# taz.de -- „Eine gewisse Leichtigkeit sollte es haben“ | |
> STADTBILD Manchen ist das ICC zu teuer, andere sehen in ihm ein | |
> Wahrzeichen der Stadt. Auch Ursulina Schüler-Witte sieht das so. Sie hat | |
> das ICC schließlich geplant | |
INTERVIEW RONALD BERG | |
taz: Frau Schüler-Witte, niemand ist bisher auf die Idee kommen, den Kölner | |
Dom oder die Berliner Staatsoper abzureißen, weil diese Gebäude im | |
Unterhalt zu teuer sind. Beim ICC ist eine solche Forderung offenbar | |
wohlfeil. Hat man den Wert des ICCs in Berlin noch gar nicht begriffen? | |
Ursulina Schüler-Witte: Es scheint so. Aber warum bekommt das ICC denn | |
jedes Jahr den Preis als bestes Kongresszentrum weltweit? | |
Heute schielen viele Politiker beim ICC nur auf die Zahlen. Man könnte es | |
aber auch als Wahrzeichen und Baukunstwerk sehen. | |
So wird es von Bauhistorikern auch angesehen. Die wollen es schon seit | |
Langem unter Denkmalschutz stellen, da sie den Bau als Wahrzeichen der 70er | |
Jahre ansehen. | |
Die hohen Kosten für Betrieb und eine etwaige Sanierung des ICCs bleiben | |
aber dadurch unberührt. Es wird darüber geklagt, dass der Unterhalt beim | |
ICC zu teuer wäre. Auch könnte angeblich nur ein Bruchteil der vorhandenen | |
Flächen vermarktet werden. Der neue City Cube wäre da günstiger. | |
Diese Argumente sind völliger Unsinn und von der Messe verbreitet worden, | |
um ausreichend Argumente für den Bau des City Cubes zu erhalten. Das Haus | |
hat vielleicht etwas höhere Betriebskosten als ein gewöhnliches Etagenhaus, | |
sorgt aber für ganz besondere Raumerlebnisse. Vor allem aber: Die | |
Betriebskosten rechnen sich doch! Ich finde es empörend, dass der Senat | |
über jährliche Zuschüsse von Seiten des Landes jammert, die ursprünglich ja | |
vom Land genauso beschlossen worden sind, und zwar im Hinblick auf | |
entsprechende Kaufkraftzuflüsse durch das Kongressgeschäft für die Stadt. | |
Es ist unverantwortlich, nur die Betriebskosten aufzuführen und alles | |
andere, was das Haus für die Stadt leistet, außer Acht zu lassen. | |
Sie vermuten also, dass die Kostenfrage nur vorgeschoben ist? Was wäre denn | |
der eigentliche Grund dafür, dass man das Gebäude offenbar nicht sonderlich | |
liebt, besonders beim Betreiber der Messe Berlin GmbH. | |
Bis zum zwanzigjährigen Bestehen des Hauses, 1999, wurde das Haus von der | |
Messe außerordentlich geschätzt. Aber seit dem Wechsel der Geschäftsleitung | |
im gleichen Jahr ist die Sichtweise auf das Haus eine völlig andere. Die | |
Messegesellschaft ist gewinnorientiert. Als Schreckensbild hat die Messe | |
vor Augen, dass sie eines Tages nicht mehr die Zuschüsse des Landes Berlin | |
bekommt und sie dann das ICC selbst bezuschussen muss. Der 2014 eröffnende | |
City Cube als Kongressalternative ist nichts als eine provinzielle | |
Messehalle. Dort kann man das Messe- und Kongressgeschäft sehr viel | |
preiswerter abwickeln. Das ist der einzige Grund, der zählt. Dass das ICC | |
genau für Kongresse zugeschnitten wurde, auf internationalem Niveau | |
rangiert und dem Kongressgast in diesem Haus jeder Wunsch erfüllt wird, das | |
interessiert die Messe nicht. Die macht lieber auf Provinzniveau. | |
Das Gebäude war damals mit knapp einer Milliarde D-Mark das teuerste in | |
Deutschland. | |
Wenn man die Argumentation auf die Spitze treiben will, kann man dagegen | |
behaupten, dass das ICC nicht teurer als ein Einfamilienhaus war. Die | |
850.000 Kubikmeter umbauten Raum kosteten 1.100 Mark pro Kubikmeter. Ein | |
Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern plus Keller für 1.100 Mark pro | |
Kubikmeter kommt etwa auf 650.000 Mark. Also das ICC war nie zu teuer für | |
dieses mit Technik vollgestopfte Haus. | |
Kann man das ICC eventuell für andere Funktionen umrüsten? Zum Beispiel | |
wurde es schon als Bibliotheksstandort vorgeschlagen? | |
Das Wertvolle des Hauses ist ja gerade seine Innenausstattung. Wir haben da | |
zum Beispiel die zweitgrößte Bühne Europas drin. Die beiden großen Säle mit | |
5.000 und 2.500 Plätzen können zusammengeschaltet werden. 50 Prozent | |
sollten ursprünglich über das Kongressgeschäft hinausgehen – etwa mit | |
Bühnen-, Show- oder Kammermusikver-anstaltungen für die Berliner. Beim Bau | |
musste das alles berücksichtigt werden. Das hat sich auch auf die Baukosten | |
