# taz.de -- VERANTWORTUNG KANN MAN HEUTE VERKAUFEN UND DANN ARBEITEN RUMÄNISCH… | |
Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg, ihr letztes Buch, | |
„Eheroman“, erschien 2012 und ihr Interesse gilt dem Fremden im Eigenen. | |
Riesige Kreuzfahrtschiffe werden auf der Meyer Werft in Papenburg im | |
Emsland gebaut. Ich bin noch nie mit einem Kreuzfahrtschiff gereist, ich | |
würde gerne mal durch die Liegestuhlreihen wandeln oder mal einen Blick in | |
die Kabinen werfen, dann würde ich das Schiff aber gerne auch wieder | |
verlassen, denn die Vorstellung, für eine Weile mit Leuten zusammensortiert | |
zu sein, die alle ein paar Dinge gemeinsam haben, eine gewisse Menge an | |
Taschengeld zum Beispiel und vielleicht eine Vorliebe für das | |
Unter-sich-Sein, diese Vorstellung ist mir unangenehm. Das Unter-sich-Sein | |
in jeder Form lehne ich ab. Ich bin für die radikale Vermischung von | |
Altersgruppen, Bildungsgruppen, Nationalitäten und den Geschlechtern | |
sowieso. Aber davon mal ab. | |
In der Meyer Werft gab es Ärger, denn es sind zwei Arbeiter verbrannt, die | |
nicht eigentlich richtige Arbeiter der Werft waren, und auch keine | |
Leiharbeiter, sondern Werksvertragsarbeiter. Das heißt: Die Firma, die die | |
Leute beschäftigt, schließt einen Vertrag über eine bestimmte Leistung mit | |
der Werft ab und erbringt die Leistung dann mit ihren | |
Werksvertragsarbeitern. Manchmal schließt diese Firma auch einen Vertrag | |
mit einer dritten Firma ab, die möglicherweise einen Vertrag mit einer | |
vierten Firma abschließt (usf.), die dann die Werkvertragsarbeiter liefert. | |
Man könnte meinen, dass so eine Werft sich eine Firma heraussucht, die die | |
besten Sozialstandards hat, weil so eine Werft sich das leisten kann. | |
Möglicherweise sucht sich eine Werft aber auch die Firma mit dem | |
preiswertesten Angebot heraus, schließlich hätte eine Werft ja die Arbeiter | |
auch selbst anstellen können, wenn sie Geld für soziale Standards hätte | |
ausgeben wollen. Aber der Arbeitsanfall in einer Werft ist saisonal | |
unterschiedlich, da muss das mit den zeitweiligen Arbeitskräften einfach | |
sein, sagt die Werft. Man weiß es nicht. | |
Nachdem der Werksvertragspartner also die Arbeiter von einem anderen | |
Werksvertragspartner aus dem (osteuropäischen) Ausland gekauft und | |
hertransportiert hat, zahlt er ihnen anständigen Lohn, mietet ihnen eine | |
Wohnung und sozialversichert sie. Und dann hat er immer noch ein bisschen | |
was übrig, um trotz seines günstigen Angebotes einen Gewinn zu machen. Wie | |
macht der das, der schlaue Fuchs? | |
Der Sprecher der Meyer Werft, Peter Hackmann, hat mitgeteilt, dass die | |
Arbeiter von Fremdfirmen in der Regel Löhne zwischen 20 und 35 Euro pro | |
Stunde bekämen. Da kann sich der Werksvertragsarbeiter nicht beschweren. Ob | |
der einzelne Rumäne allerdings auch unter die Regel fällt und wie viel der | |
jetzt genau bekommen hat, das konnte ich der Presse nicht entnehmen. Solche | |
Details sind für eine Firma immer schwer zu recherchieren. | |
Des Weiteren hat Herr Peter Hackmann mitgeteilt, dass 14 Personen in jenem | |
400 Quadratmeter-Unglückshaus gewohnt hätten, das fand er wahrscheinlich | |
ganz bequem, denn das waren dann ja 28,57 Quadratmeter für jeden Rumänen. | |
Es ist sicherlich nur eine kulturelle Angewohnheit, dass sie zu dreizehnt | |
in einem Zimmer geschlafen haben sollen. Vielleicht teilen rumänische | |
Arbeiter gerne ihre nächtliche Privatsphäre miteinander. | |
Ich weiß nicht, wie es zu dem Brand gekommen ist und vielleicht kann man | |
die Meyer Werft dafür nicht verantwortlich machen. Die Sache ist nur die: | |
Die rumänischen Arbeiter bauen zwar auf dem Gelände der Meyer Werft die | |
Schiffe der Meyer Werft zusammen, für 20 bis 35 Euro die Stunde – aber | |
eigentlich arbeiten sie in Rumänien und bekommen ungefähr drei Euro dafür. | |
Die Verantwortung liegt bei bei keinem, die Verantwortung ist verkauft | |
worden. Die Schuld ist auch verkauft worden und ist jetzt weg, ist im | |
System verloren gegangen. | |
Und jetzt, hopp, hopp, auf in die Karibik, solange das Taschengeld reicht. | |
23 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
KATRIN SEDDIG | |
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