimnis. Aber er beharrt
darauf, dass „Leute wie ich deutlich machen, dass es in der Partei noch
zahlreiche bürgerlich-liberale Kräfte gibt“. Schon bald dürfte er der
Letzte sein.
12 Nov 2016
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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