ausgewirkt. Aber es gibt eine ungeheuere Flexibilität im Haus. Eine | |
Bibliothek in einem entkernten Haus ist jedenfalls völlig idiotisch. | |
Außerdem hatten wir in unserem damaligen Architektenvertrag zum ICC | |
durchgesetzt, dass jegliche Veränderungen am Hause nur durch uns als | |
Architekten durchgeführt werden dürfen. Dieses Recht habe ich vor ungefähr | |
einem Jahr an das Land Berlin zurückgegeben. Ich habe ja kein Büro mehr. | |
Aber ich möchte nach wie vor eingeschaltet werden, falls Umbauten oder | |
Veränderungen am ICC geplant werden. Denn ich bin ja nach wie vor Inhaberin | |
der Urheberrechte. | |
Wenn man sich das ICC ansieht, dann denkt man sofort an ein Raumschiff, das | |
gerade eben eingeschwebt ist. War das Absicht? | |
Nein. Das ist die Fantasie des Betrachters. | |
Wie kamen Sie dann aber auf diese technoide Formen? | |
Die Form ergibt sich aus der Notwendigkeit. Weil dieses Haus auf diesem | |
schmalen Grundstück steht, war der Grundriss vorbestimmt. Statt eines | |
Zentralbaus, wie wir es ursprünglich vorhatten, musste das Haus gestreckt | |
und die Räume übereinander gestapelt werden. Die andere Sache war, dass wir | |
an einer lärmumtosten Stelle bauen mussten. Auf der einen Seite Autobahn | |
und Eisenbahn. Auf der andern Seite der stark befahrende Messedamm. Wir | |
mussten also den Bau vor dem Lärm schützen. Das konnten wir nur, indem wir | |
eine Haus-im-Haus-Konstruktion geschaffen haben. Die Ebenen der beiden | |
großen Veranstaltungssäle ruhen über großen Stützen auf Neoprenpuffern. Und | |
das Dach lagert auf den Treppenhäusern, so dass kein Körperschall in das | |
Haus kommt. Weder von Flugzeugen noch von der Straße. Und das ergab die | |
Form: Die beiden Säle werden in der Mitte dargestellt. Was sich | |
herausschiebt, ist vorne der Verwaltungstrakt mit Restaurant und hinten das | |
Parkhaus. Was innen stattfindet nach außen darzustellen, das war immer | |
unser Credo. | |
Das Blechkleid macht das Gebäude sehr cool und technoid. | |
Es sollte eine gewisse Leichtigkeit haben, das hat es durch die Lamellen | |
bekommen. Dadurch wird eine abweisend geschlossene Wand vermieden. Aber | |
leider hat es die Messe seit Jahren unterlassen, die Fassade regelmäßig zu | |
reinigen, so dass das Haus einen möglichst abrissreifen Eindruck macht. | |
Aber außen herum sollte ja ursprünglich auch noch etwas hinzukommen. | |
Ja, auf der anderen Seite der Kantstraße ein Hotel als Hochhaus, direkt | |
angeschlossen über Brücken. Eigentlich gehört zu einem Kongresszentrum auch | |
ein Hotel. Das Land wollte damals, dass das privatwirtschaftlich finanziert | |
würde. Es gab aber keinen Interessenten. | |
Wie, meinen Sie, wird es weitergehen beim ICC? | |
Die Messe will das Haus loswerden, weil sie mit ihren City Cube Posemuckel | |
spielen will. | |
Dann müsste es ja jemand anderes betreiben. | |
Aber die Messe will sich ja keine Konkurrenz in die Stadt holen! Sie macht | |
mit dem City Cube das Kongressgeschäft und lässt die vielen anderen | |
Möglichkeiten des ICCs brachliegen, anstatt es dafür zu nutzen, wofür es | |
gebaut worden ist. Zwei Dutzend verschiedene Veranstaltungsarten wären hier | |
möglich. | |
Könnte man denn das ICC überhaupt profitabel betreiben? | |
Ekkehard Streletzki mit seinem Estrel Convention Center im tiefsten | |
Neukölln hat bewiesen, was möglich ist. 1.600 Veranstaltungen finden dort | |
jährlich statt. Aber er hat eben auch ein Hotel dabei. Es gäbe diese | |
Möglichkeit auch beim ICC, wenn man das marode Parkhaus Süd abreißen würde. | |
Ein Hotel an dieser Stelle mit direktem Zugang zum ICC wäre ideal. Die | |
Großform des ICCs müsste natürlich gewahrt bleiben. Das Parkhaus ist | |
ohnehin kaum benutzt. Die Kongressisten kommen meist mit Flugzeug und Taxi. | |
Auch das existierende Zufahrtsgeschoss von der Autobahn im Kellergeschoss | |
des ICCs ließe sich für eine andere Nutzung umbauen. | |
Fühlen Sie sich in der Lage, selbst noch einmal Pläne auszuarbeiten? | |
Momentan bin ich mit einem Buch über das Gesamtwerk meines Mannes und mir | |
beschäftigt. Zweitens habe ich kein Büro mehr. Nicht mal eine | |
Zeichenmaschine. | |
Gäbe es für eine solche Aufgabe andere geeignete Architekten? | |
Ich könnte mir welche vorstellen. | |
22 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
RONALD BERG | |
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