# taz.de -- Auf offener Straße | |
> Film Miron Zownirs Schwarz-Weiß-Bilder zeigen das Leben poetisiert, aber | |
> knallhart. Das Lichtblick zeigt eine Werkschau | |
Bild: Im Filmporträt „Zownir – Radical Man“ glänzt der Künstler Zownir… | |
von Silvia Hallensleben | |
In Moskau, New York und London, im georgischen Nationalmuseum und den | |
Deichtorhallen in Hamburg wurden seine Arbeiten ausgestellt, über ein | |
Dutzend Fotobücher sind schon erschienen. Doch gefällige Kost sind Miron | |
Zownirs Schwarz-Weiß-Bilder aus den subkulturellen Niederungen des | |
Großstadtlebens keineswegs, ob sie nun aus dem schwulen Pre-Aids-New-York | |
der 1980er, dem neukapitalistischen Russland oder der Ukraine von heute | |
kommen: Immer zeigen sie das Leben poetisiert, aber ungeschönt und | |
knallhart. Seit 2003 erschienen auch Krimis und Kurzgeschichten. | |
Noch länger filmt er, sieben kurze und drei lange Filme verzeichnet die | |
unvollständige Liste auf seiner Webseite. Fast identisch damit ist die | |
Auswahl, die der EXBerliner nun in seiner Filmreihe EXBlicks („Berlin | |
flicks and the people who made them in a real Kiez Kino“) ins | |
Lichtblick-Kino bringt. Dabei wurde der Titel bei seinem Bildband „Radical | |
Eye“ ausgeliehen – und zu den eigenen Filmen kommt mit M. A. Litters | |
„Zownir – Radical Man“ ein Filmporträt, das aus einem langen Interview v… | |
einer mit Populärliteratur gut bestückten Bücherwand und einer Reihe | |
Filmausschnitten besteht. Darin glänzt der 1953 als Sohn ukrainischer | |
Emigranten in Karlsruhe geborene und 1976 nach Westberlin übergesiedelte | |
Künstler als gewissenhafter und humorvoller Berichterstatter, der seine | |
Joberfahrungen als Geldeintreiber oder Türsteher durchaus mit Selbstironie | |
nehmen kann. Im Zentrum steht aber auch hier die Empathie für die | |
Außenseiter und Ausgestoßenen der Gesellschaft, um die seine künstlerische | |
Arbeit kreist. Da passt es, dass Zownir sich 1993 ausgerechnet mit einem | |
bösen Antirassismuskurzfilm ins Nach-Wende-Deutschland zurückmeldete („Auf | |
offener Straße“), der die bequem-satte Selbstgefälligkeit vieler Rassisten | |
auch heute noch erschreckend präzise trifft. | |
Nach Stationen im London der End-70er, New York, Los Angeles und Pittsburgh | |
lebt Zownir seit 1996 wieder in Berlin: Ein jung gebliebener | |
Punk-Überlebender, der vor allem den Osten der wiedervereinigten Stadt | |
zwischen Brachen, Palast-der-Republik-Abriss, Industrieruinen und Bars zum | |
Hauptdarsteller seiner Filme machte. An der Kamera stand dabei immer öfter | |
Philip Koepsell und zauberte einen mit Zonmirs Ästhetik kongenial | |
zusammengehenden spröden 16-mm-Retro-Look, Darsteller sind häufig | |
schillernde Szenegestalten wie die Musiker Rummelsnuff oder King Khan, | |
während das inhaltliche Spektrum der Filme vom Musikvideo bis zur | |
Krimiparodie reicht. | |
Die Grenzen von Zownirs Ansatz zeigen die beiden Langspielfilme | |
„Phantomanie“ (2009) und „Back to Nothing“ (2014), die trotz ihrer | |
stylischen Ästhetik mit dürren Plotideen die 90-Minuten Filmzeit nicht | |
wirklich füllen können. Schließlich sind markante Hauptdarsteller und | |
malerische Stadtbrachen für sich allein noch nicht abendfüllend, | |
grassierende Schlappschwanzscherze und kannibalistische Witzchen zielen | |
sichtlich auf ein postpubertäres Publikum. Interessant dabei, dass sich | |
Zownir im Interview selbst als ein Künstler präsentiert, der ganz ohne | |
Vorbilder nur aus dem eigenen Selbst schöpft, während die Praxis zumindest | |
von „Phantomanie“ da (zum Glück!) ganz anders aussieht und trotz der | |
kläglichen Handlung mit einer Fülle an Verweisen von David Lynchs | |
Scientology-Affinitäten bis zu Großmeister Goethe unterhält. „Back to | |
Nothing“ glänzt mit einem ausgefeilten Soundtrack von King Khan, der als | |
satanistischer Priester auch selbst mitspielt. | |
Während hier der unverwüstliche Birol Ünel am Ende eine männliche Kassandra | |
gibt, ist es in „Phantomanie“ der ehemalige Werner-Herzog-Darsteller Bruno | |
S., der programmatisch den Krieg der Reichen gegen die Schwachen und Armen | |
verkündet. Die sind bei Zownir weitgehend männlich. Und auch die Filme | |
scheinen ideale Abenteuerspielplätze für junge Männer aus den | |
Provinzgegenden aller Welt zu sein, die zwischen Mauerpark und RAW-Gelände | |
auf Selbstentdeckungstour gehen. Schade in diesem Rahmen, dass ausgerechnet | |
Zownirs schöner und ganz anders angelegter Dokumentarfilm über den | |
Nebenerwerbsdarsteller Bruno S.(„Bruno S. – Die Fremde ist der Tod“) nicht | |
Teil der EXBlick-Auswahl ist. Denn an seinem Beispiel würde ich gerne eine | |
– vielleicht gewagte – These aufstellen: Dass nämlich die ganz besonderen | |
Talente des Dokumentarfotografen Miron Zownir auch beim Filmemachen im | |
dokumentarischen Bereich liegen könnten. Vielleicht kommt da ja noch was. | |
Radical Eye: „Miron Zownir in 10 Films“ (OmeU): Lichtblick-Kino, | |
Kastanienallee 77, 26. 6.–5. 7., in Anwesenheit von Miron Zownir und | |
Gästen, Programm: [1][www.lichtblick-kino.org] | |
23 Jun 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.lichtblick-kino.org/filmreihe/exblicks/16_06_Zownir | |
## AUTOREN | |
Silvia Hallensleben | |
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