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# taz.de -- Hochprozentige Kandidaten für die Grünen
> PARTEITAG Die am Samstag wiedergewählten Landeschefs Bettina Jarasch und
> Daniel Wesener sind die erfolgreichsten, die die Grünen je hatten. Nach
> der enttäuschenden Renate-Show von 2011 liegt es nahe, mit ihnen an der
> Spitze in die Abgeordnetenhauswahl zu ziehen
VON STEFAN ALBERTI
Rekordergebnis mit rund 95 Prozent. Rekordlob als „Dream Team“.
Rekordmitgliederzahl mit 5.500. Nach der Wiederwahl des Vorstandsduos
Bettina Jarasch und Daniel Wesener am Sonnabend kommen die Grünen an einer
Frage nicht mehr vorbei: Warum nicht mit den beiden derart populären und
erfolgreichen Landesvorsitzenden an der Spitze in die nächste
Abgeordnetenhauswahl gehen?
Laut den vorliegenden, bis in die 90er Jahre zurückreichenden Zahlen hatte
noch nie ein Vorstandsduo derart großen Rückhalt. Das ist auch den beiden
Vorsitzenden bewusst. „Wir haben der Partei in den vergangenen beiden
Jahren Gesicht und Stimme gegeben“, hatte Jarasch bereits in ihrer
Bewerbung selbstbewusst geschrieben. Widerspruch dazu gab es beim Parteitag
nicht, stattdessen realsozialistisch anmutende Wahlergebnisse: 94,5 Prozent
erhielt Jarasch, 95,4 Prozent Wesener. Wieso also nicht diese Gesichter auf
die Wahlplakate drucken?
Die Erfolgsgeschichte der beiden war nicht unbedingt absehbar. Jaraschs
Bewerbung 2011 wurde von den Kreuzberger Grünen, wo die heute 44-Jährige zu
Hause ist, skeptisch aufgenommen, eine Gegenkandidatur bahnte sich an.
Wesener wiederum war den Realos der Partei verdächtig gewesen als jemand,
der sich mit dem früheren Fraktionschef Volker Ratzmann in der Frage des
Umgangs mit der CDU fetzte. Eher durchschnittlich fiel ihr Wahlergebnis vor
zwei Jahren aus: Rund 83 Prozent erhielt Jarasch, Wesener 76 Prozent. Dann
erlebten die Berliner Grünen mit ihnen auch noch ihre größte Niederlage:
Bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 erzielte die Partei zwar ihr bislang
bestes Ergebnis, blieb aber weit hinter früheren Umfragen zurück. Doch das
ist nicht den Parteichefs anzulasten: Das Wahlprogramm stand bereits, die
Spitzenkandidatin war gewählt, als Jarasch und Wesener ins Amt kamen.
Die Erfahrung von 2011 zeigt vielmehr, dass ein sehr prominentes Gesicht
auf dem Spitzenplatz nicht unbedingt bessere Chancen garantiert. Renate
Künast als bekannteste Berliner Grüne, dazu Umfrageergebnisse von 30
Prozent – den Grünen schien der Wahlsieg nicht zu nehmen, als die einstige
Bundesministerin zehn Monate vor der Wahl ihre Kandidatur offiziell bekannt
gab. Doch Künast und ihr Programm wurden nicht von der gesamten Partei
getragen, trotz augenscheinlich großer Unterstützung bei ihrer Nominierung
als Herausforderin des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). Das
Wahlprogramm, so lautete später die Kritik, ignorierte viel Sachkenntnis
der Landesarbeitsgemeinschaften und der Aktiven vor Ort. Des Öfteren war zu
hören, man fühle sich nicht mitgenommen, Künast mache ihr Ding. Fast allein
auf sie als Person zu setzen – etwa mit den vielen „Renate“-Plakaten –
statt Inhalte in den Vordergrund zu rücken, sei ein Fehler.
Und was die Prominenz angeht: Künast war zwar vielen aus Fernsehen und
Zeitung bekannt als kämpferische Fraktionschefin im Bundestag. Im Wahlkampf
aber drängte sich der Eindruck auf, dass die Grünen umso stärker verloren,
je öfter die Berlinerinnen und Berliner der Landespolitikerin Künast
begegneten.
Jarasch und Wesener wären der komplette Gegenentwurf. In der Öffentlichkeit
sind sie weitgehend unbekannt, vor allem wegen fehlender
Auftrittsmöglichkeiten im Abgeordnetenhaus: die Berliner Grünen beharren
auf der Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat. Die Partei aber trägt
sie: Statt an ihr vorbeizuagieren, bekommen Jarasch und Wesener gerade für
ihre Kommunikation in alle Richtungen viel Lob – eine wichtige
Voraussetzung dafür, dass sich die Partei in ihren Spitzenkandidaten und im
Wahlprogramm wiederfinden und den Wahlkampf unterstützen würde. Auf sie als
eher unbekannte Gesichter und stark auf Inhalte zu setzen dürfte darum kaum
schlechter laufen als die gescheiterte „Renate“-Show.
Dafür liefert noch ein anderes Beispiel Belege: Auch Franziska
Eichstädt-Bohlig, mit der die Grünen 2006 als Spitzenkandidatin antraten,
war kein prominentes Gesicht. Sie hatte sich zwar bis 2005 mehr als elf
Jahre im Bundestag einen Namen gemacht, war aber in der Landespolitik wenig
präsent. Dennoch schafften es die Grünen mit ihr, ein Ergebnis zu erzielen,
das – wie fünf Jahre später mit Künast – für eine Koalition mit der SPD
gereicht hätte. In beiden Fällen wollte aber Klaus Wowereit nicht.
Dass er 2016 – wenn turnusgemäß gewählt würde – noch einmal antritt, ha…
viele in der SPD für unwahrscheinlich. Was wiederum die Ausgangsposition
der Grünen stärkt. Strukturell spricht ohnehin vieles für sie: Ihre
Wahlresultate steigen kontinuierlich an, seit 2001 je Wahl um vier
Prozentpunkte auf zuletzt 17,6 Prozent. In der jüngsten Meinungsumfrage
sind es inzwischen wieder 24 Prozent, so viel wie die SPD. Der nächste
Traum von der grünen Regierungsbeteiligung darf geträumt werden.
■ Ein ausführlicher Bericht vom Parteitag steht auf [1][taz.de/berlin]
18 Mar 2013
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[1] /berlin
## AUTOREN
STEFAN ALBERTI
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