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# taz.de -- Vergangenheitsbewältigung der Hamburger Polizei: "Rückschritt in …
> Auch Hamburgs Polizei war während des Dritten Reichs fest in den
> Herrschaftsapparat eingebunden. Das geplante Polizeimuseum blendet diese
> brisante Zeit allerdings aus. Dabei sei die Forschung schon weiter, sagen
> die Historiker Jürgen Matthäus und Frank Bajohr.
Bild: Willige Helfer: deutsche Ordnungspolizei im polnischen Luków. Die Aufnah…
taz: Herr Bajohr, steht das Konzept des Hamburger Polizeimuseums in einer
Tradition der Verharmlosung?
Frank Bajohr: Die Polizei hat ihre Rolle während des "Dritten Reichs" nach
1945 in der Tat lange beschönigt. Das änderte sich aber in den 80er Jahren.
Deshalb wundere ich mich, dass dies im Museumskonzept nicht benannt wird.
Seit wann setzt sich die Polizei mit ihrer Vergangenheit auseinander?
Jürgen Matthäus: Was die Gestapo angeht, die als Schlüsselinstitution des
NS-Terrorapparats angesehen wurde, früh; für die Ordnungspolizei, zu denen
die Polizeibataillone gehörten, sehr spät.
Bajohr: Hamburg hat in der historischen Aufarbeitung eine gewisse
Vorreiterrolle eingenommen. 1987 veröffentlichte eine Forschergruppe der
Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) eine Studie über die
Hamburger Polizei, in der die Verbrechen der Polizeibataillone knapp
dargestellt wurden. Es dauerte jedoch lange, bis das Selbstbild der
"Ehemaligen", unpolitische Hüter von Recht und Ordnung gewesen zu sein, von
der Polizei selbst in Frage gestellt wurde. Vor allem Wolfgang Kopitzsch
hat sich dabei als ehemaliger pädagogischer Leiter der Landespolizeischule
große Verdienste erworben.
Die Konzeption des Hamburger Museums fällt hinter die
Aufarbeitungsbemühungen der Polizei zurück?
Bajohr: Ja.
Wolfgang Schulte, Historiker der Deutschen Hochschule der Polizei, sagt,
dass das "willige Vollstrecken" der Beamten jenseits der Forschung kaum
bekannt sei.
Matthäus: Das ist leider so: Fachhistoriker haben sich daran gewöhnt, dass
die Ergebnisse ihrer Arbeit in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden.
Bajohr: Ich bin da etwas optimistischer. In den 90er Jahren haben die
Bücher von Christopher Browning und Daniel Jonah Goldhagen, die sich nicht
zuletzt intensiv mit dem Hamburger Reserve-Polizeibataillon 101
beschäftigen, ein Millionenpublikum gefunden. Das ist hoffentlich nicht nur
Schall und Rauch gewesen.
Browning sagt, dass ganz normale Männer zu Mördern wurden.
Matthäus: In dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Klar ist, dass
nur eine kleine Minderheit als pathologische Mörder mit entsprechender
Disposition anzusprechen ist. Die Mehrzahl der an den Morden beteiligten
Männer machte aufgrund einer Mischung aus Gruppendruck, Indoktrinierung,
Opportunismus, Judenfeindschaft und Abstumpfung mit.
Es heißt, nur zwölf von 500 Männern der Einheit hätten sich geweigert
mitzumachen.
Bajohr: Die Männer bewegten sich unter Kriegsbedingungen in einem
militärähnlichen Verband. Das muss man berücksichtigen. Wer nicht mitmachen
wollte, hatte allerdings keine lebensbedrohlichen Konsequenzen zu erwarten.
Nicht einmal einen Karriereknick.
Die Polizeibataillone sollen in Polen mindestens 520.000 Menschen ermordet
haben.
Bajohr: Diese Zahl stammt von Stefan Klemp, der die Akten zu mehr als 50
Polizeieinheiten ausgewertet hat. Das Hamburger Bataillon 101 hat zwischen
1942 und Anfang 1944 im Gebiet Lublin mindestens 38.000 Juden erschossen
und 45.200 deportiert.
Matthäus: Auch die Bataillone 102, 103 und 104 waren 1939/40 in Polen an
Geiselerschießungen und Hinrichtungen beteiligt. Hier allerdings muss, wie
für die meisten der über 125 Polizeibataillone, die Geschichte noch
aufgearbeitet werden.
Während der Nürnberger Prozesse lagen aber schon Beweise vor.
Matthäus: Die Erwartung, man hätte unmittelbar nach Kriegsende den
Verbrechenskomplex umfassend aufrollen können, verkennt die damaligen
Schwierigkeiten. Es dauerte bis in die 60er Jahre, ehe die Strafverfolgung
von Polizeibataillonen begann. Die Widerstände waren auch dann noch massiv:
Von den 75 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibataillone in
Nordrhein-Westfalen endeten über 80 Prozent mit einer Einstellung des
Verfahrens.
Wie verliefen die Karrieren der Beteiligten nach 1945?
Bajohr: Die personelle Kontinuität war enorm. Auf diese Weise konnten viele
Polizisten ihre eigene Strafverfolgung und die ihrer "Kameraden" aktiv
hintertreiben. Zwei ehemalige Kompanieführer des Bataillons 101 dienten
nach 1945 als Polizeihauptkommissare in Hamburg, bevor sie in den 60er
Jahren verurteilt wurden. Das Gros der Bataillonsangehörigen ging straffrei
aus.
Bietet die Ausstellung für Hamburg die Chance zur Aufarbeitung?
Matthäus: Das wäre wünschenswert. Wie insgesamt im Umgang mit der
NS-Geschichte ist es mit gelegentlichen, medial hochgekochten
Betroffenheits-Aufwallungen nicht getan.
20 Dec 2010
## AUTOREN
Andreas Speit
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