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# taz.de -- Umschulung in der Krise
> SPAREN Das Hamburger Berufsförderungswerk (BFW) hat wegen sinkender
> Teilnehmerzahlen Insolvenz angemeldet. Nun soll der Verkauf von Gelände
> die Schulden minimieren. Jedem Zweiten droht Entlassung
VON JAN SCHWENKENBECHER
In Hamburg-Farmsen steht mit dem Berufsförderungswerk (BFW) eine große
Bildungsinstitution vor dem Aus. Gegründet 1962, half es über 50 Jahre lang
Arbeitnehmern bei der Umschulung. Scheidet jemand wegen eines Unfalls oder
einer schweren Krankheit aus seinem Beruf aus, hilft das Werk bei der
Neuorientierung. Doch demnächst werden sich vielleicht die eigenen
Angestellten umschulen lassen müssen, denn die Hälfte der Belegschaft muss
wohl gehen.
Das BFW bietet 26 verschiedene Umschulungen sowie Weiterbildungen an. Diese
dauern 18 oder 24 Monate. Das Angebot reicht von IT- und Medienberufen über
kaufmännische Tätigkeiten bis hin zu Metall- und Elektroberufen. Für
Umschüler, die weit entfernt wohnen, gibt es in Hamburg-Farmsen eigene
Unterkünfte. Sogar eine Bar und eine Kegelbahn sind dort vorhanden. Doch in
letzter Zeit ist die Zahl der Umschüler, die dort wohnen, gesunken.
Vor zehn Jahren nahmen noch über 2.000 Leute an Kursen teil, aktuell sind
es lediglich 781. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di macht insbesondere
die Bundes-Arbeitsagentur für diesen Rückgang verantwortlich. Sie ist für
die Belegung zuständig und gehört neben der Deutschen Rentenversicherung
und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zu denen, die das
Werk finanzieren.
Die Arbeitsagentur erlaubte in den vergangenen Jahren immer weniger
Menschen eine Umschulung, die Zahl sank um über 60 Prozent. Dabei sollte
der Kreis der potenziell zu Rehabilitierenden eigentlich eher zugenommen
haben, bemerkt der zuständige Ver.di-Fachsekretär Roland Kohsiek. Der
Belegungsrückgang sei eine der Hauptursachen für die Verschuldung.
Die seit Jahren stetig sinkenden Teilnehmerzahlen erregen bereits seit
längerem Sorge. Im August vergangenen Jahres beschloss der Aufsichtsrat ein
Sanierungskonzept, dass auch einen Verzicht der Gläubiger auf einen Teil
ihres Geldes vorsah. Dieser Schuldenschnitt sollte im Januar erfolgen.
Entgegen aller vorherigen Ankündigen lehnten jedoch einige Mitglieder der
Unfallversicherung ab.
Die Verhandlungen gingen weiter, man kam aber monatelang zu keiner Lösung.
Als klar wurde, dass nahezu alle finanziellen Polster aufgezehrt und die
Gehälter für den Mai nicht mehr gesichert waren, leitete Geschäftsführer
Jens Mohr den Insolvenzantrag in die Wege. Am 23. Mai hat er den Antrag bei
Gericht eingereicht.
Doch es besteht noch Hoffnung. Ver.di-Sekretär Kohsiek rechnet derzeit mit
16 bis 20 Millionen Euro Schulden. Er baut auf einen Neuanfang. Ein
Sanierungsplan muss nun binnen drei Monaten dem Gericht vorgelegt werden.
Der von Gewerkschaft und Berufsförderungswerk gemeinsam vorgestellte Plan
sieht zunächst einen Schuldenschnitt der Gläubiger von 30 bis 35 Prozent
vor. Anschließend sollen mit dem Verkauf des halben Geländes, das für den
Wohnungsbau interessant ist, um die zehn bis zwölf Millionen Euro
eingenommen werden. Die restliche Summe soll die Stadt Hamburg übernehmen.
Damit das BFW nach einem Neustart nicht gleich wieder in finanzielle
Schieflage gerät, soll es schrumpfen. Die Hälfte der 308 Angestellten
müssen ihren Arbeitsplatz räumen. „Die Beschäftigten wurden schon im August
2012 darüber informiert“, sagt Kohsiek. Vom aktuellen Kursangebot fallen
sechs Kurse weg. Das breite Spektrum soll aber erhalten bleiben, ebenso die
drei Tochterunternehmen „Berufsbildungswerk“, „Vermittlungskontor“ und
„Berufliches Trainingszentrum“.
Wegen der Insolvenz schließen müssen die regionalen Beratungsstellen des
BFW in Schwerin und Lübeck. Nur die Außenstelle in Rendsburg bleibt. Dabei
ist das Hamburger BFW für die Region wichtig, denn nur fünf der insgesamt
28 Berufsförderungswerke sind in Norddeutschland ansässig. Das nächst
gelegene BFW befindet sich zwischen Oldenburg und Bremen. Außerdem gibt es
noch weitere in Bad Pyrmont, Goslar und Stralsund.
Jens Mohr ist optimistisch, dass es nun zu einem Schuldenschnitt kommt,
denn bei dem Insolvenzverfahren könnten einzelne Gläubiger, die sich bisher
sperrten, überstimmt werden. „Es sieht auf jeden Fall danach aus, dass das
Berufsförderungswerk weiter existieren kann“, sagt der BFW-Chef. „Wenn auch
in abgespeckter Form.“
1 Jun 2013
## AUTOREN
JAN SCHWENKENBECHER
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