# taz.de -- Die Freiheit halt im Jazz | |
Also noch mal die DDR, die schon auch auf ihre Leistungen stolz sein | |
wollte. Dass sie beispielsweise mit Sigmund Jähn den ersten Deutschen im | |
Weltraum unterbringen konnte. Dabei aber haben die Russen geholfen mit dem | |
Interkosmos-Programm – was Thema des aktuellen Films „Fliegerkosmonauten“ | |
ist, im Central zu sehen. Einer der wenigen Bereiche jedoch, wo die DDR | |
ganz ohne Doping (wie im Sport) wirklich Weltniveau hatte, was sie so | |
verzweifelt sein wollte, war der Jazz. Genauer: der Freejazz. Und das hatte | |
man im Land sogar ohne die Russen geschafft, die die DDR in dieser Sache | |
nun überhaupt nicht unterstützen konnten. | |
Diese Erfolge aber haben sich im Land nicht unbedingt überall | |
herumgesprochen. Selbst die Stasi konnte nicht alles wissen. Überliefert | |
ist jedenfalls die Geschichte von dem Stasi-Mitarbeiter, dem der Name von | |
Ulrich Gumpert, den er überprüfen sollte, kein Begriff war. „Kommt oft spät | |
nach Hause, schläft teilweise bis Mittag, manchmal tagelang unterwegs…“, | |
übermittelte er der Dienststelle, weswegen Gumpert als zu „unzuverlässig“ | |
für Reisen ins nichtsozialistische Ausland eingestuft wurde. Erst auf | |
Nachfrage des DDR-Kulturministeriums, das genau die Verträge über die | |
Westauftritte von Gumpert abgeschlossen hatte, kam heraus, dass Gumpert | |
halt das macht, was Musiker so machen. Er durfte im Westen spielen. Und | |
blieb in der DDR. Wie eigentlich die meisten der DDR-Musiker, die sich vom | |
Jazzrock zum Freejazz mit seinem freien Spiel durchgekämpft hatten, | |
Gumpert, Ernst-Ludwig Petrowsky, Günter „Baby“ Sommer, Conny Bauer, die | |
auch das Zentralquartett bildeten. Und die ganzen anderen, die die | |
Freejazz-Szene der DDR zu einer der besten rundherum machten. Weltniveau. | |
Subventioniert auch und weniger gegängelt durch die offizielle | |
Kulturpolitik als andere Bereiche, schließlich wurden im Jazz keine | |
kritischen Liedtexte gesungen. Sein festes Publikum hatte er dazu im Land. | |
Die freitäglichen Konzerte im Jazzkeller Treptow etwa waren dabei schon der | |
Treffpunkt der weniger Systemkonformen, wobei die Entscheidung für den | |
Freejazz nicht unbedingt nur aus ästhetischen Erwägungen getroffen wurde. | |
Sondern auch aus einem Mangel an anderen experimentierfreudigen Nischen in | |
der DDR, wo es eine anständige Rockmusik zum Beispiel fast gar nicht gab. | |
Das mit dem Weltniveau als Wunsch und Wille der DDR ist Geschichte. Die | |
Musik ist weiter da. Widerspenstig. Insistierend. Und vergnüglich. Am | |
Dienstag feierte Ulrich Gumpert seinen 65. Geburtstag, und am heutigen | |
Freitag gibt es das Konzert dazu im Aufsturz. THOMAS MAUCH | |
■ Gumpert LXV: Aufsturz, Oranienburger Straße 67, Freitag, 21 Uhr | |
29 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
THOMAS MAUCH | |
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